Entscheidungsstichwort (Thema)

Eigentumswohnung als einheitlicher Vertragsgegenstand

 

Leitsatz (NV)

1. Ist nach dem - unter Zugrundelegung zivilrechtlicher Grundsätze ermittelten - Willen der Vertragsparteien einheitlicher Gegenstand mehrerer Verträge eine Eigentumswohnung, so ist dies auch grunderwerbsteuerrechtlich maßgebend.

2. Die von der BFH-Rechtsprechung (z.B. Urteil vom 24. Januar 1990 II R 94/87, BFHE 160, 284, BStBl II 1990, 590) angewandte objektive Betrachtungsweise schließt die Vertragsauslegung nach Zivilrecht unter Berücksichtigung subjektiver Gesichtspunkte nicht aus, sie ergänzt sie vielmehr in dem Sinne, daß die objektiven Umstände (sachlicher Zusammenhang) den Vorrang vor der Vertragsauslegung nur haben, wenn der Wille der Vertragsbeteiligten der objektiven Sachlage entgegensteht.

3. Zu den Darlegungserfordernissen bei einer auf Divergenz gestützten Nichtzulassungsbeschwerde.

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 115 Abs. 3 S. 3

 

Tatbestand

Der Kläger beteiligte sich auf der Grundlage eines vorbereiteten Bau- und Vertragskonzepts an einem sog. Bauherrenmodell mit dem erklärten Ziel, ,,im Rahmen einer Bauherrengemeinschaft" eine bestimmte Eigentumswohnung zu einem feststehenden Gesamtaufwand ,,zu errichten". Hierzu erteilte er einer Treuhänderin u.a. Auftrag und Vollmacht, in seinem Namen und auf seine Rechnung einen Kaufvertrag über den Erwerb von Miteigentumsanteilen an dem Grundstück, Verträge über die Einräumung von Sondereigentum mit Gemeinschaftsordnung und Verwaltervertrag, Darlehensverträge sowie alle zur Errichtung und Durchführung des Projektes nach pflichtgemäßem Ermessen der Treuhänderin erforderlichen Verträge abzuschließen. Die Treuhänderin wurde entsprechend tätig.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) würdigte den Vorgang grunderwerbsteuerrechtlich als Erwerb eines Miteigentumsanteils am Grund und Boden einschließlich einer bezugsfertigen Eigentumswohnung und setzte auf der Grundlage des vereinbarten Gesamtaufwandes Grunderwerbsteuer gegen den Kläger fest.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte in seinem Urteil aus, die Kriterien, die nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) die Annahme eines sachlichen Zusammenhangs zwischen den abgeschlossenen Verträgen und damit eines einheitlichen Leistungsgegenstandes begründeten, seien auch im Streitfall gegeben. Letztlich könne aber offenbleiben, ob ein objektiver Zusammhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und den übrigen Verträgen bestehe. Es sei nämlich bereits aufgrund der Auslegung der Verträge festzustellen, daß nach dem Willen der Vertragsbeteiligten einheitlicher Gegenstand des Erwerbsvorganges eine bezugsfertige Eigentumswohnung sei.

Mit der vorliegenden Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des FG macht der Kläger Divergenz und grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.

1. Ob eine Divergenz ordnungsgemäß bezeichnet worden ist (§ 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), kann dahingestellt bleiben. Sie liegt jedenfalls nicht vor.

Divergenz liegt nur dann vor, wenn die Vorinstanz in ein und derselben Rechtsfrage seiner Entscheidung eine andere Ansicht zugrunde gelegt hat als das Revisionsgericht in der Entscheidung, zu der die Divergenz gegeben sein soll. Voraussetzung ist ferner, daß die Abweichung erheblich ist, d.h. daß die Entscheidung des FG auf der Abweichung beruht. Das ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn das FG seine Entscheidung auf zwei Begründungen gestützt hat, von denen jede für sich tragfähig ist, und wenn die Abweichung nur bezüglich einer der beiden Begründungen gegeben ist. Denn in diesem Fall wäre das Urteil des FG auch ohne die Abweichung nicht anders ausgefallen (vgl. hierzu: Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 115 FGO Tz.61, m.w.N.).

