Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit

 

Leitsatz (NV)

1. Auch wenn einzelne Verhaltensweisen eines Richters jeweils für sich genommen nicht geeignet sind, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen, kann sich bei der erforderlichen Gesamtschau mehrerer zu beanstandender Vorgänge (hier: fehlerhafte Verweigerung der Aktenübersendung, kurzfristige Terminierung trotz zuvor mitgeteilter Verhinderung, nachhaltige Verweigerung der Terminsverlegung trotz triftiger Gründe, herabsetzende Äußerungen) ergeben, daß ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus zu Recht befürchten kann, ein Richter werde ihm gegenüber nicht oder nicht mehr unparteilich entscheiden.

2. Die mündliche Verhandlung vor dem FG stellt den Mittelpunkt des finanzgerichtlichen Verfahrens dar. Ein Vertagungsantrag kann nicht mit der Begründung abgelehnt werden, es sei nicht erkennbar, auf welche Weise das Verfahren durch die Anwesenheit des Klägers hätte gefördert werden können.

3. Eine Partei kann einen Richter nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm auf eine Verhandlung eingelassen hat, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen. Zum Verbrauch eines Ablehnungsgrundes durch rügelose Antragstellung in einem Zwischenverfahren.

 

Normenkette

FGO § 51 Abs. 1, § 91; ZPO § 42 Abs. 1, § 227

 

Tatbestand

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer) führt in eigener Sache eine größere Zahl finanzgerichtlicher Prozesse, die in erster Instanz vor dem Finanzgericht . . . (FG) anhängig sind bzw. waren. In dem Hauptverfahren wegen Aufrechnung und Aussetzung der Vollziehung, in dem die streitbefangenen Richterablehnungsgesuche gestellt worden sind, wies das FG durch Urteil vom . . . , an dem die Berufsrichter A, B und C mitwirkten, die Klage ab. Gegen dieses Urteil ist die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig.

Der Beschwerdeführer hat beantragt, den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht (VRiFG) A und den Richter am Finanzgericht (RiFG) B wegen Besorgnis der Befangenheit vom weiteren Verfahren auszuschließen. Das FG hat die Anträge durch Beschlüsse vom . . . (VRiFG A) sowie vom . . . (RiFG B und VRiFG A) zurückgewiesen. Hiergegen richten sich die Beschwerden.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerden, die der Senat zu gemeinsamer Entscheidung verbunden hat (§ 73 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) sind begründet, soweit sie den VRiFG A betreffen. Hinsichtlich des Befangenheitsantrags gegen den RiFG B hat die Beschwerde keinen Erfolg.

A. Ablehnungsgesuch bzgl. VRiFG A

1. Gemäß § 51 Abs. 1 FGO i. V. m. § 42 Abs. 1 und 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei objektiver und vernünftiger Betrachtung davon ausgehen darf, daß der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde; unerheblich ist dabei, ob ein solcher Grund wirklich vorliegt (Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 51 Tz. 37, m. w. N.). Wird die Befangenheit aus Verfahrensverstößen hergeleitet, so müssen zusätzlich Anhaltspunkte vorhanden sein, die dafür sprechen, daß das Fehlverhalten auf einer unsachlichen Einstellung des Richters beruht (Senatsbeschluß vom 5. September 1989 VII B 65/89, BFH/NV 1990, 310). Hierbei gilt, daß der Schluß vom Verfahrensfehler auf die Anerkennung der Besorgnis der Befangenheit eines Richters sich zwar regelmäßig noch nicht auf Grund eines einzelnen Verfahrensverstoßes begründen läßt. Es können aber die beanstandeten Vorgänge (Verfahrensverstöße und sonstige Verhaltensweisen) in ihrer Gesamtheit einen Grund darstellen, der den Beteiligten von seinem Standpunkt aus zu Recht befürchten lassen kann, der abgelehnte Richter werde nicht oder nicht mehr unparteilich entscheiden (zur ,,Gesamtschau" der Befangenheitsgründe: Beschluß des Senats vom 26. März 1974 VII B 77/73 und VII B 1-3/74, nicht veröffentlicht - NV -).

