Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Abziehbarkeit eines vor Bezug geleisteten Damnums nach § 10e Abs. 6 EStG

 

Leitsatz (NV)

Das BMF wird gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 FGO zum Beitritt aufgefordert, um Stellung nehmen zu können, wann Finanzierungskosten vor Beginn der erstmaligen Nutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken i.S. von § 10e Abs. 6 EStG entstanden sind, insbesondere ob ein vor Bezug geleistetes Damnum von 7 v.H. der Darlehenssumme bei einer Zinsfestschreibung von nur 2 Jahren in voller Höhe berücksichtigt werden kann.

 

Normenkette

EStG § 10e Abs. 6; FGO § 122 Abs. 2 S. 3

 

Tatbestand

1. Zum Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 12. Februar 1988 ein Einfamilienhaus zum Kaufpreis von 235000 DM. Das Grundstück wurde am 1. Mai 1988 übergeben; zu diesem Zeitpunkt war auch der Kaufpreis fällig. Für nachträgliche Herstellungskosten wendeten die Kläger im Streitjahr 1988 179919 DM auf. Am 1. August 1988 zogen sie in das Einfamilienhaus ein.

Zur Finanzierung des Kaufpreises und der nachträglichen Herstellungskosten nahmen sie zwei Darlehen von der Bank, bei der der Kläger Mitglied des Vorstandes ist, auf:

Darlehen I (Vertrag vom 25. Mai 1988)

Darlehensbetrag 140000 DM

Nominalzins 1,332 v.H. jährlich

bis 30. April 1990

(= 2 Jahre fest)

Auszahlung 93 v.H.

(= Damnum

von 9800 DM)

Effektivzins 5,15 v.H. jährlich

Darlehen II (Vertrag vom 18. Juli 1988)

Darlehensbetrag 130000 DM

Nominalzins 2,103 v.H. jährlich

bis 15. Juli 1990

(= 2 Jahre fest)

Auszahlung 93 v.H.

(= Damnum

von 9100 DM)

Effektivzins 5,98 v.H. jährlich

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ließ das Damnum nur in Höhe von 3 v.H. der Darlehensbeträge (= 8100 DM) zum Abzug wie Sonderausgaben zu. Der darüber hinausgehende Betrag sei nach seinem wirtschaftlichen Gehalt ein im voraus gezahlter Zins, der nicht auf die Zeit bis zur erstmaligen Nutzung der Wohnung entfalle und daher nicht nach § 10e Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abgezogen werden dürfe. Im übrigen liege ein Gestaltungsmißbrauch (§ 42 der Abgabenordnung - AO 1977 -) vor, weil das Damnum im Verhältnis zu dem kurzen Zinsfestschreibungszeitraum von nur zwei Jahren unangemessen hoch und nicht marktüblich sei.

Das Finanzgericht (FG) ließ das Damnum in voller Höhe zum Abzug zu. Es führte aus: Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 21a EStG a.F. sei ein vor der Selbstnutzung geleistetes Damnum in voller Höhe abziehbar und nicht auf die Laufzeit des Darlehens zu verteilen. Der BFH habe dabei berücksichtigt, daß ein Damnum in der Regel Zinscharakter habe, diesem Umstand für die Abziehbarkeit aber keine Bedeutung beigemessen. Die Grundsätze der Rechtsprechung zu § 21a EStG a.F. seien auch auf § 10e Abs. 6 EStG anwendbar. Für einen Gestaltungsmißbrauch lägen keine Anhaltspunkte vor. Ein Damnum in Höhe von 7 v.H. sei nicht marktunüblich. Auch im Hinblick auf die Effektivverzinsung und die Festlegungsfrist erscheine der Auszahlungssatz nicht unangemessen, zumal zu berücksichtigen sei, daß dem Kläger als Bankbediensteten Sonderkonditionen zugestanden hätten, die bei der Beurteilung der Marktüblichkeit eines Damnums außer Betracht bleiben müßten. Auch sei bislang nicht ersichtlich, daß der BFH in Einzelfällen Auszahlungskurse in der fraglichen Höhe als marktunüblich beanstandet habe (vgl. BFH-Urteile vom 13. Dezember 1983 VIII R 173/83, BFHE 140, 440, BStBl II 1984, 428 - Damnum von 10 v.H. -, und vom 8. November 1988 IX R 142/84, BFH/NV 1989, 223 - Damnum von 9 v.H. -).

