Leitsatz (amtlich)

Der Streitwert bei Anfechtung eines zum 1. Januar 1974 oder zu einem späteren Feststellungszeitpunkt festgestellten Einheitswerts für ein Grundstück beträgt im Regelfall 60 v. T. des streitigen Wertunterschieds. Diese Streitwertpauschale ermäßigt sich entsprechend der tatsächlichen Wirkungsdauer des Einheitswerts, wenn feststeht, daß dieser für weniger als drei Jahre Besteuerungsgrundlage ist.

 

Normenkette

FGO § 140 Abs. 3

 

Tatbestand

Der Beklagte und Beschwerdegegner (FA) stellte für die im Jahr 1965 bezugsfertig gewordene Eigentumswohnung der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) durch Nachfeststellung zum 1. Januar 1974 nach Wertverhältnissen vom 1. Januar 1964 einen Einheitswert von 40 700 DM fest.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unbegründet.

1. Die Beschwerde ist zulässig, denn der Wert des Streitgegenstandes übersteigt 1 000 DM nicht (vgl. § 115 Abs. 1 und 3 FGO) und es liegt auch kein Fall einer zulassungsfreien Revision vor.

a) Nach dem im Streitfall noch anzuwendenden § 140 Abs. 3 FGO ist der Streitwert nach dem Ermessen des Gerichts zu bestimmen; dabei ist die Bedeutung des Rechtsstreits zu berücksichtigen, die sich für den Kläger nach seinem Antrag ergibt. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats wird die finanzielle Bedeutung eines Rechtsstreits über einen Einheitswertbescheid, ungeachtet der steuerlichen Auswirkungen im Einzelfall, pauschal bemessen. Die Gründe, die es rechtfertigen und gebieten, den Streitwert zu pauschalieren, hat der Senat in seinen Entscheidungen vom 19. November 1971 III B 29/71 (BFHE 103, 316, BStBl II 1972, 85) und vom 13. August 1976 III B 33/75 (BFHE 120, 17, BStBl II 1976, 774) im einzelnen dargelegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf diese Entscheidungen insoweit verwiesen.

b) Bei der Pauschalierung der Auswirkungen, die der streitige Wertunterschied auf die von dem Einheitswert abhängigen Steuern hat, kann nur die regelmäßige steuerliche Belastung berücksichtigt werden. Dabei ist zu beachten, daß der Hauptfeststellungszeitraum der Einheitswerte des Grundbesitzes und damit die Wirkungsdauer eines Einheitswerts nach der gesetzlichen Regel sechs Jahre beträgt (§ 21 Abs. 1 BewG) und daß diese Einheitswerte an laufenden Steuern die Besteuerungsgrundlage für die Grundsteuer und für die Vermögensteuer bilden. Am 1. Januar 1974 dauerte der Hauptfeststellungszeitraum 1964 schon 10 Jahre, ohne daß bis dahin die steuerlichen Folgen aus der Hauptfeststellung gezogen worden sind. Die Wirkungsdauer der nach Wertverhältnissen 1964 festgestellten Einheitswerte ab 1. Januar 1974 ist daher kaum vorherzusehen (vgl. Beschluß des BFH III B 33/75). Der Senat hat für die Bemessung der Streitwertpauschale weiter zu berücksichtigen, daß viele Grundstückseigentümer, vor allem solche von Neubauten, tatsächlich keine Vermögensteuer entrichten und daß bei der Grundsteuer Vergünstigungen bestehen, die eine volle Belastung mit Grundsteuer hinausschieben. Unter Beachtung all dieser Umstände ist der Senat der Auffassung, daß für die pauschale Bemessung des Streitwerts eine Wirkungsdauer der Einheitswerte von drei Jahren anzunehmen ist.

aa) Bei der Pauschalierung der Grundsteuerbelastung eines Grundstücks ist davon auszugehen, daß die Steuermeßzahl für Grundstücke nach der gesetzlichen Regel 3,5 v. T. des Einheitswerts beträgt (§§ 13, 15 Abs. 1 GrStG). Die Ausnahmen des § 15 Abs. 2 GrStG für Einfamilienhäuser und Zweifamilienhäuser läßt der Senat im Interesse der Vereinfachung der Streitwertbemessung außer Betracht. Der durchschnittliche Hebesatz der Grundsteuern für Grundstücke (vgl. § 25 Abs. 4 Nr. 2 GrStG) betrug im Kalenderjahr 1974 nach Erhebungen des Statistischen Bundesamts im gewogenen Mittel 263 v. H. des Steuermeßbetrags (vgl. Ostendorf, Grundsteuer, 2. Aufl., 1976 S. 2). Aufgrund dieser Daten ergibt sich für je 1 000 DM eine pauschalierte Belastung an Grundsteuer von 3,5 x 2,63 = rd. 10 DM oder 10 v. T. Bei einer angenommenen Wirkungsdauer des Feststellungsbescheids von drei Jahren beträgt das pauschalierte grundsteuerliche Interesse an einem Rechtsstreit über den Einheitswert für ein Grundstück 30 v. T. des streitigen Wertunterschieds.