2. Diese zuletzt genannten Voraussetzungen sind im Hinblick auf den VRiFG A erfüllt. Dieser hat in verschiedener Hinsicht aus Gründen, die nach der Prozeßlage nicht geboten erscheinen, die Prozeßführung des Beschwerdeführers im vorliegenden Hauptverfahren . . . erschwert, so daß nicht nur aus der subjektiven Sicht des Beschwerdeführers, sondern auch vom Standpunkt eines objektiven Dritten bei einer Gesamtschau der für das Ablehnungsgesuch vorgetragenen Ereignisse die Befürchtung gerechtfertigt erscheint, der Richter stehe dem Beschwerdeführer nicht mehr unbefangen gegenüber.

a) Eine Erschwerung der Prozeßführung, deren Notwendigkeit nicht einleuchtet, liegt zunächst in der von VRiFG A verfügten Ablehnung des Antrags auf Aktenübersendung an das Amtsgericht . . . zur Einsichtnahme durch den dort wohnhaften Beschwerdeführer. Hierbei hatte der Vorsitzende das erhebliche Interesse des als Rechtsanwalt tätigen Beschwerdeführers an der Ersparnis von Zeit und Kosten gegenüber der von ihm angebotenen Akteneinsicht beim FG einerseits (rd. 200 km Gesamtfahrstrecke zwischen Wohnort und FG) mit dem dienstlichen Interesse an jederzeitiger Verfügbarkeit der Akten sowie der Vermeidung von Verlustrisiken andererseits gegeneinander abzuwägen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 24. März 1981 VII B 64/80, BFHE 133, 8, BStBl II 1981, 475, und vom 28. Januar 1986 VII B 161/85, BFH/NV 1986, 614). Da aus den Ablehnungsverfügungen des Vorsitzenden als vorrangig gegenüber den Interessen des Beschwerdeführers anzuerkennende dienstliche Interessen nicht ersichtlich sind, es sich nach der Verfügung vom . . . im Streitfall um ,,relativ dünne Akten" handelte, die Sache - wie der weitere Prozeßverlauf zeigt - vom FG für entscheidungsreif angesehen wurde und die Aktenübersendung auf das vorliegende Verfahren hätte beschränkt werden können, erscheint die generelle Ablehnung des Antrags auf Aktenversendung hinsichtlich der Gerichts- und FA-Akten des vorliegenden Rechtsstreits fehlerhaft. Hinzu kommt, daß der Beschwerdeführer das FG darauf hingewiesen hatte, daß die vom Vorsitzenden zur Begründung der Ablehnung der Aktenversendung zitierte Rechtsprechung im Streitfall nicht einschlägig war, da er nicht die auf Ausnahmefälle beschränkte Übersendung der Akten in die Wohnung oder das Büro des Bevollmächtigten, sondern die Übersendung an das an seinem Wohnort gelegene Amtsgericht beantragt hatte. Die Ablehnung der Aktenversendung konnte vom Beschwerdeführer auch deshalb als eine nicht durch die Sache gebotene Belastung empfunden werden, weil sie in der Verfügung vom . . in einen - unsachlichen - Zusammenhang mit der Länge seiner Schriftsätze gestellt wurde.

b) Eine weitere nicht gebotene Erschwerung der Prozeßführung ist darin zu sehen, daß der Vorsitzende den Termin zur mündlichen Verhandlung kurzfristig auf den . . . anberaumt hat, obwohl der Beschwerdeführer kurz zuvor auf seine Verhinderung bis zum . . . aus beruflichen und privaten Gründen hingewiesen hatte. Da der Beschwerdeführer aus seiner Sicht nicht beurteilen konnte, inwieweit die Rücksichtnahme auf seine berufliche Beanspruchung durch überwiegende dienstliche Belange beim FG ausgeschlossen war, konnte er die kurzfristige Terminierung unter Nichtberücksichtigung der von ihm angegebenen Verhinderung zumindest als unnötige Belastung empfinden und auch daraus im Zusammenhang mit der sonstigen Prozeßleitung des Vorsitzenden die Besorgnis herleiten, daß dieser ihm gegenüber befangen sei.

c) Aus der Ablehnung der Anträge des Beschwerdeführers auf Terminsverlegung ergibt sich eine Erschwerung in der Wahrnehmung des rechtlichen Gehörs.