Mit der Revision trägt das FA vor: Da sich die Praxis in der Abfassung von Darlehensverträgen im Hinblick auf die Höhe des Damnums geändert habe, sei dem Zusammenspiel zwischen Höhe des Damnums, Zinssatz und Zinsfestschreibungszeitraum ein höherer Stellenwert wegen der steuerlichen Auswirkung zuzumessen. Das bedeute für den Streitfall, daß ein Damnum in Höhe von 7 v.H. bei zweijähriger Festlegung eines Jahreszinssatzes von 1,332 v.H. bzw. 2,103 v.H. einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S. von § 42 AO 1977 darstelle. Die sehr niedrige Verzinsung des Darlehens mit einem Nominalzinssatz von 1,332 v.H. bzw. 2,103 v.H. jährlich habe ein hohes Disagio von jeweils 7 v.H. bewirkt, so daß der Effektivjahreszins bei 5,15 v.H. bzw. 5,98 v.H. liege. Der äußerst kurze zweijährige Zinsfestschreibungszeitraum stelle letztlich die Marktüblichkeit in Frage. Für die Gestaltung des Darlehensvertrages seien keine vernünftigen wirtschaftlichen oder außersteuerlichen Gründe maßgebend gewesen; sie habe allein der Steuerminderung gedient.

Die Kläger tragen vor, das Damnum sei nach der Rechtsprechung des BFH Entgelt für die Kapitalnutzung. Eine Zahlung ohne wirtschaftlichen Grund werde nur angenommen, wenn das Damnum über einen Monat vor Auszahlung des Darlehens zu bezahlen sei. Die Finanzverwaltung erkenne ein Damnum bis zu 10 v.H. als sofort abziehbare Werbungskosten an, und zwar ohne Koppelung an Zinsfestschreibung und ähnliches (Oberfinanzdirektion - OFD - Hannover, Steuererlasse in Karteiform - StEK -, § 9 Nr. 235). Die Höhe eines Disagios werde auch nicht durch die Dauer der Zinsfestschreibung bestimmt. In einer Hochzinsphase werde die Mehrzahl der Kreditnehmer in der Hoffnung auf fallende Zinssätze einen variablen Zinssatz wählen, während in Zeiten niedriger Zinsen jeder Kreditnehmer bemüht sein werde, eine möglichst lange Zinsbindung zu erreichen.

 

Entscheidungsgründe

2. Zu den entscheidungserheblichen Rechtsfragen

Aufwendungen, die vor Beginn der erstmaligen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken entstehen, sind nach § 10e Abs. 6 EStG - unter weiteren hier nicht streitigen Voraussetzungen - wie Sonderausgaben abziehbar. Der Ausgang des Rechtsstreits hängt davon ab, wie dieses Tatbestandsmerkmal auszulegen ist.

a) Nach überwiegender Auffassung in der Literatur sind Aufwendungen vor Bezug der Wohnung entstanden, wenn sie wirtschaftlich einen Zeitraum betreffen, in dem der Steuerpflichtige die Wohnung noch nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat - unabhängig davon, ob er die Aufwendungen vor oder nach Bezug bezahlt hat - (Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 10e EStG Anm. 518, und Stephan, Die Besteuerung selbstgenutzten Wohneigentums, 4. Aufl., S. 210, 223 jeweils m.w.N.). Abweichend hiervon wird jedoch für die Abziehbarkeit eines Damnums auf den Zeitpunkt der Leistung abgestellt.

b) Schmidt/Drenseck (Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 10e Anm. 9d) halten diese Auslegung nicht für zweifelsfrei. Es lasse sich auch die Meinung vertreten, daß eine Aufwendung erst entstehe, wenn sie tatsächlich anfalle, z.B., wenn gezahlt werde. Eine Aufwendung sei eine Ausgabe in Geld oder Geldeswert; vor Zahlung liege noch gar keine Aufwendung vor.

c) Im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 25. Okober 1990 (BStBl I 1990, 626, Abs. 50 bis 55) wird im Grundsatz ebenfalls auf die wirtschaftliche Zuordnung abgestellt. Für die Abziehbarkeit des Damnums soll es dagegen auf den Zeitpunkt der Leistung ankommen, d.h., es wird in voller Höhe zum Abzug zugelassen, wenn es vor Bezug geleistet worden ist. Nur wenn es nach Bezug abfließt, wird geprüft, welchem Zeitraum es wirtschaftlich zuzuordnen ist mit der Folge, daß der auf die Zeit vor Bezug entfallende Teilbetrag abgezogen werden darf.

d) Es spricht viel dafür, den Begriff entstehen nach Möglichkeit einheitlich für alle Aufwendungen auszulegen. Es sollte nicht je nach Art der Aufwendung die wirtschaftliche Zuordnung oder die Verausgabung maßgebend sein.