bb) Das steuerpflichtige Vermögen natürlicher Personen wird ab dem 1. Januar 1974 mit 0,7 v. H. Vermögensteuer belastet (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 VStG i. d. F. des Vermögensteuerreformgesetzes vom 17. April 1974 - VStRG -, BGBl I 1974, 949, BStBl I 1974, 233). Nach § 121 a BewG i. d. F. des VStRG werden die nach Wertverhältnissen vom 1. Januar 1964 festgestellten Einheitswerte des Grundvermögens bei der Vermögensteuerveranlagung mit 140 v. H. des festgestellten Werts angesetzt. Das bedeutet, daß sich die effektive Vermögensteuerbelastung von Grundstücken gegenüber dem Vermögensteuertarif um rd. 40 v. H. erhöht und mithin rd. 10 v. T. des festgestellten Einheitswerts beträgt. Bei Annahme einer dreijährigen Wirkungsdauer der Einheitswertfeststellungen für die Besteuerung ergibt sich somit ein pauschaliertes vermögensteuerliches Interesse an der Anfechtung eines Einheitswerts in Höhe von 30 v. T. des streitigen Wertunterschieds. Der Senat hat in seiner Entscheidung III B 33/75 den Streitwert bei Anfechtung des Einheitswerts eines Betriebsgrundstücks mit 21 v. T. bemessen. Dieser Streitwertpauschale lag bereits der um 40 v. H. erhöhte Einheitswert zugrunde. Wird die Streitwertpauschale auf die im Feststellungsbescheid über den Einheitswert ausgewiesene Werthöhe angewendet, so beträgt sie 30 v. T.

cc) Berücksichtigt man die regelmäßige Belastung eines Grundstücks mit Grundsteuer und Vermögensteuer und die angenommene Wirkungsdauer des Einheitswerts eines Grundstücks, so ergibt sich ab 1. Januar 1974 ein pauschalierter Streitwert von 60 v. T. des streitigen Wertunterschieds. Diese Streitwertpauschale ist dann entsprechend der tatsächlichen Wirkungsdauer des angefochtenen Einheitswerts zu ermäßigen, wenn feststeht, daß dieser für weniger als drei Jahre Besteuerungsgrundlage ist.

c) Aufgrund der Jahresrohmiete, die nach dem Vortrag der Klägerin für ihre Eigentumswohnung in Betracht kommt und dem von ihr anerkannten Bodenpreis für die Berechnung der Erhöhung des Vielfachen der Jahresrohmiete wegen einer übergroßen Grundstücksfläche sowie unter Berücksichtigung einer Ermäßigung wegen Lärmbelästigung ergäbe sich ein Einheitswert von 31 100 DM. Der Streitwert des Revisionsverfahrens beträgt somit 60 v. T. aus (40 700 DM ./. 31 100 DM =) 9 600 DM = 576 DM. Damit wird die Streitwertgrenze des § 115 Abs. 1 FGO für eine zulassungsfreie Revision nicht überschritten.

2. Die Beschwerde der Klägerin ist jedoch unbegründet.

a) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, das angefochtene Urteil von einer Entscheidung des BFH abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder auf einem Verfahrensmangel beruht (§ 115 Abs. 2 FGO). Die Zulassungsgründe müssen in der Beschwerdeschrift dargelegt werden, damit über die Beschwerde sachlich entschieden werden kann (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Die Beschwerde der Klägerin entspricht diesen Voraussetzungen nur insoweit, als sie Abweichung der Vorentscheidung von dem BFH-Urteil vom 23. Juli 1971 III R 86/69 (BFHE 103, 213, BStBl II 1971, 797) rügt.

b) Der Senat kann nicht ersehen, inwiefern die Vorentscheidung von dem BFH-Urteil III R 86/69 abweichen soll. In dieser Entscheidung hat der Senat ausgeführt, die übliche Miete müsse nicht unbedingt aus einer größeren Zahl von vermieteten Vergleichsobjekten abgeleitet werden; die Zahl der vergleichbaren vermieteten Grundstücke müsse jedoch so groß sein, daß die daraus abgeleitete Miete als übliche Miete gesichert erscheine. Das FG hat die für die Bewertung der Eigentumswohnung der Klägerin maßgebende Miete aus einem Mietspiegel gewonnen, dem die Mieten 20 freifinanzierter steuerbegünstigter Eigentumswohnungen der Baujahre 1956 bis 1963 und 43 freifinanzierter steuerbegünstigter Mietwohnungen der Baujahre 1959 bis 1963 zugrunde liegen. Dafür, daß vermietete Wohnungen eines Mietwohngrundstücks mit vermieteten Eigentumswohnungen nicht vergleichbar seien, ergeben sich keine Anhaltspunkte. Damit liegt eine hinreichende Zahl von Vergleichsobjekten vor, die die angesetzte Miete als übliche ausweist.

 

Fundstellen

BStBl II 1977, 352

NJW 1977, 920

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