aa) Nachdem der Beschwerdeführer rechtzeitig durch Übermittlung einer Ladungskopie glaubhaft gemacht hatte, daß er am Terminstage eine mündliche Verhandlung bei dem etwa 100 km entfernt liegenden Amtsgericht wahrzunehmen hatte, und da der früheren Terminierung grundsätzlich der Vorrang einzuräumen ist (Baumbach / Lauterbach / Albers/ Hartmann, Zivilprozeßordnung, 49. Aufl., § 227 Anm. 3 B), lagen erhebliche Gründe für eine Terminsverlegung (§§ 155 FGO, 227 ZPO) vor angesichts der Entfernung zwischen Sitz des Amtsgerichts und dem des FG, der Unwägbarkeiten des Terminablaufs beim Amtsgericht sowie wegen der infolge Ablehnung der Aktenübersendung noch vor der mündlichen Verhandlung beim FG wahrzunehmenden Akteneinsicht. Hinzu kommt, daß der Beschwerdeführer ein Schreiben des Amtsgerichts übermittelt hatte, wonach die von ihm dort umgehend nach der Terminsladung des FG beantragte Terminsverlegung auf große Schwierigkeiten stieß. Die Annahme einer Prozeßverschleppungsabsicht - auf die das FG abgestellt hat - erscheint jedenfalls bei dem mit der - belegten - Überschneidung von Gerichtsterminen begründeten Terminsverlegungsantrag nicht verständlich.

Auf die Anwesenheit des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung konnte auch nicht etwa mit der im Urteil des FG gegebenen Begründung verzichtet werden, es sei nicht erkennbar, auf welche Weise das Verfahren durch seine Anwesenheit im Termin hätte gefördert werden können. Denn nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 14. Oktober 1975 VII R 150/71, BFHE 117, 19, BStBl II 1976, 48; vom 24. November 1976 II R 28/76, BFHE 121, 132, BStBl II 1977, 293), des Bundessozialgerichts (Urteil vom 25. Januar 1974 10 RV 375/73, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1974, 465) sowie auch der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 10. Dezember 1985, BVerwG 9 C 84.84, Buchholz § 108 Nr. 178) hat der Kläger das Recht, seine Sache vor Gericht in mündlicher Verhandlung selbst zu vertreten, unabhängig davon, ob die Rechtsfragen zuvor in Schriftsätzen ausführlich erörtert worden sind. Dem Kläger muß insbesondere im finanzgerichtlichen Verfahren die Möglichkeit eingeräumt werden, seine Sache vor der einzigen Tatsacheninstanz mündlich vorzutragen, sich durch Anhörung des Vortrags des wesentlichen Inhalts der Akten (§ 92 Abs. 2 FGO) davon zu überzeugen, daß sein Begehren richtig aufgefaßt worden ist, und am evtl. Rechtsgespräch zwischen dem Gericht und den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung (§ 93 FGO) teilzunehmen. Die mündliche Verhandlung hat somit als Mittelpunkt des finanzgerichtlichen Verfahrens einen Rechtswert an sich (Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 91 FGO Tz. 1; Gräber / Koch, a. a. O., § 91 Tz. 3; zur grundlegenden Bedeutung der mündlichen Verhandlung vgl. BFH-Urteil vom 21. Januar 1981 II R 91/79, BFHE 132, 394, BStBl II 1981, 401). Gerade im vorliegenden Fall, in dem es in erheblichem Maße auf die Auslegung eines Rechtsbehelfsschreibens ankam und in dem wegen der Vielzahl ineinandergreifender Verfahren der Eintritt erledigender Ereignisse nahelag, war die Durchführung der mündlichen Verhandlung unter Anwesenheit des Beschwerdeführers in besonderem Maße geeignet, Mißverständnisse abzubauen und überflüssige Verfahren zu vermeiden, so daß eine Verlegung des Termins sachgerecht gewesen wäre.

bb) Ein weiterer Anlaß zur Terminsverlegung bestand auf Grund des Telefax . . . , in dem der Beschwerdeführer mitteilte, daß für den unmittelbar bevorstehenden Terminstag starker Schneefall angekündigt und der konkurrierende Gerichtstermin beim Amtsgericht bislang nicht verlegt worden sei.

