Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit eines von einem Bevollmächtigten unterzeichneten Investitionszulageantrags

 

Leitsatz (NV)

1. Der einer Steuerfestsetzung beigefügte Vorbehalt der Nachprüfung verhindert grundsätzlich das Entstehen eines für die Bindung nach Treu und Glauben notwendigen Vertrauenstatbestandes.

2. In der Rechtsprechung und im Schrifttum ist nicht hinreichend geklärt, ob und unter welchen Voraussetzungen die Unterzeichnung eines Investitionszulageantrags durch einen Bevollmächtigten für eine wirksame Antragstellung ausreicht. Es bestehen deshalb ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Investitionszulage-Änderungsbescheides, durch den das FA im Hinblick auf die Unterzeichnung des Antrags durch einen Bevollmächtigten die Zulage versagt.

 

Normenkette

AO 1977 § 164 Abs. 2; FGO § 69 Abs. 3; InvZulG 1993 § 6 Abs. 3

 

Tatbestand

Die Klägerin, Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) beantragte beim Beklagten, Antragsgegner und Beschwerdeführer (Finanzamt -- FA --) mit dem am 30. September 1994 beim FA eingegangenen Antrag Investitionszulage für Investitionen im Gesamtbetrag von ... DM für das Kalenderjahr 1993 (Streitjahr). Der auf dem Vordruck "IZ (93)" gestellte Antrag ist, ebenso wie der Zulageantrag für 1992, von der Prokuristin X der Klägerin mit "ppa x" unterschrieben.

Nach der Einnahme eines Augenscheins bei der Klägerin durch einen Investitionszulage- Sonderprüfer des FA am 16. März 1995 setzte das FA mit Bescheid vom 6. April 1995 die Investitionszulage unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf ... DM fest. Dabei berücksichtigte es, dem Prüfer folgend, verschiedene Wirtschaftsgüter zu Anschaffungskosten von insgesamt ... DM nicht.

Mit Änderungsbescheid vom 28. August 1996 setzte das FA die Investitionszulage für das Streitjahr mit der Begründung auf 0 DM fest, der Zulageantrag trage nicht die Unterschrift des gesetzlichen Vertreters der Klägerin. Damit sei der Antrag nicht eigenhändig i. S. des §6 Abs. 3 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1993 unterschrieben und daher nicht wirksam gestellt worden.

Der Einspruch, mit dem die Klägerin auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrte, blieb ohne Erfolg. Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben, die noch beim Finanzgericht (FG) anhängig ist. Den Antrag der Klägerin auf Aussetzung der Vollziehung des Änderungsbescheides wies das FA mit Bescheid vom 7. Februar 1997 zurück.

Das FG gab dem bei ihm gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung statt. Es führte aus: Die Unterschrift der Prokuristin der Klägerin stelle keine eigenhändige Unterschrift i. S. von §6 Abs. 3 InvZulG 1993 dar. Bei handlungsunfähigen Personen habe deren gesetzlicher Vertreter zu unterzeichnen. Mit der eigenen Unterschrift solle der Anspruchsberechtigte oder sein gesetzlicher Vertreter die Verantwortung für die Richtigkeit der tatsächlichen Angaben in dem Antrag übernehmen. In dem Vordruck werde darauf hingewiesen, daß die in dem Antrag angegebenen und die ggf. unverzüglich anzuzeigenden Tatsachen subventionserhebliche Tatsachen i. S. des §264 des Strafgesetzbuches seien. Der Anspruchsberechtigte verpflichte sich, das FA zu benachrichtigen, sofern innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung die Anspruchsvoraussetzungen für die Wirtschaftsgüter nicht mehr vorlägen oder wenn sich die Anschaffungs- oder Herstellungskosten nachträglich änderten. Die mit der eigenen Unterschrift dokumentierte Übernahme dieser Verpflichtungen müsse grundsätzlich durch den Anspruchsberechtigten oder seinen gesetzlichen Vertreter erfolgen. Die Prokuristin der Klägerin sei aber nicht deren gesetzliche, sondern rechtsgeschäftlich bestellte Vertreterin.