Im Streitfall kann zum einen nicht erkannt werden, daß das FG, soweit es nach (zivilrechtlicher) Auslegung der Verträge - vor allem unter Berücksichtigung des Willens und der Interessenlage der verschiedenen Vertragsbeteiligten, insbesondere der Initiatoren - zu dem Ergebnis kommt, einheitlicher Gegenstand des Grundstückskaufvertrages und der anderen Verträge sei eine bezugsfertige Eigentumswohnung gewesen, von der Entscheidung des BFH vom 24. Januar 1990 II R 94/87 (BFHE 160, 284, BStBl II 1990, 590) abweicht, wie dies der Kläger mit seiner Beschwerde geltend macht. Dieser Entscheidung kann nämlich - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht der Rechtssatz entnommen werden, die zivilrechtlichen Grundsätze der Vertragsauslegung, insbesondere der Wille der Vertragsbeteiligten sei für die grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung derartiger Verträge ohne Bedeutung und deswegen in keinem Fall maßgebend. Vielmehr ist in der genannten BFH-Entscheidung unter Hinweis auf frühere Entscheidungen ausdrücklich klargestellt, daß ein rechtlicher Zusammenhang zwischen den Verträgen (eines Vertragsbündels), und damit ein einheitlicher Vertragsgegenstand auch dann bestehe, wenn die Vereinbarungen - ohne eine ausdrückliche Bestandsverknüpfung - nach dem Willen der Parteien voneinander abhängig sind. Wollen demnach die Vertragsbeteiligten den einheitlichen Vertragsgegenstand, so ist dies auch grunderwerbsteuerrechtlich maßgebend. Kann hingegen eine rechtliche Verknüpfung der Verträge nach dem Willen der Vertragsbeteiligten nicht festgestellt werden bzw. haben diese die rechtliche Selbständigkeit der Verträge ausdrücklich vereinbart, kann gleichwohl ,,schließlich auch" dann nach der o.g. BFH-Entscheidung ein einheitlicher Leistungsgegenstand vorliegen, wenn zwischen den Verträgen ein so enger sachlicher Zusammenhang besteht, daß der Erwerber bei objektiver Betrachtungsweise als einheitlichen Leistungsgegenstand das bebaute Grundstück erhält. Die objektive Betrachtungsweise schließt die Vertragsauslegung nach Zivilrecht unter Berücksichtigung subjektiver Gesichtspunkte nicht aus, sie ergänzt sie vielmehr in dem Sinne, daß die objektiven Umstände (sachlicher Zusammenhang) den Vorrang vor der Vertragsauslegung nur haben, wenn der Wille der Vertragsbeteiligten der objektiven Sachlage entgegensteht.

Soweit das FG ,,bereits" aufgrund der Vertragsauslegung zu dem Ergebnis kommt, einheitlicher Leistungsgegenstand sei die Eigentumswohnung, widerspricht dies nicht der Rechtsprechung des BFH, sondern stellt nur eine konsequente Anwendung derselben dar.

Zum anderen wäre eine Divergenz, wie sie von dem Kläger behauptet wird, auch nicht erheblich, weil das FG zusätzlich seine Entscheidung darauf gestützt hat, daß die Kriterien, die nach Auffassung des BFH die Annahme eines sachlichen Zusammenhangs zwischen den abgeschlossenen Verträgen und damit eines einheitlichen Leistungsgegenstandes begründeten, auch im Streitfall gegeben sind. Die Frage, ob der Begründung des FG im Einzelfall gefolgt werden könnte, was der Kläger mit seiner Beschwerde bezweifelt, ist für die Entscheidung einer Nichtzulassungsbeschwerde unerheblich und könnte nur im Revisionsverfahren überprüft werden.

2. Soweit der Kläger seine Beschwerde auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache stützt, genügt die Begründung der Beschwerde nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO. Danach muß in der Beschwerdeschrift die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden. Hierzu bedarf es der Bezeichnung einer bestimmten Rechtsfrage, der Darlegung, inwiefern diese für den Rechtsstreit erheblich, d.h. voraussichtlich wird im Revisionsverfahren geklärt werden können, und Ausführungen dazu, daß die Entscheidung der zuvor formulierten Rechtsfrage durch den BFH aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/ oder der Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse liegt.

Diesen Anforderungen entspricht im Streitfall die Beschwerdebegründung des Klägers nicht. Es fehlt bereits an der Herausarbeitung einer konkreten Rechtsfrage, die der revisionsrechtlichen Prüfung zugeführt werden soll. Mit dem Hinweis auf die Bedeutung der ,,Eigeninitiative der Bauherren" wird im Grunde keine Rechtsfrage zur Entscheidung gestellt, sondern eine nochmalige Überprüfung des konkreten Falles begehrt. Hierauf zielt auch der Hinweis, der im Streitfall zu beurteilende Sachverhalt weiche in einer ganzen Anzahl von Punkten von den bisher entschiedenen Sachverhalten ab. Nicht ausreichend ist auch der - viel zu allgemeine - Hinweis, die Besteuerung sog. Bauherrenfälle sei sehr umstritten.

 

Fundstellen

BFH/NV 1993, 495

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