cc) Ob eine Verlegung des Termins schließlich auch im Hinblick auf das vor Beginn der mündlichen Verhandlung durch Telefax übermittelte ärztliche Attest hätte erfolgen müssen, wonach der Beschwerdeführer am Terminstag dienstunfähig erkrankt war, braucht angesichts des vorangegangenen Verhaltens des Senatsvorsitzenden und des dadurch hervorgerufenen Eindrucks auf den Beschwerdeführer im vorliegenden Befangenheitsverfahren nicht entschieden zu werden.

d) Als Ausdruck eines gespannten Verhältnisses zwischen dem VRiFG A und dem Beschwerdeführer können auch die vom Beschwerdeführer beanstandeten verschiedenen richterlichen Äußerungen (Vorhalte, ein Antrag sei widersinnig und das Gericht sei nicht Steuerberater des Beschwerdeführers, Bezeichnung des Beschwerdeführers als nicht vertretenen Steuerpflichtigen) angesehen werden. Diese sind zumindest im Zusammenhang mit den vorgenannten übrigen Umständen geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen; sie erhalten jedenfalls bei der notwendigen Gesamtschau ein besonderes Gewicht.

Ob auch das Schreiben des VRiFG A vom . . . , in dem dem Beschwerdeführer unter Berufung auf ,,möglicherweise krankheitsbedingte(n) querulatorische(n) Eingaben" (ferner auf einen ,,Leidensdruck, der nach Hilfe verlangt") in Aussicht gestellt wurde, bei weiterer ,,mutwilliger Inanspruchnahme des Gerichts" werde ggf. die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistandes gemäß § 62 FGO zu erwägen sein, im vorliegenden Beschwerdeverfahren Berücksichtigung finden kann, ist zweifelhaft. Denn Gegenstand der Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch ist die behauptete Befangenheit des Richters aus den im Gesuch genannten Gründen. Daher ist der Vortrag neuer Tatsachen oder neuer Beweismittel auch im Beschwerdeverfahren nur in dem vom Verfahrensgegenstand der angefochtenen Entscheidung bestimmten Rahmen zulässig (Beschlüsse des BFH vom 24. Juli 1990 X B 115/89, BFH/NV 1991, 253; vom 22. Mai 1991 IV B 48/90, NV). Ob unter den vorliegenden Umständen das vom Beschwerdeführer beanstandete Schreiben des Vorsitzenden noch dem selben Streitgegenstand zuzurechnen ist, weil hierdurch das bereits im Ablehnungsgesuch vorgebrachte gespannte Verhältnis zwischen Richter und Verfahrensbeteiligten weiter aufgehellt wird, kann jedoch dahinstehen. Aus dem Gesamtbild der erörterten Verhaltensweisen des VRiFG A im Rahmen der Prozeßleitung, die der Beschwerdeführer als Befangenheitsgründe vorgebracht hat - insbesondere aus der nachhaltigen Verweigerung der Terminsverlegung trotz erheblicher Antragsgründe - ergibt sich jedenfalls, daß der Beschwerdeführer bei objektiver Betrachtung von seinem Standpunkt aus Anlaß zu der Besorgnis haben konnte, der Richter werde ihm gegenüber nicht unvoreingenommen entscheiden. Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, daß der Beschwerdeführer selbst zu dem gespannten Verhältnis beigetragen hat und die Befangenheit des Richters keinesfalls als erwiesen angesehen werden kann.

B. Ablehnungsgesuch bzgl. RiFG B

Die Beschwerde wegen Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs gegenüber dem RiFG B ist unbegründet.

1. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, RiFG B habe telefonisch gegenüber seiner Ehefrau geäußert, es gebe seit 1945 keine Willkür mehr, Befangenheitsvorbringen seien von ihm grundsätzlich nicht zu beachten und er sehe Befangenheit allenfalls als eine Frage der Dienstaufsicht an, begründet gegenüber dem abgelehnten Richter keine Besorgnis der Befangenheit. Die beanstandeten Äußerungen, insbesondere die im Telefongespräch vom . . . , betreffen ein nach Ansicht der Ehefrau willkürliches Verhalten des FA. Es bestand daher bei objektiver Betrachtung kein Anlaß, davon auszugehen, RiFG B lehne Befangenheitsvorbringen gegenüber Richtern aus sachfremden Erwägungen ohne Prüfung der Sach- und Rechtslage im Einzelfall grundsätzlich ab.

