Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozeßkostenhilfe für eine Beschwerde

 

Leitsatz (NV)

Für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für eine Beschwerde ist Voraussetzung, daß überhaupt noch wirksam Beschwerde eingelegt werden kann.

 

Normenkette

FGO § 142 Abs. 1; ZPO § 114 S. 1

 

Tatbestand

Der Antragsteller beantragt mit Schreiben vom 21. April 1987 an das Finanzgericht (FG), ihm Prozeßkostenhilfe zu bewilligen für die beabsichtigten Beschwerden

a) gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 30. März 1987 V 108/87 (betreffend Erbschaftsteuer) wegen Nichtzulassung der Revision,

b) gegen den Beschluß des Schleswig-Holsteinischen FG vom 30. März 1987 V 108/87 (betreffend Erbschaftsteuer) wegen Nichtbewilligung von Prozeßkostenhilfe für die Klage,

c) gegen den Beschluß des Schleswig-Holsteinischen FG vom 6. April 1987 V 109/87 (betreffend einstweilige Anordnung in einer Erbschaftsteuersache) wegen Nichtzulassung der Beschwerde,

und ihm zu seiner Vertretung einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer beizuordnen. Eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat er seinem Antrag nicht beigefügt.

Das Streitverhältnis ist folgendes:

Der Antragsteller hatte die ihm nach dem Tode seines Vaters am 24. Januar 1980 angefallene Erbschaft ausgeschlagen und den Pflichtteil verlangt. In Erfüllung dieses Anspruchs hatte die Testamentsvollstreckerin in den Jahren 1980 und 1982 insgesamt (750 000 DM + 183 544 DM =) 933 544 DM an ihn gezahlt. Das Finanzamt (FA) hatte durch den unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Änderungsbescheid vom 2. Februar 1983 die Erbschaftsteuer auf 80 132 DM festgesetzt. Der Antragsteller hatte die Erbschaftsteuer entrichtet.

Mit Schreiben vom 25. Juli 1984 beantragte er, ihm die Erbschaftsteuer zu erstatten. Er habe die Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt: Die Zahlungen der Testamentsvollstreckerin seien nicht an ihn, sondern in die Gesellschaft geflossen (gemeint ist die A-GmbH & Co. KG; an dieser Gesellschaft war der Antragsteller als Kommanditist beteiligt, außerdem war er Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Über das Vermögen dieser KG war am 1. Februar 1984 das Konkursverfahren eröffnet worden). Der Antragsteller meint, der vom FA unterstellte Vermögensvorteil sei wieder entfallen. Das FA lehnte den Erstattungsantrag ab, den Einspruch wies es zurück. Das FG hat

a) die Klage abgewiesen (FG-Urteil vom 30. März 1987 V 108/87);

b) den Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für diese Klage abgelehnt (FG-Beschluß vom 30. März 1987 V 108/87);

c) den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und die Beschwerde hiergegen nicht zugelassen (FG-Beschluß vom 6. April 1987 V 109/87).

Zu a): Mit seiner beabsichtigten Beschwerde will der Antragsteller die Nichtzulassung der Revision anfechten. Die Rechtssache sei insofern von grundsätzlicher Bedeutung, als ,,jeder normale Steuerzahler . . . mit der Wahrnehmung seiner steuerlichen Rechtsschutzinteressen überfordert" sei. Er beruft sich hierfür auf Ausführungen des Bundespräsidenten von Weizsäcker, des Vorsitzenden der Steuergewerkschaft Hagedorn, des Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg und auf Feststellungen des Bundesrechnungshofs. Dieser habe schon vor Jahren das Finanzministerium aufgefordert, ,,etwas gegen regionale Ungleichbehandlung zu unternehmen". Im übrigen wendet sich der Antragsteller gegen die rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch das FG. Insbesondere macht er geltend, nicht er habe ,,Zahlungen aus dem Pflichtteil erhalten", sondern ,,der vom Erblasser verpachtete Betrieb". Das FG habe auf sein ,,schriftsätzliches Vorbringen . . . überhaupt keinen Bezug genommen".

Zu b): Mit seiner beabsichtigten Beschwerde will sich der Antragsteller wenden gegen den ,,Fehl-Versagungsbeschluß" des FG, insbesondere gegen die ,,Blanko-Übernahme der finanzamtlichen Falsch-Darstellungen durch das Gericht", wonach er ,,den Erhalt der Zahlungen nicht bestreite". Das Gegenteil sei der Fall.

Zu c): Mit seiner beabsichtigten Beschwerde will sich der Antragsteller durch einen ihm beizuordnenden Prozeßbevollmächtigten wenden gegen die ,,Abwimmelung" seines ,,durchaus berechtigten Antrages" auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung, daß ihm die gezahlte Erbschaftsteuer sofort erstattet werde.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag des Antragstellers, ihm Prozeßkostenhilfe zu bewilligen für die beabsichtigten drei erwähnten Beschwerden, ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -, § 114 Satz 1 der Zivilprozeßordnung - ZPO -).

Zu entscheiden hat über diesen Antrag der Bundesfinanzhof (BFH): Er ist Prozeßgericht, denn er hätte über die beabsichtigten Beschwerden des Antragstellers zu entscheiden (§ 132 FGO). Bei ihm, nicht beim FG, hätte deshalb der Antragsteller den Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe stellen müssen. Jedoch ist es unschädlich, daß er den Antrag beim FG gestellt hat, denn das FG hat den Antrag dem BFH vorgelegt und die Beteiligten hiervon in Kenntnis gesetzt. Allerdings ist es hierbei von der irrtümlichen Vorstellung ausgegangen, der Antragsteller habe mit seinem Schriftsatz vom 21. April 1987 - eingegangen beim FG am 22. April 1987 - gegen die drei Entscheidungen des FG Beschwerde eingelegt. Indes zeigt der Wortlaut des Schreibens, daß der Antragsteller erst beabsichtigte, Beschwerde einzulegen: ,,Es soll nach Beiordnung des Bevollmächtigten . . . Beschwerde . . . eingelegt und begründet werden". Die Ankündigung, Beschwerde einzulegen, ist noch nicht selbst Beschwerde. Schon vor Einlegung der Beschwerde einen Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zu stellen, ist zulässig. Das folgt aus § 142 Abs. 1 FGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO.