Aus der unterschiedlichen Wortwahl in § 10e Abs. 6 EStG (Aufwendungen, die vor Bezug entstehen) und in § 11 Abs. 2 EStG (Ausgaben, die geleistet worden sind), könnte man schließen, daß es für die Frage, welche Aufwendungen als Vorkosten abziehbar sind, nicht auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Leistung, sondern auf den Zeitraum der wirtschaftlichen Zuordnung ankommt. Für die Auslegung im Sinne einer wirtschaftlichen Zuordnung könnte auch der - nachträglich eingeführte - begrenzte Schuldzinsenabzug gemäß § 10e Abs. 6a EStG angeführt werden. Danach dürfen Schuldzinsen, die wirtschaftlich mit der Wohnung zusammenhängen und für die Zeit der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken entstehen, im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den beiden folgenden Kalenderjahren bis zu 12000 DM abgezogen werden. Diese Formulierung (für die Zeit) macht deutlich, daß nur die wirtschaftlich auf den Zeitraum der tatsächlichen Nutzung entfallenden Schuldzinsen (begrenzt) abziehbar sein sollen. Bei einheitlicher Auslegung des Begriffs entstehen müßte es für die vor Bezug entstandenen Aufwendungen ebenfalls auf die wirtschaftliche Zuordnung ankommen.

e) Stellt man für die Abziehbarkeit darauf ab, welchem Zeitraum die Aufwendungen wirtschaftlich zuzuordnen sind, wären Geldbeschaffungskosten, die einmaligen Verwaltungsaufwand bei der Kreditbeschaffung abgelten, wohl dem Zeitraum des Vertragsabschlusses oder der Fälligkeit zuzuordnen und nicht laufzeitbezogen zu behandeln (anders wohl BMF vom 25. Oktober 1990, BStBl I 1990, 626, Abs. 50 Satz 6 für Geldbeschaffungskosten wie Schätzungsgebühren, Gebühren für Hypothekenvermittlung, Bürgschaftsgebühren, Bereitstellungszinsen für Bankkredite, Notariatsgebühren, Aufwendungen für Fahrten zur Einholung von Kreditangeboten zur Finanzierung der Wohnung).

Dagegen müßte ein Damnum nach der neueren zivilrechtlichen Rechtsprechung als zinsähnlicher Aufwand grundsätzlich auf die Laufzeit des Darlehens bzw. des Zinsfestschreibungszeitraums verteilt werden. Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 29. Mai 1990 XI ZR 231/89 (Der Betrieb - DB - 1990, 1610) dient ein Damnum in der Regel nicht mehr der Abgeltung der mit der Kreditbeschaffung und -gewährung zusammenhängenden Aufwendungen, sondern ist weitgehend zu einem integralen Bestandteil - laufzeitabhängigen - Zinskalkulation geworden. Es ist deshalb im Zweifel als laufzeitabhängiger Ausgleich für einen niedrigeren Nominalzinssatz anzusehen. Eine Verteilung des Damnums steht allerdings mit der Gesetzesbegründung zu § 10e Abs. 6 EStG nicht in Einklang. Danach soll diese Vorschrift gewährleisten, daß der Steuerpflichtige die in dem Bau- und Anschaffungszeitraum anfallenden Kosten, die bis einschließlich 1986 bei eigengenutzten Wohnungen als Werbungskosten abgezogen werden durften, insbesondere ein Damnum und andere Geldbeschaffungskosten, auch künftig steuermindernd abziehen kann (BTDrucks 10/3633 S. 16). Nach der Rechtsprechung zu § 21a EStG aber waren nicht laufzeitbezogene Schuldzinsen, zu denen auch das Damnum gerechnet wurde, abziehbar, wenn sie vor Ansatz des Grundbetrages (§ 21a Abs. 1 EStG a.F.) geleistet worden waren (z.B. BFH in BFHE 140, 440, BStBl II 1984, 428 m.w.N.; bei Leistung nach Ansatz des Grundbetrags allerdings Aufteilung und Abziehbarkeit des Teilbetrags, der auf die Zeit vor Anwendbarkeit des § 21a EStG entfällt: BFH-Urteil vom 21. Januar 1975 VIII R 101/70, BFHE 115, 209, BStBl II 1975, 503).