2. Die Besorgnis der Befangenheit läßt sich auch nicht aus der Teilnahme des Richters am Beschluß des FG vom . . . herleiten. Bei dieser Entscheidung soll nach der Behauptung des Beschwerdeführers seine Stellungnahme zur dienstlichen Äußerung des VRiFG A nicht abgewartet und berücksichtigt worden sein. Diese Behauptung hat der Beschwerdeführer aber nicht glaubhaft gemacht (vgl. § 44 Abs. 2 ZPO). RiFG B ist dem Vorbringen in seiner dienstlichen Stellungnahme entgegengetreten; ferner ist im Beschluß des FG . . . ausgeführt, daß dem RiFG B bei seiner Entscheidung vom . . . die Stellungnahme des Beschwerdeführers zur dienstlichen Äußerung des VRiFG A vorgelegen habe. Zwar ist das FG in dem Beschluß vom . . . inhaltlich auf die gegen die dienstliche Äußerung des VRiFG A erhobenen Einwände des Beschwerdeführers nicht eingegangen. Hieraus kann aber nicht gefolgert werden, daß die Stellungnahme des Beschwerdeführers im Beschlußzeitpunkt tatsächlich nicht vorgelegen hat, denn ein Eingehen auf die angeblich vom VRiFG A mit dem FA geführten Telefongespräche war vom rechtlichen Standpunkt des FG aus nicht erforderlich. Es hat die in anderen Verfahren geführten Telefongespräche für die Besorgnis der Befangenheit im vorliegenden Verfahren als rechtlich unerheblich angesehen und maßgeblich darauf abgestellt, daß jedenfalls für das vorliegende Hauptverfahren keine Anhaltspunkte für ,,heimliche" Telefongespräche vorgetragen oder aus den Akten erkennbar seien. Daher bestand für das FG aus seiner rechtlichen Sicht keine Notwendigkeit, auf die Behauptung des Beschwerdeführers, entgegen der Darstellung des Vorsitzenden seien die ,,heimlichen" Telefongespräche nicht in den Akten festgehalten worden, weiter einzugehen.

3. Ob RiFG B im Verfahren . . . einen Verfahrensfehler begangen hat, indem er nach Darstellung des Beschwerdeführers ein ,,heimliches" Telefongespräch mit dem FA geführt und dessen Ergebnis dem das Verfahren abschließenden Beschluß zugrunde gelegt hat, ohne zuvor dem Beschwerdeführer hierzu rechtliches Gehör zu gewähren, kann dahinstehen. Dieser Ablehnungsgrund, von dem der Beschwerdeführer durch Zustellung des Beschlusses vom . . . Kenntnis erlangt hatte, war durch die insoweit rügelose Antragstellung vom . . . im Richterablehnungsverfahren gegen den VRiFG A verbraucht.

Gemäß § 155 FGO i. V. m. § 43 ZPO kann eine Partei einen Richter nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Hierzu gehört auch die Einreichung einer Klageschrift (BFH-Beschluß vom 12. Juli 1988 IX B 188/87, BFH/NV 1989, 237). Unerheblich ist ferner, ob die Anträge in dem Hauptverfahren oder - wie hier (Richterablehnungsgesuch) - in einem Zwischenverfahren gestellt werden (vgl. Thomas /Putzo, Zivilprozeßordnung, 17. Aufl., § 43 Anm. 2 b), denn entscheidend ist, daß durch die Antragstellung das Vertrauen in die Unbefangenheit des Richters zum Ausdruck gebracht wird. Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall vor.

