Leitsatz

1. Teilt eine US-amerikanische Kapitalgesellschaft inländischen Anteilseignern im Wege eines sog. "Spin-Off" Aktien ihrer US-amerikanischen Tochtergesellschaft zu, kann dies grundsätzlich zu Kapitaleinkünften i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG führen, soweit keine Abspaltung i.S. des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG vorliegt.

2. Die Aktienzuteilung im Rahmen eines US-amerikanischen "Spin‐Off" ist nach § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG steuerneutral, wenn die "wesentlichen Strukturmerkmale" einer Abspaltung i.S. des § 123 Abs. 2 UmwG erfüllt sind. Die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV gebietet eine Erstreckung des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG auch auf ausländische Vorgänge.

3. Der Begriff der "Abspaltung" i.S. des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG ist typusorientiert auszulegen. Danach ist in Drittstaatenfällen ein gesetzlicher Vermögensübergang durch partielle Gesamtrechtsnachfolge nicht erforderlich (entgegen BMF-Schreiben vom 18.01.2016, BStBl I 2016, 85, Rz 115 i.V.m. BMF-Schreiben vom 11.11.2011, BStBl I 2011, 1314, Rz 01.36). Entscheidend bei einer "Abspaltung" i.S. des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG ist, dass die Übertragung der Vermögenswerte in einem einheitlichen "zeitlichen und sachlichen Zusammenhang" mit der und gegen die Übertragung von Anteilen an der übernehmenden Gesellschaft erfolgt.

 

Normenkette

§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, Abs. 4a Satz 7 EStG, § 123 Abs. 2 UmwG, Art. 63 AEUV

 

Sachverhalt

Der Kläger hielt über seine Depotbank Aktien der eBay Inc. (eBay), einer Kapitalgesellschaft nach dem Recht des US-Bundesstaats Delaware. Im Streitjahr 2015 übertrug die eBay Vermögen auf die PayPal Holdings Inc. (PayPal). Diese war ihre Tochtergesellschaft und ebenfalls eine Kapitalgesellschaft nach dem Recht des US-Bundesstaats Delaware. Sodann teilte die eBay ihre bereits gehaltenen Anteile an der PayPal ihren Aktionären zu, sodass diese fortan im selben Verhältnis an den beiden Gesellschaften – eBay und PayPal – beteiligt waren. Die Depotbank des Klägers behielt bei der Einbuchung der neu zugeteilten PayPal-Aktien – ausgehend von einem Börsenkurs i.H.v. 36 EUR je PayPal-Aktie – KapESt sowie den SolZ ein.

Der Kläger, nach dessen Auffassung dieser Vorgang steuerneutral zu behandeln war, beantragte in seiner ESt-Erklärung die Überprüfung des Steuereinbehalts für Kapitalerträge gemäß § 32d Abs. 4 EStG sowie die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG. Das FA folgte dem nicht, sondern rechnete die ­KapESt lediglich auf die festgesetzte ESt an. Das FG gab der hiergegen erhobenen Klage statt (FG Köln, Urteil vom 11.3.2020, 9 K 596/18, Haufe-Index 14432546, EFG 2021, 834).

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Zuteilung der PayPal-Aktien nach § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG steuerneutral erfolgte.

 

Hinweis

1. Auch im vorliegenden Verfahren geht es um die Frage, ob die Zuteilung von Aktien im Rahmen eines sog. "Spin‐Off" nach US-amerikanischem Recht bei einem im Inland ansässigen Anleger steuerneutral erfolgen kann. Dies hat der BFH bei der Zuteilung von PayPal-Aktien durch die eBay Inc. bejaht, da es sich nach seiner Auffassung bei rechtsvergleichender Betrachtung um eine Abspaltung i.S.d. § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG handelte. Die Begründung entspricht den Ausführungen im Verfahren VIII R 9/19, sodass auf die diesbezüglichen Praxishinweise Bezug genommen wird.

2. Rechtsfolge gemäß § 20 Abs. 4a Satz 7 i.V.m. Satz 1 EStG ist, dass der "Spin‐Off" und die damit verbundene Zuteilung der PayPal-Aktien an den Kläger im Streitjahr keine Besteuerung auslöst. Erst im Zeitpunkt einer späteren Veräußerung der PayPal-Aktien oder der eBay-Aktien gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 (ggf. i.V.m. Abs. 2 Satz 2) EStG sind etwaige Veräußerungsgewinne zu besteuern. Hierbei ist zu beachten, dass die PayPal-Aktien aufgrund der Abspaltung steuerlich – anteilig – an die Stelle der bereits gehaltenen eBay-Aktien treten und deren Anschaffungskosten – anteilig – übernehmen. Über den Aufteilungsmaßstab für die Anschaffungskosten ist erst bei der Veräußerung der Aktien zu entscheiden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 1.7.2021 – VIII R 15/20

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