Die Unterzeichnung durch die Prokuristin sei auch nicht deshalb zulässig gewesen, weil der Geschäftsführer der Klägerin infolge längerer Abwesenheit an der Unterschriftsleistung gehindert gewesen sei. Zwar habe die Klägerin im Einspruchsverfahren vorgetragen, ihr damaliger Geschäftsführer habe sich 1994 überwiegend in A und im Ausland aufgehalten. Sie habe aber die Abwesenheit des Geschäftsführers nicht durch Angabe der betreffenden Tage und der Abwesenheitsgründe dargelegt. Außerdem habe sie die Abwesenheit nicht glaubhaft gemacht.

Trotz der umfassenden Änderungsmöglichkeit des FA nach §164 der Abgabenordnung (AO 1977) ergäben sich jedoch aufgrund der Besonderheiten des Falles nach dem Grundsatz von Treu und Glauben ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Änderungsbescheides. Grundsätzlich verhindere zwar der Vorbehalt der Nachprüfung einen entsprechenden Vertrauenstatbestand. Bei überschlägiger Betrachtung liege hier indes ein Ausnahmefall vor. Das FA habe nämlich im März 1994 eine Investitionszulage-Sonderprüfung für die Jahre 1990 bis 1992 durchgeführt, ohne den Zulageantrag für das Jahr 1992 zu beanstanden, obwohl die Unterschrift deutlich lesbar ebenfalls den Zusatz "ppa" enthalten habe. Wenn aber ein mit dem Zulagerecht vertrauter Prüfer die Unterschrift der Prokuristin nicht beanstandet habe, könne von der Klägerin nicht ohne weiteres erwartet werden, daß sie im September 1994 Erkundigungen darüber einholt, welche Unterschriftsleistung den Anforderungen des §6 Abs. 3 InvZulG 1993 genügt, zumal sie weder bei der Investitionszulage-Sonderprüfung noch bei der Antragstellung fachkundigen Beistand gehabt habe. Zudem sei aufgrund der Sonderprüfung im April 1994 ein Zulagebescheid für 1992 ergangen, ohne wiederum Anstoß an der Ordnungsmäßigkeit der Unterschrift zu nehmen.

Hinzu komme, daß derselbe Prüfer, der die Investitionszulage-Sonderprüfung für die Vorjahre durchgeführt habe, auch im März 1995 die Besichtigung aufgrund des Zulageantrags für das Streitjahr durchgeführt habe, ohne die fehlerhafte Unterschrift zu beanstanden. Damit habe das FA das Vertrauen der Klägerin in die Ordnungsmäßigkeit der Unterschrift bestärkt. Wegen des Umfanges der Prüfung habe die Klägerin den Eindruck gewinnen müssen, daß die formellen Voraussetzungen für die Zulagegewährung vorlägen. Die Klägerin habe auch aufgrund der unterlassenen Beanstandung Dispositionen getroffen. Sie habe auf die Nachholung der Unterschrift ihres Geschäftsführers verzichtet und keinen rechtzeitigen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Ein solcher Antrag wäre zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides noch möglich gewesen, da die Jahresfrist gemäß §110 Abs. 3 AO 1977 noch nicht abgelaufen gewesen wäre.

Die Aussetzung der Vollziehung sei jedoch nur gegen Sicherheitsleistung zu gewähren, da bei einem Unterliegen der Klägerin im Hauptverfahren der Anspruch auf Rückzahlung der Investitionszulage gefährdet sei.

Mit der Beschwerde trägt das FA vor: Ein Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung bewirke keine Bindung an die getroffenen Regelungen und eröffne sowohl dem Steuerpflichtigen als auch dem FA die Möglichkeit der umfassenden Änderung. Deshalb könne kein Vertrauenstatbestand entstehen, der zu einer Bindung nach Treu und Glauben führe. Hinderungsgründe für eine Änderung könnten sich lediglich aus dem Vertrauensschutz nach §176 AO 1977 oder aufgrund der Erteilung einer verbindlichen Zusage ergeben.

