Leitsatz (amtlich)

1. Der Finanzrechtsweg ist nicht zur Ausfüllung von behaupteten Lücken des Rechtsschutzes gegenüber Verwaltungsakten der Finanzbehörden gegeben, für deren gerichtliche Nachprüfung ausdrücklich ein anderer Rechtsweg vorgeschrieben ist.

2. Ist der Finanzrechtsweg in der Hauptsache nicht gegeben, so ist auch nicht eine einstweilige Anordnung nach § 114 FGO zulässig.

2. Den Zollbehörden kann nicht durch eine einstweilige Anordnung untersagt werden, den Überwachungsorganen nach § 58 Abs. 5 WG 1971 auf ihr Ersuchen die dort bezeichneten Unterlagen und Auskünfte zu geben.

 

Normenkette

FGO §§ 33, 114; Beitrittsgesetz zum Madrider Abkommen § 2 Abs. 2; OWig § 62 Abs. 1; WG 1971 § 58 Abs. 5

 

Tatbestand

Die Antragstellerin hatte Anfang 1970 bei der französischen Firma C. 250 000 Flaschen Vin Mousseux (Schaumwein) - Kohlensäuredruck unter 3 atü, aber nicht weniger als 2,5 atü bei 20ø C gemessen - bestellt. Die Beschlagnahme einer Teilsendung dieser Ware, die das ZA D am 20. Dezember 1970 vornahm, hat das Amtsgericht auf Beschwerde der Antragstellerin hin aufgehoben. Die Antragstellerin befürchtet die Beschlagnahme der zukünftigen Einfuhren und drohende Nachteile dadurch, daß sie wegen der von ihr bestellten und schon weiterverkauften Waren mit Schadensersatzansprüchen rechnen müsse. Sie beantragte daher, dem HZA im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen:

1. die von ihr zur Einfuhr vorgesehenen Sendungen mit der vorgenannten Ware zu beschlagnahmen - hilfsweise bis zum Inkrafttreten der Änderung des Schaumweinsteuergesetzes (SchaumwStG) entsprechend der Bundestagsdrucksache 670/70 -, hilfsweise: diese Einfuhren nicht zu behindern;

2. dem Staatlichen Chemischen Untersuchungsamt bzw. dem zuständigen Weinkontrolleur oder sonstigen anderen Behörden die in § 69 Abs. 5 des Weingesetzes (WG) 1969 aufgezählten Unterlagen zu überlassen und Auskünfte zu erteilen, solange das Untersuchungsamt nicht festgestellt habe, daß die streitigen Waren Wein im Sinne des WG seien.

Das FG verwarf mit dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1971 S. 214 veröffentlichten Beschluß den Antrag zu 1 als unzulässig und wies den Antrag zu 2 als unbegründet ab.

Mit der Beschwerde macht die Antragstellerin zum Antrag 1 geltend, daß der nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) zu verlangende Schutz gegen hoheitliche Maßnahmen dieser Art nicht ausreichend sei, um die Rechtssphäre der Betroffenen ausreichend zu schützen. Das HZA habe wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß es jede von der Antragstellerin eingeführte Warensendung dieser Art beschlagnahmen werde, obwohl es wisse, daß das Amtsgericht im konkreten Falle die Beschlagnahmeverfügung aufheben werde. Dem HZA gehe es also eindeutig darum, durch hoheitliche Maßnahmen der Antragstellerin Nachteile und Unbequemlichkeiten zuzufügen, obwohl es wisse, daß diese Handlungsweise gesetzeswidrig und unzulässig sei. Sie habe dagegen nur die Möglichkeit, dem HZA eine solche Verhaltensweise untersagen zu lassen. Nach dem OWiG könne nur gegen jede einzelne Beschlagnahme vorgegangen werden.

Zum Antrag 2 macht die Antragstellerin geltend, daß die dem Weinkontrolleur gemachten Angaben und zur Verfügung gestellten Unterlagen nicht für die Beurteilung der Ware von Bedeutung seien, sondern ausschließlich dazu dienen sollten, Kenntnis über Lagerung des Zollgutes zu erlangen, um dieses dann beschlagnahmen zu können. Dem Untersuchungsamt komme es nach seinem Ersuchen nur darauf an, die Zeit der Einfuhr und den Ort der Lagerung zu erfahren. Dadurch erlange dieses Amt von allen Warensendungen dieser Art Kenntnis, gleichgültig, ob es sich um Bestellungen der Antragstellerin oder anderer Importeure handle. Nach § 1 des geänderten SchaumwStG solle auch Schaumwein unter 3 atü einer Abgabe unterworfen werden. Damit habe der Gesetzgeber ebenso wie die zur Glaubhaftmachung vorgelegten Beschlüsse des Landgerichts A und des Amtsgerichts B auch solchen Schaumwein als verkehrs- und handelsfähig angesehen. Dann sei es aber unzulässig, daß das HZA dem Chemischen Untersuchungsamt zu seinem gesetzeswidrigen Verhalten noch Hilfe leiste. Um einer solchen unverständlichen Verhaltensweise staatlicher Behörden Einhalt zu gebieten, gebe es nur die Möglichkeit der beantragten einstweiligen Anordnung, um die Antragstellerin vor weiteren Schäden zu bewahren.

Die Beschwerde ist nicht begründet.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

I.

