Leitsatz

Nach der Fiktion des Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA Schweiz gilt die Tätigkeit des in Deutschland ansässigen Geschäftsführers einer Schweizer Kapitalgesellschaft als am Sitz der Gesellschaft ausgeführt, soweit sie nicht so abgrenzbar ist, dass sie lediglich Aufgaben außerhalb der Schweiz umfasst. Ist die Tätigkeit nicht in diesem Sinne abgrenzbar, so kommt es auf den tatsächlichen Tätigkeitsort des Geschäftsführers nicht an. Die Einkünfte sind in Deutschland unter Progressionsvorbehalt frei zu stellen, sofern nur der Sitz der Gesellschaft in der Schweiz liegt und die Einkünfte aus der Geschäftsführertätigkeit in der Schweiz nachweislich besteuert werden.

 

Sachverhalt

Streitig war die Besteuerung von Geschäftsführervergütungen, die der Kläger von 1997 bis 2000 als Geschäftsführer dreier Kapitalgesellschaften in der Schweiz bezogen hatte. Arbeitsort war nach dem Arbeitsvertrag an den Sitzen der Konzerngesellschaften, die Arbeitszeit sollte sich nach den Bedürfnissen der Gesellschaften richten. Der Kläger verfügte auch über eine Mietwohnung in der Schweiz, die nur wenige Kilometer vom Sitz der Gesellschaft entfernt lag und in der er an den Tagen, an denen er nicht an seinen Wohnsitz in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehren konnte, übernachtete. Ausweislich einer Bestätigung der betreffenden Gemeinde in der Schweiz war der Kläger seit 1994 mit seinem schweizerischen Einkommen in der Schweiz steuerpflichtig. Daneben bezog der Kläger noch Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer für eine inländische GmbH. Entgegen den Einkommensteuererklärungen für 1997 bis 2000 stellte das Finanzamt die Einkünfte aus der Schweiz nicht steuerfrei, sondern schätzte einen auf Deutschland entfallenden Anteil zu 50% der Einkünfte. Hierzu führte das Finanzamt Folgendes aus:

Da der Kläger keine Nachweise über den Ort der tatsächlichen Tätigkeit erbracht habe, wozu er nach § 90 Abs. 2 AO verpflichtet sei, habe eine sachgerechte Schätzung zu erfolgen. Es könne davon ausgegangen werden, dass die Tätigkeit des Klägers zu 50% außerhalb der Schweiz erfolge. Hiergegen wandten sich die Kläger u.a. mit dem Hinweis auf den Beschluss des BFH vom 15.12.1998, (I B 45/98, BFH/NV 1999 S. 751). Unabhängig vom Tätigkeitsort seien die Einkünfte nur in der Schweiz zu versteuern. Der Kläger sei auch nicht für seinen schweizerischen Arbeitgeber in Deutschland tätig geworden. Für die Tätigkeit als Geschäftsführer für die deutsche Gesellschaft bestünde ein eigenes Beschäftigungsverhältnis mit gesondertem Arbeitsvertrag und getrennter Vergütung. Tatsächliche Anhaltspunkte für eine Tätigkeit des Klägers für seine schweizerischen Arbeitgeber in Deutschland seien nicht ersichtlich.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht gab der Klage im wesentlichen statt. Zwar richte sich in der Regel auch bei leitenden Angestellten die Frage, wo eine unselbständige Tätigkeit ausgeübt werde, nach dem tatsächlichen Tätigkeitsort. Abkommensrechtliche Begriffe sind jedoch eigenständig auszulegen und zu verstehen. Das DBA-Schweiz enthalte in Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d) i.V.m. Art. 15 Abs. 4 Sonderregelungen. Nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d) hat die Bundesrepublik Deutschland bei hier ansässigen Personen, die Gehälter, Löhne u.ä. Vergütungen aus unselbständiger Tätigkeit beziehen, diese von der deutschen Bemessungsgrundlage (unter Progressionsvorbehalt) freizustellen, sofern die Arbeit in der Schweiz ausgeübt wird. Hierzu enthalte nun Art. 15 Abs. 4 eine Sonderregelung. Nach dieser werde kraft Fiktion die Tätigkeit am Ort des Sitzes der Kapitalgesellschaft ausgeübt, sofern die Tätigkeit nicht so abgrenzt ist, dass sie lediglich Aufgaben außerhalb der Schweiz umfasse. Diese Auslegung ergebe sich insbesondere aus der Entstehungsgeschichte des DBA. Schon nach der älteren Rechtsprechung des BFH zum DBA-Schweiz 1931/1959 galt, dass die Tätigkeit eines Geschäftsführers einer GmbH mit Sitz im Inland "stets am Sitz der Gesellschaft ausgeübt" werde, wenn der Geschäftsführer seinen Wohnsitz in der Schweiz hat. Maßgeblich sei, dass die einheitlich zu beurteilende Leitungstätigkeit erst am Ort des Sitzes der Gesellschaft wirksam werde. Diese Rechtsprechung wollte der Gesetzgeber durch Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz im Verhältnis zur Schweiz Geltung verschaffen. Dies ergibt sich daraus, dass der Sitz der Gesellschaft nur im Regelfall für das Besteuerungsrecht entscheidend ist, nicht jedoch, wenn die Tätigkeit lediglich (abgrenzte) Aufgaben außerhalb des Ansässigkeitsstaates der Kapitalgesellschaft umfaßt. Diese Auffassung hatte der BFH auch bereits in einem Beschluß vom 15.12.1998 - wenn auch zunächst vorläufig - vertreten. Nachdem Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 b DBA-Schweiz direkt auf Art. 15 DBA-Schweiz rekurriert, ist dies bei der Auslegung maßgeblich zu berücksichtigen. Gerade bei leitenden Angestellten sei diese Auslegung auch aus Praktikabilitätsgesichtspunkten geboten. Denn bei dieser Personengruppe wäre das Führen eines ansonsten erforderlichen "Tagebuchs" kaum zumutbar. Da die Einkünfte ...

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