Entscheidungsstichwort (Thema)

Zustellung an Prozessbevollmächtigte; Heilung von Zustellungsfehlern

 

Leitsatz (NV)

  1. Das Erfordernis einer Zustellung an den Prozessbevollmächtigten ergibt sich im Steuerprozess bereits aus § 62 Abs. 3 Satz 5 FGO. Insoweit braucht nicht auf § 53 Abs. 2 FGO i.V.m. § 172 ZPO n.F. abgestellt zu werden.
  2. Zustellungen des Gerichts sind an den Bevollmächtigten zu richten, sofern ein solcher "bestellt" ist. Zur Bestellung genügt es insbesondere, dass jemand durch ausdrückliche oder schlüssige Handlung dem Gericht gegenüber als Bevollmächtigter gekennzeichnet worden ist.
  3. § 53 Abs. 2 FGO i.V. mit § 189 ZPO n.F. legt fest, dass Fehler, die bei der Ausführung der Zustellung unterlaufen sind, geheilt werden, wenn der Zustellungszweck erreicht wird.
 

Normenkette

FGO § 53 Abs. 2, § 62 Abs. 3 S. 5; ZPO §§ 182, 189

 

Gründe

Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) wurde verspätet eingelegt; sie ist daher durch Beschluss zu verwerfen.

1. Entgegen der Ansicht des Klägers wurde die erstinstanzliche Entscheidung formwirksam mittels Postzustellungsurkunde zugestellt. Die Zustellung erfolgte an die Prozessbevollmächtigten des Klägers. Dabei ergibt sich das Erfordernis, dass die Zustellung nicht an den Kläger, sondern an seine Prozessbevollmächtigten zu bewirken war, im Steuerprozess bereits aus § 62 Abs. 3 Satz 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Danach sind Zustellungen des Gerichts an den Bevollmächtigten zu richten, sofern ein solcher "bestellt" ist. Zur Bestellung genügt es insbesondere, dass jemand durch ausdrückliche (oder schlüssige) Handlung dem Gericht gegenüber als Bevollmächtigter gekennzeichnet worden ist (vgl. Neumann in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 53 FGO Rz. 15; Kruse/Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 62 FGO Tz. 46; Zöller/ Stöber, Zivilprozessordnung, 23. Aufl., § 172 Rn. 6, m.w.N.). Entgegen der Ansicht des Klägers ist die bisherige, auf die ursprüngliche Fassung des § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO gestützte Rechtsprechung, wonach ein Bevollmächtigter nur dann als "bestellt" galt, wenn die ihm notwendigerweise schriftlich erteilte Vollmacht dem Gericht vorlag, aufgrund der Neufassung des § 62 Abs. 3 FGO durch das Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (FGOÄndG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 1992, 2109, BStBl I 1993, 90) überholt (vgl. hierzu Brandt in Beermann, a.a.O., § 62 FGO Rz. 264 und 49; Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler ―H/H/Sp―, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 62 FGO Rz. 131 und 78, sowie Kruse/Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 62 FGO Tz. 32).

2. Die Zustellung des Urteils an die Prozessbevollmächtigten des Klägers wurde auch formwirksam ausgeführt. Die Postzustellungsurkunde enthält alle erforderlichen Angaben (vgl. § 182 der Zivilprozessordnung ―ZPO―). Die Übergabe des Urteils erfolgte an eine namentlich bezeichnete Büroangestellte der Prozessbevollmächtigten (vgl. auch § 182 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Dass der Postzusteller auf der Zustellungsurkunde den Namen der Beschäftigten in einer falschen Rubrik anführte, ist ein nicht wesentlicher Mangel bei der Ausführung der Zustellung (vgl. Zöller/Stöber, a.a.O., § 182 Rn. 19).

3. Der Kläger verkennt im Übrigen, dass nach § 53 Abs. 2 FGO i.V.m. § 189 ZPO n.F. Fehler, die bei der Ausführung der Zustellung unterlaufen sind, geheilt werden, wenn der Zustellungszweck erreicht wird. Dies ist u.a. der Fall, wenn das zuzustellende Schriftstück dem Adressaten tatsächlich zugegangen ist (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 53 Rz. 144; Neumann in Beermann, a.a.O., § 53 FGO Rz. 49 f.). Ein solcher Fall ist hier gegeben. Es liegen keine Umstände vor, dass die Prozessbevollmächtigten das angefochtene Urteil nicht tatsächlich erhalten hätten (vgl. hierzu: Häublein in Hannich/ Meyer/Seitz, ZPO-Reform 2002, § 189 Tz. 2 ff.; Münchener Kommentar-ZPO/Aktualisierungsband-Wenzel, § 189 Rdnr. 3 ff.); die Prozessbevollmächtigten behaupten dies auch nicht.

4. Die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde lief am 9. September 2002 ab. Die Beschwerdeschrift ist indessen erst am darauffolgenden Tag beim Bundesfinanzhof eingegangen. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) hat der Kläger nicht vorgetragen; solche sind auch nicht ersichtlich.

 

Fundstellen

BFH/NV 2003, 788

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