Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Anordnungsanspruch wegen Billigkeitsbegehrens ohne hinreichende Erfolgsaussicht

 

Leitsatz (NV)

Läßt die Ablehnung des Billigkeitserlasses sich auf beachtliche Gründe stützen, so ergibt sich aus dem auf Erlaß der der Vollstreckung zugrundeliegenden Steuerforderung gerichteten Begehren kein Anspruch auf einstweilige Anordnung zur Einstellung der Vollstreckung.

 

Normenkette

FGO § 114 Abs. 1, § 102; ZPO § 920 Abs. 1-2; AO 1977 §§ 258, 227

 

Tatbestand

Der Antragsteller ist mit Lohnsteuer, Umsatzsteuer und Säumniszuschlägen im Rückstand. Vollstreckungsversuche blieben erfolglos. Den Antrag auf Erlaß der . . . DM übersteigenden Steuerrückstände und der dazu verwirkten Säumniszuschläge und Stundung des verbleibenden Betrages mit Nachlaß von Ratenzahlungen in Höhe von monatlich . . . DM lehnte das Finanzamt (FA) ab. Die Beschwerde des Antragstellers wurde zurückgewiesen. Hiergegen hat der Antragsteller unter Berufung auf persönliche Billigkeitsgründe Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist, und ferner beantragt, ihm für die Dauer des Klageverfahrens Vollstreckungsschutz im Wege der einstweiligen Anordnung zu gewähren.

Diesen Antrag wies das Finanzgericht - FG - zurück, weil kein Anordnungsanspruch bestehe. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, daß die Vollstreckung unbillig sei (§ 258 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Bei summarischer Prüfung sei nicht wahrscheinlich, daß der Antragsteller mit seinem Erlaßbegehren durchdringen werde. Sein Vorbringen im Klageverfahren gebe keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Verwaltungsentscheidung über den Erlaßantrag ermessensfehlerhaft sei. Der Antragsteller habe weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, daß nur die Gewährung des beantragten Erlasses als rechtmäßig angesehen werden könne.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde, zu deren Begründung der Antragsteller ausführt, er habe vorgetragen und glaubhaft gemacht, daß ein Teilverzicht seitens ,,etlicher Gläubiger" vorliege. Die gesamten Verbindlichkeiten seien durch die in Verhandlungen erzielten Quoten weitgehend vermindert worden. Es sei somit weitgehend mißverständlich, wenn in der Beschwerdeentscheidung ausgeführt werde, daß die Vollstreckung wegen der Steuerrückstände angesichts der Gesamtschuld keine existenzgefährdende Wirkung haben könne. Zudem müsse berücksichtigt werden, daß ca. . . . DM Umsatzsteuer für einen Unternehmensverkauf ausgewiesen worden seien, obwohl es sich dabei in Wirklichkeit nur um eine teilweise Schuldbefreiung gehandelt habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Das FG hat den Erlaß der beantragten einstweiligen Anordnung mit Recht abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch (§ 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -, § 920 Abs. 1 und 2 der Zivilprozeßordnung) ist im Streitfalle nicht hinreichend dargelegt worden. Dafür als Rechtsgrundlage in Betracht kommt nur § 258 AO 1977, der die einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung gestattet, soweit diese im Einzelfall unbillig ist.

Die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme (§ 227 AO 1977), wie sie der Antragsteller im Hauptverfahren erstrebt, liegt im Ermessen der Finanzbehörde. Die Maßnahme selbst (die Ablehnung eines Billigkeitserlasses) ist - anders als möglicherweise die Ablehnung einer einstweiligen Vollstreckungseinstellung (zur Problematik insoweit Senat, Beschluß vom 4. November 1986 VII B 108 /86, BFH / NV 1987, 555 f.) - lediglich auf Ermessensfehler gerichtlich überprüfbar (§ 102 FGO). Nur wenn glaubhaft gemacht wird, daß das im Klageverfahren weiterverfolgte Begehren auf Erlaß aus (persönlichen) Billigkeitsgründen Erfolg haben wird, weil die Ablehnung des Erlasses ermessensfehlerhaft, ermessensgerecht dagegen allein seine Gewährung ist, kann ein Anspruch auf eine einstweilige Anordnung zur einstweiligen Einstellung der Vollstreckung bejaht werden. Dazu aber muß eine gewisse, wenn nicht überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg im Hauptverfahren sprechen (Senat, a.a.O.; vgl. auch Beschlüsse vom 4. Juli 1986 VII B 56/86, BFH / NV 1987, 20, 22, und vom 11. April 1989 VII B 202/88, BFH /NV 1989, 766). Sie liegt hier nicht vor.