Für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe ist jedoch Voraussetzung, daß überhaupt noch wirksam Beschwerde eingelegt werden kann. Innerhalb der gesetzlichen Frist für die Einlegung der jeweiligen Beschwerde (§ 115 Abs. 3 Satz 1 FGO, § 129 Abs. 1 FGO), über deren Dauer der Antragsteller durch die Rechtsmittelbelehrungen unterrichtet worden war, hat der Antragsteller - soweit ersichtlich - nicht wirksam Beschwerde eingelegt. Infolgedessen kann die beabsichtigte Rechtsverfolgung nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn damit zu rechnen ist, daß dem Antragsteller wegen unverschuldeter Versäumung der jeweiligen Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Ohne Verschulden verhindert, die gesetzliche Frist zur Einlegung der jeweiligen Beschwerde einzuhalten, war der Antragsteller dann, wenn er

a) mittellos und aus diesem Grunde nicht in der Lage war, die Beschwerde durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer einlegen zu lassen, wie dies durch Art. 1 Nr. 1 Sätze 1 und 2 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) vorgeschrieben ist, und

b) alles ihm Zumutbare getan hatte, um das in seiner Mittellosigkeit bestehende Hindernis zu beseitigen.

Das bedeutet: Der Antragsteller hatte bis zum Ablauf der jeweiligen Beschwerdefrist alle Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zur Einlegung der jeweiligen Beschwerde zu schaffen. Dazu gehörte nicht nur, daß er einen Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe stellte, sondern auch, daß er dem Antrag eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem dafür vorgeschriebenen Formblatt beifügte (§ 142 Abs. 1 FGO i. V. m. § 117 Abs. 2 und 4 ZPO; Beschluß des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 17. April 1984 VI ZB 1/84, Versicherungsrecht - VersR - 1984, 660; BFH-Beschlüsse vom 5. November 1986 IV S 7/86, IV B 49/86, BFHE 148, 13, BStBl II 1987, 62, und vom 3. April 1987 VI B 150/85).

Eine dahingehende Erklärung war nicht etwa deshalb entbehrlich, weil der Antragsteller schon seinem Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für die Klage (FG V 108/87) eine solche Erklärung vom 10. Februar 1987 beigefügt hatte. Denn die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe erfolgt für jeden Rechtszug besonders (§ 142 Abs. 1 FGO i. V. m. § 119 Satz 1 ZPO). Einen neuen Rechtszug in diesem Sinne würde auch die vom Antragsteller beabsichtigte Beschwerde gegen die ablehnende Prozeßkostenhilfeentscheidung des FG bilden. Seinem Antrag auf Prozeßkostenhilfe für diesen Rechtszug hätte der Antragsteller deshalb erneut eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beifügen, zumindest aber unter Bezugnahme auf seine Erklärung vom 10. Februar 1987 versichern müssen, daß sich seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seitdem nicht geändert haben (BFHE 148, 13, 16, BStBl II 1987, 62). Eine solche Erklärung oder Versicherung hat der Antragsteller nicht vorgelegt. Er hat auch keine Tatsachen angeführt, aus denen geschlossen werden könnte, er sei ohne Verschulden verhindert gewesen, die Frist zur Einreichung der Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse oder eine gleichwertige Versicherung der erwähnten Art einzuhalten.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers bietet sonach schon aus den angeführten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Selbst wenn man annähme, der Antragsteller könne noch wirksam jeweils Beschwerde einlegen, böte die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil

zu a) die behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht erkennbar ist;

zu b) die rechtliche Beurteilung des Prozeßkostenhilfeantrags vom 10. Februar 1987 durch das FG auf Grund des bisher erkennbaren Sachverhalts keine Rechtsfehler erkennen läßt;

zu c) der Antrag auf Erlaß der begehrten einstweiligen Anordnung wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig wäre: Der Antragsteller könnte sein Begehren schon durch einen Antrag auf Aufhebung der Vollziehung des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheids verfolgen. Dieses Verfahren ginge dem Anordnungsverfahren vor (§ 114 Abs. 5 FGO). Auf Grund dieser Erwägungen ist das FG in Einklang mit der Rechtsprechung des BFH (z. B. BFH-Beschluß vom 23. November 1978 I R 56/76, BFHE 126, 366, 368, BStBl II 1979, 173, 174) davon ausgegangen, der Antragsteller habe den Antrag stellen wollen, der erkennbar zu dem von ihm erstrebten Erfolg führt, nämlich den Antrag, die Vollziehung des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheids aufzuheben (§ 69 Abs. 3 Satz 4 FGO). Es hat diesen Antrag abgelehnt und die Beschwerde gegen seinen Ablehnungsbeschluß nicht zugelassen, weil es die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht für gegeben hielt.

Bei dieser Sach- und Rechtslage wäre die beabsichtigte Beschwerde des Antragstellers gegen den Ablehnungsbeschluß des FG nicht statthaft (Art. 1 Nr. 3 BFHEntlG); sie wäre als unzulässig zu verwerfen (§ 155 FGO, § 574 ZPO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 415205

BFH/NV 1988, 262

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