Entscheidungsstichwort (Thema)

Grenzen der Überprüfung von Ermessensentscheidungen durch das FG

 

Leitsatz (NV)

Hat das FA einen Antrag auf Stundung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 222 AO 1977) abgelehnt, so überschreitet das FG die Grenzen der richterlichen Überprüfung von Ermessensentscheidungen nach § 102 FGO, wenn es von einem Sachverhalt ausgeht, zu dem das FA weder eigene Feststellungen getroffen noch eine eigene Würdigung vorgenommen hat.

 

Normenkette

FGO § 102; AO 1977 § 222

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg (Urteil vom 15.11.2000; Aktenzeichen V 190/98)

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist begründet. Das vorinstanzliche Urteil war aufzuheben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).

Die Entscheidung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt ―FA―) über die Stundung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 222 der AbgabenordnungAO 1977―) ist eine Ermessensentscheidung. Nach § 102 FGO (jetzt § 102 Satz 1 FGO n.F.) können Ermessensentscheidungen durch das Finanzgericht (FG) nur daraufhin überprüft werden, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Das bedeutet zwar, dass das FG auch die Tatsachenfeststellung und die Beweiswürdigung des FA überprüfen darf bzw. muss; denn die Rechtsverletzung kann auch in einer unzureichenden Feststellung oder Würdigung der bedeutsamen Tatsachen liegen. Regelmäßig unzulässig ist es aber, wenn das FG die angefochtene Ermessensentscheidung mit Erwägungen rechtfertigt, auf die sich die Finanzbehörde in ihrer Entscheidung nicht gestützt hat (Urteile des Bundesfinanzhofs vom 11. März 1988 III R 236/84, BFH/NV 1989, 432; vom 20. Dezember 2000 II R 74/99, BFH/NV 2001, 1027; ferner Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 102 FGO Tz. 5, m.w.N.).

Gegen diese Grundsätze hat das FG mit seinem Urteil verstoßen. Auf die Frage, ob die Klägerin nach der Trennung von ihrem Ehemann die Ursache für die streitbefangenen Nachforderungen durch die Wahl der Steuerklasse bzw. durch die nicht beantragte Änderung der Lohnsteuerkarte schuldhaft selbst gesetzt hat, ist das FA weder im Ausgangsbescheid noch in der Einspruchsentscheidung eingegangen. Wenn die Ablehnung des Antrags auf Stundung in der Einspruchsentscheidung mit dem Verhalten der Klägerin begründet wird, so bezieht sich diese Aussage allein auf das in der Einspruchsentscheidung geschilderte Verhalten ―nämlich das Zahlungsverhalten― der Klägerin, nicht jedoch auf ein erstmals im vorinstanzlichen Urteil bezeichnetes Verhalten, zu dem das FA weder eigene Feststellungen getroffen noch eine eigene Würdigung vorgenommen hat.

Von der Erhebung der Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen (§ 8 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1083302

BFH/NV 2004, 361

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