Die im Klageverfahren angegriffene Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion - OFD - beruht auch auf der Erwägung, daß eine Gefährdung der Existenz des Antragstellers nicht durch die Steuererhebung, sondern bereits aufgrund der übrigen wirtschaftlichen Verhältnisse gegeben sei (Gesamtverbindlichkeiten von . . . DM). In einem solchen Falle ist die Ablehnung eines Erlasses aus persönlichen Billigkeitsgründen nach der Rechtsprechung des Senats nicht zu beanstanden. Wie der Senat zu § 131 der Reichsabgabenordnung entschieden hat, kann eine wirtschaftliche Notlage einen Billigkeitserweis regelmäßig nur dann rechtfertigen, wenn sie durch die Steuerfestsetzung selbst verursacht worden ist (Urteil vom 22. April 1975 VII R 54/72, BFHE 116, 87, 89, BStBl II 1975, 727; vgl. auch Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 10. Mai 1972 II 57/64, BFHE 105, 458, 460, BStBl II 1972, 649; siehe zu § 227 AO 1977 BFH, Urteil vom 26. Februar 1987 IV R 298/84, BFHE 149, 126, 130, BStBl II 1987, 612; Koch, Abgabenordnung, 3. Aufl. 1986, § 227 Rdnr. 12). Im Schrifttum wird freilich auch die Auffassung vertreten, daß ein Billigkeitserweis selbst dann in Betracht kommen könne, wenn es an einer Kausalität zwischen Steuererhebung und wirtschaftlicher Notlage fehlt (Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtordnung, 13. Aufl., § 227 AO 1977 Tz. 43). Einer abschließenden Beurteilung dieser im Hauptverfahren ggf. zu entscheidenden Frage bedarf es indessen nicht. Hier genügt die summarische Abschätzung der in jenem Verfahren bestehenden Erfolgsaussichten (Senat in BFH / NV 1987, 555, 557). Sie ergibt, daß die erforderliche Wahrscheinlichkeit eines Erfolges im Hauptverfahren nicht vorliegt, weil sich die Ablehnung des Billigkeitserlasses auf eine nicht nur vereinzelt vertretene Rechtsauffassung stützt, für die sich beachtliche Gründe anführen lassen (zu diesen näher Klein / Orlopp, Abgabenordnung, 4. Aufl. 1989, § 227 Anm. 11 a Abs. 3).

Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung. Auch wenn ein Teilverzicht anderer Gläubiger glaubhaft gemacht worden sein sollte, würde sich daraus noch nicht ergeben, daß gerade die Steuererhebung ursächlich ist für eine wirtschaftliche Notlage des Antragstellers. Dafür wäre eine Glaubhaftmachung erforderlich, daß dem Antragsteller seine anderen Schulden insgesamt oder zumindest in weitaus größtem Umfang erlassen worden sind. Hiervon kann aber auch nach der Beschwerdebegründung nicht ausgegangen werden. Inwieweit die Gründe, die zur Entstehung eines Teils der rückständigen Umsatzsteuer geführt haben sollen, bei der Entscheidung über (persönliche) Billigkeitsgründe maßgebend sein könnten, ist nicht ersichtlich. Im übrigen ist der Antragsteller den weiteren Gründen, die die OFD für ihre Ermessensentscheidung angeführt hat, nicht entgegengetreten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416623

BFH/NV 1990, 281

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge