Entscheidungsstichwort (Thema)

Ernstliche Zweifel an Gewinnrealisierung bei Rangrücktrittsvereinbarung

 

Leitsatz (NV)

Es ist ernstlich zweifelhaft, ob eine Rangrücktrittsvereinbarung, nach der die zurücktretende Forderung nur zu Lasten von Bilanzgewinnen, aus einem Liquidationsüberschuß oder aus dem die sonstigen Verbindlichkeiten des Schuldners übersteigenden Vermögen getilgt werden muß, beim Schuldner zur gewinnerhöhenden Auflösung der Verbindlichkeit führt.

 

Normenkette

FGO § 69; EStG § 5

 

Tatbestand

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin), deren Gesellschaftszweck der Ankauf, die Modernisierung und Verwaltung von Mietwohngrundstücken ist, hatte im November 1984 Verbindlichkeiten gegenüber der Architektengemeinschaft X und Y (Gemeinschaft) und der Z-GmbH (GmbH). Zur Abwendung einer möglichen Überschuldung der Antragstellerin im Sinne der handels- und konkursrechtlichen Bestimmungen traf die Antragstellerin am 26. November 1984 mit der Gemeinschaft und mit der GmbH Vereinbarungen, wonach die Gemeinschaft mit ihren Forderungen in Höhe von 154 852,78 DM und die GmbH mit ihren Forderungen in Höhe von 171 975 DM hinter die Forderungen aller anderen Gläubiger in der Weise zurücktraten, daß diese Forderungen nur zu Lasten von Bilanzgewinnen, aus einem Liquidationsüberschuß oder aus dem die sonstigen Verbindlichkeiten der Antragstellerin übersteigenden Vermögen bedient zu werden brauchten. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) vertrat die Auffassung, die Antragstellerin habe in Höhe des vereinbarten Rangrücktritts einen außerordentlichen Ertrag erzielt. Mit unter Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) ergangenem Bescheid vom 3. April 1987 stellte das FA dementsprechend einen gegenüber der Feststellungserklärung der Antragstellerin um einen außerordentlichen Ertrag von 326 827,78 DM geminderten Verlust aus Gewerbebetrieb von . . . DM fest. Mit gemäß § 164 Abs. 2 AO 1977 ergangenem Änderungsbescheid vom 20. Februar 1989 stellte das FA den Verlust mit . . . DM fest. Dabei ging es auf Grund neuerlicher Feststellungen im Rahmen einer Außenprüfung von einem außerordentlichen Ertrag auf Grund der Rangrücktrittsvereinbarung in Höhe von 227 742,39 DM aus, da in der Bilanz zum 31. Dezember 1984 die Verbindlichkeiten gegenüber der Gemeinschaft bzw. der GmbH nur noch in Höhe von 83 767,39 DM bzw. 143 975 DM, zusammen 227 742,39 DM, passiviert gewesen seien.

Die Antragstellerin hat gegen den Bescheid vom 3. April 1987 Einspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden ist; nunmehr ist der Änderungsbescheid vom 20. Februar 1989 Gegenstand des Einspruchsverfahrens. Einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheids lehnte das FA ab. Daraufhin beantragte die Antragstellerin Aussetzung der Vollziehung beim Finanzgericht (FG) gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Das FG lehnte den Antrag mit Beschluß vom 11. April 1989 mit der Begründung ab, es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Feststellungsbescheids, und es sei auch nicht ersichtlich, daß die Vollziehung für die Antragstellerin eine Härte i. S. des § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO zur Folge hätte.

Dagegen richtet sich die vom FG gemäß Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) i. V. m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassene Beschwerde der Antragstellerin. Nach Ergehen des Änderungsbescheids vom 20. Februar 1989 hat die Antragstellerin beantragt, der Änderungsbescheid solle Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sein.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, den Beschluß des FG aufzuheben und die Vollziehung des angefochtenen Bescheids mit der Maßgabe auszusetzen, daß vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptverfahren von einem Verlust von . . . DM auszugehen ist, der auf die Beteiligten nach Maßgabe der gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung zu verteilen ist.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist begründet.

Der Senat hat mit Beschluß vom 18. Oktober 1989 IV B 149/88 (BFHE 158, 426, BStBl II 1990, 71) entschieden, es sei ernstlich zweifelhaft i. S. des § 69 Abs. 2, 3 FGO, ob eine Rangrücktrittsvereinbarung mit dem Inhalt, der auch im Streitfall vereinbart wurde, zu einem außerordentlichen Ertrag und damit zu einer Gewinnerhöhung bzw. Verlustminderung beim Schuldner führt. Auf diese Entscheidung wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Danach bestehen auch im Streitfall ernstliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids. Diese würden auch dann bestehen, wenn die Verbindlichkeiten, auf die sich der Rangrücktritt bezieht, erst im Streitjahr 1984 entstanden sein sollten. Auch in diesem Falle hätten die Verbindlichkeiten im Zeitpunkt ihrer Entstehung passiviert werden müssen, so daß sich, wie im Falle IV B 149 /88, die Frage stellt, ob die zunächst passivierte Verbindlichkeit gewinnerhöhend aufgelöst werden darf.

 

Fundstellen

BFH/NV 1990, 423

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