Leitsatz

Die betriebliche Einrichtung eines Kunden des Arbeitgebers ist keine regelmäßige Arbeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG a.F. bzw. § 8 Abs. 2 S. 3 EStG. Die Vorschriften kommen demnach auch dann nicht zur Anwendung, wenn ein Arbeitnehmer bei einem Kunden des Arbeitgebers längerfristig eingesetzt ist.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG a.F., § 3 Nr. 16, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5, § 8 Abs. 2 S. 3, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG

 

Sachverhalt

Der Gesellschafter-Geschäftsführer (M) der Klägerin, einer EDV-Systemberatungs- und -entwicklungsgesellschaft, führte Arbeiten u.a. in seinem Büro in S durch. Abnehmer der Software waren die X AG sowie die Firmen T1 und T2 GmbH, die ihre Rechenzentren jeweils in D haben. M wies die Kunden in deren Räumen in die von ihm entwickelten Programme ein. M arbeitete monatlich 160 Stunden im eigenen Büro und 136 Stunden in den Rechenzentren der Kunden.

Der geldwerte Vorteil für die Privatnutzung des ihm zur Verfügung stehenden Dienstwagens wurde nach der 1 %-Regelung berechnet. Einen Zuschlag für die Fahrten zwischen S und D setzte die Klägerin nicht an.

Das FA sah die Fahrten zu den Rechenzentren der Kunden nicht als Dienstreisen, sondern als Fahrten zwischen der Wohnung und mehreren Arbeitsstätten an, auf welche die 0,03 %-Regelung anzuwenden sei. Einspruch und Klage (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.09.2006, 3 K 1343/05, Haufe-Index 1755489) gegen den Haftungsbescheid blieben erfolglos.

 

Entscheidung

Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz handele es sich bei den Fahrten des M zwischen dem Büro in S und den Rechenzentren der Kunden in D nicht um Fahrten zwischen Wohnung und (regelmäßiger) Arbeitsstätte. Die Einrichtungen der Kunden seien keine (weiteren) regelmäßigen Arbeitsstätten des M. Dieser sei auswärts tätig.

Die Sache sei jedoch an das FG zurückzuverweisen, da – was ebenfalls noch streitig sei – Feststellungen dazu fehlten, ob die von der Klägerin erstatteten Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen insgesamt steuerfrei ersetzt werden konnten (§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 EStG). Es sei insbesondere unklar, ob die Dreimonatsfrist (S. 5) berücksichtigt worden sei bzw. wie lange sich M an welcher Tätigkeitsstätte jeweils aufgehalten habe.

 

Hinweis

1. Die unentgeltliche bzw. verbilligte Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung führt zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers und damit zum Lohnzufluss. Hinsichtlich der Bewertung des geldwerten Vorteils gilt grundsätzlich die 1 %-Regelung. Dieser Wert erhöht sich für jeden Kalendermonat um 0,03 % des einschlägigen Kfz-Listenpreises für jeden Entfernungskilometer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Zuschlagsregelung nach § 8 Abs. 2 S. 3 EStG).

2. Wie der BFH jüngst entschieden hat (vgl. Urteile, beide vom 04.04.2008, VI R 68/05, BFH/NV 2008, 1240, BFH-PR 2008, 376; VI R 85/04, BFH/NV 2008, 1237, BFH-PR 2008, 377) ist der Zuschlag nach seinem Normzweck ein Korrekturposten zum pauschalen Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG a.F. Hiermit übereinstimmend geht der BFH auch in der vorliegenden Besprechungsentscheidung davon aus, dass für die Beurteilung, ob eine Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte i.S.d. § 8 Abs. 2 S. 3 EStG vorliegt, die gleichen Grundsätze gelten, die nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG a.F. auf den Werbungskostenabzug für die Fahrten zwischen Wohnung und (regelmäßiger) Arbeitsstätte anzuwenden sind. Kurz gesagt: Der Begriff der "(regelmäßigen) Arbeitsstätte" in den beiden angeführten Vorschriften ist einheitlich auszulegen.

3. Regelmäßige Arbeitsstätte ist jede ortsfeste, dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, das heißt fortdauernd und immer wieder aufsucht; dies ist regelmäßig der Betrieb des Arbeitgebers oder ein Zweigbetrieb. Liegt eine auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegte (regelmäßige) Arbeitsstätte vor, so kann sich der Arbeitnehmer in unterschiedlicher Weise auf die immer gleichen Wege einstellen und so auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken.

4. Keine regelmäßige Arbeitsstätte liegt indessen vor, wenn der Arbeitnehmer bei einem Kunden des Arbeitgebers eingesetzt wird. Auch bei einem längerfristigen auswärtigen Einsatz hat der Arbeitnehmer typischerweise nicht die Möglichkeit, auf diesen Einsatzort in gleicher Weise wie bei einer auf Dauer angelegten Arbeitsstätte zu reagieren.

5. Ausgehend vom objektiven Nettoprinzip ist bei der Frage, ob ein Arbeitnehmer an einem Einsatzort längerfristig tätig ist, eine einschränkende Auslegung nicht gerechtfertigt. Die Auffassung des VI. Senats hierzu erschließt sich auch aus dem Urteil vom 10.04.2008, VI R 66/05, BFH/NV 2008, 1243, BFH-PR 2008, 378. Dort hat er entschieden, dass eine längerfristige (vorübergehende) berufliche Bildungsmaßnahme auch dann noch vorliegt, wenn sich diese (nebenberufliche) Betätigung über...

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