Im übrigen sei im vorliegenden Fall kein Vertrauenstatbestand geschaffen worden. Bei der Investitionszulage-Sonderprüfung für 1990 bis 1992 im März 1994 sei die Mangelhaftigkeit der Unterschrift für 1992 übersehen worden. Entsprechend den Grundsätzen der Abschnittsbesteuerung bewirke die Beurteilung in einem Veranlagungszeitraum keine Bindung des FA für künftige Abschnitte. Die Prüfung des Antrags für 1993 im März 1995 habe lediglich dazu gedient, sich ein Bild von den betreffenden Wirtschaftsgütern zu machen. Eine vollumfängliche Prüfung habe nicht stattgefunden. Deshalb sei kein Vertrauenstatbestand im Hinblick auf die Unterschrift geschaffen worden.

Das FA beantragt, den Beschluß des FG aufzuheben.

Die Klägerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Das FG hat die Vollziehung des angefochtenen Änderungsbescheides zu Recht ausgesetzt.

Nach §69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sind zu bejahen, wenn bei der summarischen Prüfung anhand des aktenkundigen Sachverhaltes neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 12. November 1992 XI B 69/92, BFHE 170, 106, BStBl II 1993, 263, m. w. N., ständige Rechtsprechung).

Im Streitfall kann offenbleiben, ob -- wie das FG meint -- ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheidänderung deshalb bestehen, weil die Klägerin darauf vertrauen durfte, das FA werde die Unterzeichnung des Investitionszulageantrags 1993 durch ihre Prokuristin nicht beanstanden. Gegen diese Auffassung bestehen, wie das FA zu Recht anführt, allerdings Bedenken. Denn nach der Rechtsprechung des BFH verhindert der einer Steuerfestsetzung beigefügte Vorbehalt der Nachprüfung in aller Regel das Entstehen eines für die Bindung nach Treu und Glauben notwendigen Vertrauenstatbestandes (Beschluß des BFH vom 20. Dezember 1994 V B 3/94, BFH/NV 1995, 946, m. w. N.). Eine Ausnahme hiervon kann grundsätzlich nur dann gelten, wenn die Voraussetzungen einer bindenden Zusage vorliegen (BFH-Urteil vom 19. Januar 1994 XI R 72/90, BFH/NV 1994, 591). Eine Zusage oder auch nur ein zusageähnliches Verhalten des FA im Hinblick auf die Ordnungsmäßigkeit der Unterzeichnung des Zulageantrags liegt hier indes nicht vor. Die Nichtbeanstandung durch das FA für das Vorjahr bzw. für das Streitjahr im Rahmen einer Vorbehaltsfestsetzung reicht dafür jedenfalls nicht aus.

Bei der gebotenen summarischen Prüfung bestehen jedoch ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides insoweit, als in der Rechtsprechung und im Schrifttum nicht hinreichend geklärt ist, ob und unter welchen Voraus setzungen die Unterzeichnung eines Investitionszulageantrags durch einen Bevollmächtigten -- hier die Prokuristin der Klägerin --, d. h. aufgrund rechtsgeschäftlich erteilter Vertretungsmacht (§166 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs -- BGB --), für eine wirksame Antragstellung ausreicht.

Der Senat hat zu der Frage, ob bei der Unterzeichnung eines Investitionszulageantrags durch einen Bevollmächtigten der Form des §6 Abs. 3 Satz 1 InvZulG 1993 genügt ist, noch nicht Stellung genommen. Mit Beschluß vom 21. November 1996 III B 177/94 (nicht veröffentlicht -- NV --) hat er indes in einer vergleichbaren Sache (Unterzeichnung des Investitionszulageantrags für das Jahr 1991 vom Buchhalter "i. A.") die Revision zugelassen (Aktenzeichen der beim Senat anhängigen Revision III R 5/97; vgl. BStBl II 1997, Beilage Nr. 2, 117). Mit Beschluß vom 26. März 1997 III B 195/96 (NV) hat der Senat in einem weiteren Fall, das Jahr 1992 betreffend, die Revision zugelassen. Hier hatte der Steuerberater des Anspruchsberechtigten unterschrieben (Aktenzeichen der Revision III R 26/97). Die im Hinblick auf die zugelassenen und anhängigen Revisionen bestehende Ungeklärtheit der im Streitfall entscheidungs erheblichen Rechtsfrage begründet bei summarischer Prüfung auch ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Investitionszulage-Änderungsbescheides.

 

Fundstellen

BFH/NV 1998, 83

NWB 1999, 305

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