Trotz der Kritik in der Literatur an der unterschiedlichen Behandlung von Schuldzinsen und Damnum hat der BFH - vor allem im Hinblick darauf, daß § 21a EStG letztmals für den Veranlagungszeitraum 1986 anzuwenden war - an seiner Rechtsprechung festgehalten (BFH in BFH/NV 1989, 223). Das Urteil ist allerdings vor der Änderung der BGH-Rechtsprechung ergangen.

f) Die von Schmidt/Drenseck (s. oben 2b) vertretene Auslegung, die das Entstehen der Aufwendungen mit dem Zeitpunkt der Verausgabung gleichsetzt, dürfte mit dem Wortsinn ebenfalls vereinbar sein. Sie hätte den Vorzug, daß Schuldzinsen und Geldbeschaffungskosten unabhängig davon, ob sie laufzeitbezogen sind oder nicht, gleichbehandelt würden. Jedoch müßten bei dieser Auslegung mißbräuchliche Gestaltungen über § 42 AO 1977 ausgeschlossen werden. Auch im Hinblick auf vor Bezug durchgeführte Reparaturaufwendungen erscheint das Abstellen auf den Verausgabungszeitpunkt nicht sachgerecht.

3. Auswirkungen auf den Streitfall

a) Kommt es für die Abziehbarkeit von Vorkosten auf die wirtschaftliche Zuordnung an und beurteilt man der neueren Rechtsprechung des BGH folgend das Damnum als laufzeitabhängigen Ausgleich für einen niedrigeren Nominalzins, müßte es insgesamt auf die Dauer des Zinsfestschreibungszeitraums von 2 Jahren verteilt werden. Es wäre nur der Teil abziehbar, der auf die Zeit vor Bezug der Wohnung entfällt. Dieser Betrag ist niedriger als der vom FA anerkannte Betrag von 3 v.H. der Darlehenssumme. Die Vorentscheidung wäre daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.

b) Stellt man für die Abziehbarkeit der Vorkosten darauf ab, wann die Ausgaben geleistet worden sind, wäre im Streitfall zu prüfen, ob ein Mißbrauch nach § 42 AO 1977 vorliegt. Nach dem Bauherrenerlaß vom 31. August 1990 (BStBl I 1990, 366, 369) ist ein Damnum im Veranlagungszeitraum der Verausgabung als Werbungskosten in voller Höhe abziehbar, soweit unter Berücksichtigung der jährlichen Zinsbelastung die marktüblichen Beträge nicht überschritten werden. Eine Zinsvorauszahlung wird angenommen, wenn der Nominalzins ungewöhnlich niedrig und das Damnum entsprechend hoch bemessen ist. Als marktüblich wird aus Vereinfachungsgründen angesehen, wenn für ein Darlehen mit einem Zinsfestschreibungszeitraum von mindestens fünf Jahren ein Damnum in Höhe von bis zu 10 v.H. vereinbart worden ist. Für jedes Jahr des Zinsfestschreibungszeitraums wird also ein Damnum von 2 v.H. der Darlehenssumme anerkannt. Für den Streitfall - mit einem Zinsfestschreibungszeitraum von nur zwei Jahren - wäre nach der Verwaltungsregelung wohl nur ein Damnum in Höhe von 4 v.H. der Darlehenssumme als marktüblich anzusehen, so daß die Vorentscheidung aufzuheben und der Klage teilweise stattzugeben wäre.

4. Beitritt des BMF

Da die Frage, inwieweit Aufwendungen vor Beginn der erstmaligen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken entstanden sind, von erheblicher Tragweite ist und der Senat bei einheitlicher Auslegung des Begriffs unter Umständen von den im Schreiben des BMF vom 25. Oktober 1990 (BStBl I 1990, 626) aufgestellten Grundsätzen abweichen würde, erscheint es geboten, das BMF an dem Verfahren zu beteiligen (§ 122 Abs. 2 FGO). Für den Fall des Beitritts sollte dargelegt werden, auf welchen Grundlagen die Annahme beruht, ein Damnum sei bis zur Höhe von 10 v.H. der Darlehenssumme bei einer Zinsfestschreibung von mindestens fünf Jahren marktüblich.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419482

BFH/NV 1994, 466

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