Dem Beschwerdeführer war im Zeitpunkt des Befangenheitsgesuchs gegen den VRiFG A bekannt, daß RiFG B als geschäftsplanmäßiger Vertreter des Vorsitzenden über dieses Richterablehnungsgesuch mitentscheiden würde, denn dem Beschwerdeführer war aus zahlreichen anderen Verfahren die Besetzung des . . . Senats des FG bekannt, ihm lag der Geschäftsverteilungsplan des FG vor und er hatte noch am Beschlußtage angefragt, ob inzwischen ein Selbstablehnungsgesuch des RiFG B vorliege. Hieraus wird deutlich, daß der Beschwerdeführer mit einer Teilnahme des RiFG B an der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch rechnete. Da ihm aber der geltend gemachte Ablehnungsgrund spätestens mit Zustellung dieses Beschlusses bekannt geworden war und er gleichwohl rügelos am . . . den Antrag auf Ablehnung des VRiFG A stellte, über den nach seiner Kenntnis RiFG B als Mitglied des . . . Senats mitzuentscheiden hatte, nahm der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt in Kauf, daß über seinen Antrag ein Richter entscheiden werde, den er - nach seinen Angaben - bereits zu diesem Zeitpunkt als befangen ansah. Da der Sinn und Zweck des § 43 ZPO darin besteht, nach Bekanntwerden des Ablehnungsgrundes eine schnelle Klärung der weiteren Mitwirkung des Richters am Verfahren herbeizuführen (Zöller / Vollkommer, Zivilprozeßordnung, 17. Aufl., § 43 Anm. 1), sind alle Ablehnungsgründe, die dem Beschwerdeführer hinsichtlich des RiFG B im Zeitpunkt seiner Antragstellung vom . . . an den Senat, dem B angehörte, bekannt waren, verbraucht. Der Beschwerdeführer konnte nicht darauf vertrauen, daß sich der RiFG B selbst ablehnen werde.

Im übrigen würde auch ein etwaiger einmaliger Verstoß gegen das Gebot zur Gewährung rechtlichen Gehörs in einem anderen, abgeschlossenen Verfahren nicht ausreichen, die Besorgnis der Befangenheit des RiFG B zu begründen. Da das Telefongespräch mit dem FA im Beschluß vom . . . offen ausgewiesen worden ist, handelt es sich auch nicht um ein ,,heimliches", hinter dem Rücken des Beschwerdeführers geführtes Telefongespräch, das als Indiz für die einseitige Verbundenheit eines Richters mit der Finanzverwaltung angesehen werden könnte.

4. Da Gegenstand der Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch die behauptete Befangenheit des Richters aus den im Gesuch genannten Gründen und der Vortrag neuer Tatsachen oder neuer Beweismittel nur im Rahmen des Verfahrensgegenstandes der angefochtenen Entscheidung zulässig ist (BFH in BFH/NV 1991, 253), kann dahinstehen, ob RiFG B - wie vorgetragen - am . . . in einem Nebenraum des Gerichtssaales über ein erneutes Ablehnungsgesuch des Beschwerdeführers laut gelacht hat. Soweit der Beschwerdeführer aus diesem Verhalten des Richters in einem anderen Rechtsstreit einen Befangenheitsgrund herleitet, betrifft dieser einen anderen Verfahrensgegenstand. Er kann somit im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht berücksichtigt werden.

5. Aus der Beantwortung der vom Beschwerdeführer gestellten Fragen durch den VRiFG A anstelle des nach Auffassung des Beschwerdeführers hierzu berufenen RiFG B lassen sich keine Folgerungen im Hinblick auf die behauptete Befangenheit des RiFG B ziehen.

6. Der Beschwerde war schließlich auch nicht schon wegen der Mitwirkung des mit Erfolg abgelehnten VRiFG A an der Zurückweisung des Richterablehnungsgesuchs bzgl. RiFG B stattzugeben. Der BFH ist, wie er bereits entschieden hat, im Beschwerdeverfahren wegen Richterablehnung wegen seiner Befugnis zur Ermittlung des Sachverhalts und dessen Würdigung in tatsächlicher Hinsicht befugt, unabhängig von etwaigen Besetzungsfehlern der Vorinstanz in der Sache selbst zu entscheiden (BFH-Beschlüsse vom 26. September 1989 VII B 75/89, BFH/NV 1990, 514, m. w. N., und vom 22. Mai 1991 V B 173/90, NV).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 135 Abs. 2 FGO, soweit die Beschwerde VII B 54/91 erfolglos geblieben ist. Soweit die Beschwerden Erfolg haben, gehören die Kosten zu denen der Hauptsache (BFH-Beschluß vom 8. Mai 1989 IX B 238/88, BFH/NV 1990, 240, 243).

 

Fundstellen

Haufe-Index 418130

BFH/NV 1992, 526

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