Den Antrag zu 1 hat das FG zutreffend als unzulässig verworfen, weil der Finanzrechtsweg in der Hauptsache nicht gegeben ist. Dies ist aber eine Prozeßvoraussetzung auch für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO (§§ 34 Abs. 1 Satz 1, 35 FGO). Im übrigen ist das Gericht der Hauptsache, und zwar das Gericht des ersten Rechtszuges, für den Erlaß der einstweiligen Anordnung nach § 114 Abs. 2 Sätze 1, 2 FGO zuständig. Dieses Gericht kann wiederum nur dann das FG sein, wenn der Finanzrechtsweg gegeben ist. Denn andernfalls könnte, auch wenn die Hauptsache noch nicht anhängig ist, das FG nicht gemäß § 114 Abs. 3 FGO in Verbindung mit § 926 ZPO auf Antrag anordnen, daß die Antragstellerin binnen einer zu bestimmenden Frist Klage zu erheben habe. Auch eine solche Anordnung würde nämlich voraussetzen, daß das FG über die Klage entscheiden kann. Dies muß auch dann gelten, wenn der Rechtsschutz in einem anderen Verfahren, für das ein anderer Rechtsweg gegeben ist, nicht ausreichend gewährleistet sein sollte, wie hier nach Ansicht der Antragstellerin durch das OWiG. Denn eine Generalklausel des Inhalts, daß der Finanzrechtsweg bei Lücken des Rechtsschutzes gegenüber Verwaltungsakten der Finanzbehörden, für deren gerichtliche Nachprüfung der Finanzrechtsweg nicht gegeben ist, zu beschreiten sei, läßt sich aus § 33 FGO nicht entnehmen (vgl. v. Wallis-List in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 33 FGO Anm. 6; Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, 2. Auflage, § 33 Anm. 6 und 41).

Im Streitfall begehrt die Antragstellerin die Untersagung künftiger Beschlagnahmen ihrer Schaumweineinfuhren. Die bisherigen Beschlagnahmen durch die Zolldienststellen waren auf § 2 Abs. 2 des Beitrittsgesetzes zum Madrider Abkommen betreffend die Unterdrückung falscher Herkunftsangaben auf Waren vom 21. März 1925 (RGBl II, 115) in der Fassung des Art. 6 des Gesetzes zur Änderung des Patentgesetzes, des Warenzeichengesetzes und weiterer Gesetze vom 4. September 1967 (BGBl I, 953, 960) gestützt. Danach können die Beschlagnahme und die Einbeziehung nur mit den Rechtsmitteln angefochten werden, die im Bußgeldverfahren nach dem OWiG gegen die Beschlagnahme und Einziehung zulässig sind. Entsprechend den Rechtsbehelfsbelehrungen in den Beschlagnahmeverfügungen bzw. Einziehungsmitteilungen des ZA war als Rechtsbehelf nur der Antrag auf gerichtliche Entscheidung beim zuständigen Amtsgericht gemäß § 62 Abs. 1 OWiG zulässig. Da somit ausdrücklich ein anderer Rechtsweg vorgeschrieben ist, scheidet der Finanzrechtsweg gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 2 FGO aus. Wie die Antragstellerin selbst vorträgt, hat sie auch den vorgeschriebenen Weg erfolgreich beschritten. Ob die Untersagung künftiger Beschlagnahmen nach dem OWiG nicht möglich und infolgedessen kein ausreichender Rechtsschutz gegeben ist, wie die Antragstellerin vorträgt, kann im Streitfall dahinstehen, da, wie oben ausgeführt, in einem solchen Falle der Finanzrechtsweg nicht zur Lückenausfüllung beschritten werden kann.

II.

Den Antrag zu 2 hat das FG zu Recht als nicht begründet angesehen. Nach § 69 Abs. 5 WG vom 16. Juli 1969 (BGBl I, 781) bzw. nach dem gleichlautenden am 17. Juli 1971 in Kraft getretenen § 58 Abs. 5 WG vom 14. Juli 1971 (BGBl I, 893) sind die Zollstellen befugt, den Überwachungsorganen auf deren Verlangen Unterlagen, soweit sie für die Beurteilung der Ware von Bedeutung sein können, zur Einsichtnahme zu überlassen und Auskünfte aus ihnen zu erteilen. Das FG hat in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, daß die von der Antragstellerin bekämpften Auskünfte auf Grund eines Amtshilfeersuchens des Weinkontrolleurs vom 9. November 1970 gegeben wurden. Dieses Ersuchen ist hinsichtlich der zu beurteilenden Ware hinreichend bestimmt und dient offensichtlich der Überwachung und Verhinderung der Einfuhr der nach Auffassung des Weinkontrolleurs wein- und lebensmittelrechtlich nicht verkehrs- und einfuhrfähigen Schaumweine mit einem Kohlensäuredruck von weniger als 3 atü bei 20ø C. Hierbei unterliegt es nicht der sachlichen Prüfung der Zolldienststelle, ob die Auffassung des Weinkontrolleurs zutreffend ist und ob es sich im Einzelfall um Schaumwein handelt. Ob das Vorbringen der Antragstellerin, daß Schaumweine unter 3 atü verkehrs- und einfuhrfähig seien, richtig ist, kann daher auch nicht im Rahmen eines eine einstweilige Anordnung betreffenden Verfahrens geprüft werden, zumal auch für diese Frage der Finanzrechtsweg nicht gegeben ist. Da die Zolldienststellen im Rahmen des § 69 Abs. 5 WG 1969 bzw. § 58 Abs. 5 WG 1971 zur Auskunftserteilung an die im WG vorgesehenen Überwachungsorgane verpflichtet sind, können ihnen diese Auskünfte somit nicht im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt werden. Die Beschwerde war daher als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BStBl II 1971, 813

BFHE 1972, 47

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