Leitsatz (amtlich)

Der Streit um die Rechtmäßigkeit der Pfändung einer Forderung oder eines sonstigen Rechts ist zwar grundsätzlich nach dem Betrag zu bewerten, zu dessen Beitreibung die Pfändung ausgebracht worden ist. Das kann jedoch dann nicht gelten, wenn der Wert des gepfändeten Rechts niedriger ist. Der Streitwert ist in diesem Falle nach dem finanziellen Erfolg der Pfändungsverfügung zu bemessen.

 

Normenkette

FGO §§ 115, 155; ZPO §§ 3, 6

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist selbständiger Handelsvertreter. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) pfändete durch Verfügung vom 8. November 1974 gegenwärtige und künftige Forderungen des Klägers gegenüber der Firma Sch wegen Abgabenforderungen von etwa 33 500 DM. Hiergegen erhob der Kläger Beschwerde. Die Firma Sch teilte dem FA mit, der Kläger habe seit der Pfändung keine weitere Tätigkeit für sie ausgeübt. Nachdem das FA erfahren hatte, daß der Kläger nunmehr für die Firma B tätig werde, pfändete es am 22. Januar 1975 seine Provisionsforderungen gegen diese Firma. Das FA ging davon aus, daß sich die Beschwerde des Klägers nunmehr auch gegen diese Pfändung richte. Am 18. April 1975 teilte es dem Kläger mit, daß es seine Beschwerde der OFD zur Entscheidung zugeleitet habe. Die OFD wies am 26. November 1975 den Rechtsbehelf als unzulässig zurück.

Mit der daraufhin erhobenen Klage rügte der Kläger, die Beschwerdeentscheidung sei völlig unverhofft ergangen, denn bei seinen Unterredungen mit dem FA sei vereinbart worden, nur die Ansicht der OFD über die Höhe des pfändbaren Betrages einzuholen. Er beantragte, die Beschwerdeentscheidung aufzuheben, weil sie nicht habe ergehen dürfen, hilfsweise, die Pfändungsverfügungen vom 8. November 1974 und vom 22. Januar 1975 aufzuheben. Das FG wies die Klage durch Urteil vom 25. November 1976 ab.

Der Kläger hat durch einen Steuerberater gegen das FG-Urteil Revision eingelegt. Er beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Zur Höhe des Streitwertes trägt der Kläger vor: Dieser sei nach den Grundsätzen des GKG regelmäßig nach der sich aus dem Antrag ergebenden Bedeutung der Sache im Wege einer Ermessensentscheidung zu bestimmen. Deshalb sei hier zu berücksichtigen, daß ihn das FA durch die beiden Pfändungsverfügungen zweimal aus einer selbständigen Tätigkeit in eine geringe Arbeitnehmertätigkeit verdrängt habe. Das FA habe durch einseitigen Verwaltungsakt Monatsraten über 400 DM festgesetzt, die noch erheblich hätten erhöht werden sollen. Zu dieser Zeit hätten die Steuerrückstände etwa 22 000 DM betragen. Angesichts des Gesamtbetrages der der Vollstreckung zugrunde gelegten Rückstände und der Tatsache, daß das FA innerhalb von zwei Jahren Ratenzahlungen in Höhe von 10 000 DM verlangt habe, könne der Streitwert mit 15 000 DM angenommen werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist gemäß § 124 und § 126 Abs. 1 FGO durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen, weil der Wert des Streitgegenstandes 10 000 DM nicht übersteigt, das FG die Revision nicht zugelassen hat und ein wesentlicher Verfahrensmangel i. S. des § 116 FGO nicht geltend gemacht ist (§ 115 Abs. 1 FGO i. V. m. Art. 1 Nr. 5 des BFH-EntlastG vom 8. Juli 1975, BGBl I 1975, 1861).

Der Wert des Streitgegenstandes ist gemäß § 155 FGO nach den Vorschriften der §§ 3 bis 9 ZPO zu bestimmen. Nach § 3 ZPO wird dieser Wert vom Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt. Auf die Feststellungen der Vorinstanz kommt es nicht an. Maßgeblich ist, welches finanzielle Interesse der Revisionskläger nach der bei der Einlegung seines Rechtsmittels gegebenen Sach- und Rechtslage mit dem Rechtsmittel weiterverfolgt (vgl. Beschluß des BFH vom 20. August 1976 VI R 94/76, BFHE 119, 403, BStBl II 1976, 713). Da der Kläger einen Haupt- und einen Hilfsantrag gestellt hat, ist der mit dem einen oder dem anderen Antrag verfolgte weitestgehende Anspruch maßgeblich (vgl. BFH-Beschluß vom 8. März 1973 IV B 18/69, BFHE 109, 14, BStBl II 1973, 505). Am weitesten geht der Anspruch, den der Kläger mit dem Hilfsantrag verfolgt, die Pfändungsverfügung vom 22. Januar 1975 aufzuheben. Der Streit um die Rechtmäßigkeit der Pfändung einer Forderung oder eines sonstigen Rechts ist zwar grundsätzlich nach dem Betrag zu bewerten, zu dessen Beitreibung die Pfändung ausgebracht worden ist. Das kann jedoch dann nicht gelten, wenn der Wert des gepfändeten Rechts niedriger ist, die Pfändungsverfügung also den beizutreibenden Betrag nur in Höhe dieses niedrigeren Wertes durchsetzen kann. Der Streitwert ist in diesem Falle nach dem finanziellen Erfolg der Pfändungsverfügung zu bemessen. Für Fahrnis- und Grundstückspfandrechte bestimmt § 6 ZPO, daß bei einem Streit über das Pfandrecht der Gegenstand des Pfandrechts maßgebend ist, falls er einen geringeren Wert als die dem Pfandrecht zugrunde liegende Forderung hat. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb der darin liegende Rechtsgedanke nicht auch bei der Pfändung einer Forderung oder eines sonstigen Rechts gelten sollte (vgl. Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 8. Aufl., § 140 FGO Rdnr. 61; Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, Zivilprozeßordnung, 35. Aufl., § 3 Anhang, "Pfändung von Forderungen und sonstigen Rechten"; Wieczorek, Zivilprozeßordnung, 2. Aufl., § 3 B IV c 1).

Im vorliegenden Fall ist also der Anspruch auf Aufhebung der Pfändungsverfügung vom 22. Januar 1975 mit dem Betrag zu bewerten, der mit Erfolg gepfändet worden ist, also von der Firma B als Drittschuldnerin bis zur Einlegung der Revision im Januar 1977 einbehalten und an das FA abgeführt worden ist. Das sind insgesamt 3 125,90 DM.

Die Pfändungsverfügung vom 8. November 1974 war ins Leere gegangen; an ihrer Aufhebung besteht daher für den Kläger kein finanzielles Interesse mehr. Das finanzielle Interesse an der mit dem Hauptantrag erstrebten Aufhebung der Beschwerdeentscheidung der OFD ist geringer als das an der Aufhebung der Pfändungsverfügung vom 22. Januar 1975, weil deren Fortbestand durch eine Aufhebung der Beschwerdeentscheidung nicht berührt würde.

 

Fundstellen

BStBl II 1978, 71

BFHE 1978, 408

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