9.1 Grundlagen

 

Rz. 65

Nach § 155 Abs. 1 Satz 1 InsO bleiben die handels- und steuerrechtlichen Pflichten des Schuldners zur Buchführung und zur Rechnungslegung in der Insolvenz unberührt. Für die Insolvenzmasse trifft die Rechnungslegungspflicht nach § 155 Abs. 1 Satz 2 InsO den Insolvenzverwalter sowohl bei Fortführung wie auch bei Schließung des Betriebs. Damit ist der Insolvenzverwalter regelmäßig verpflichtet, die Handelsbücher zu führen (§ 239 HGB), den Jahresabschluss aufzustellen (§ 242 HGB), die Ansatz- und Bewertungsvorschriften zu beachten (§§ 246ff., 252 ff. HGB) und bei bestehender Prüfungspflicht[1] einen Abschlussprüfer mit der Prüfung des Jahresabschlusses zu beauftragen (§ 316 HGB).[2] Nach h. M.[3] treffen den Insolvenzverwalter diese Pflichten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch für den Zeitraum vor der Eröffnung.

[1] Zu einer möglichen Befreiung von der Prüfung des Jahresabschlusses in Analogie zu § 71 Abs. 3 Satz 1 GmbHG, den §§ 270 Abs. 3 Satz 1, 278 Abs. 3 AktG, vgl. Grashoff, NZI 2008, S. 68 sowie OLG München, Beschluss v. 9.1.2008, 31 Wx 066/07.
[2] Vgl. Stollenwerk/Krieg, GmbHR 2008, S. 577.
[3] Vgl. Stollenwerk/Krieg, GmbHR 2008, S. 577 m. w. N.

9.2 Publizitätsverpflichtung des Insolvenzverwalters

 

Rz. 66

Die Verpflichtung nach § 325 Abs. 1 Satz 1 HGB zur Offenlegung des Jahresabschlusses trifft originär die gesetzlichen Vertreter der KapG, nicht den Insolvenzverwalter, der nicht allgemeiner Vertreter des Schuldners ist.[1] Nach § 155 Abs. 1 und 2 Satz 2 InsO wird dem Insolvenzverwalter die Verpflichtung für die Offenlegung der Jahresabschlüsse jedoch zugewiesen, soweit sie die Insolvenzmasse betreffen. Die Offenlegungspflicht ist damit eine Annex der Rechnungslegungspflicht und vom Insolvenzverwalter zu erfüllen.[2]

Auf die Befreiung von der Offenlegungspflicht kann sich der Insolvenzverwalter aufgrund der Annexfunktion berufen, wenn keine Verpflichtung besteht, den Jahresabschluss der insolventen Gesellschaft selbst aufzustellen. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn es sich um ein massearmes Insolvenzverfahren oder ein Verfahren, in dem keine oder nur unzureichende Buchhaltungsunterlagen vorhanden sind, handelt und es dem Insolvenzverwalter nicht zuzumuten ist, seiner Verpflichtung zur Rechnungslegung und Offenlegung nachzukommen.[3]

Nach Auffassung des BfJ wird das Ordnungsgeldverfahren nicht mehr weiter verfolgt, wenn das Insolvenzverfahren mangels Masse eingestellt oder die Masseverbindlichkeit angezeigt, oder der Antrag auf Insolvenzeröffnung mangels Masse abgewiesen wird. I. R. d. Einspruchsverfahrens sind die Gründe für die Entbindung von der Offenlegungspflicht vorzutragen und nachzuweisen.

[2] Vgl. Pink/Fluhme, ZInsO 2008, S. 818.
[3] Vgl. Pink/Fluhme, ZInsO 2008, S. 819 – Eine Befreiung von der Offenlegung in Analogie zu § 71 Abs. 3 Satz 1 GmbHG, den §§ 270 Abs. 3 Satz 1, 278 Abs. 3 AktG ist mangels Regelungslücke nicht möglich; vgl. Grashoff, NZI 2008, S. 68.

9.3 Sanktionen nach § 335 HGB in der Insolvenz

9.3.1 Ordnungsgeldverfahren gegen den Insolvenzverwalter

 

Rz. 67

Nach § 335 Abs. 1 HGB kann das Ordnungsgeldverfahren gegen die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs der KapG oder auch die KapG selbst durchgeführt werden.

Durch das Insolvenzverfahren wird der Insolvenzverwalter nicht zum Mitglied des vertretungsberechtigten Organs; er hat nach § 80 Abs. 1 InsO lediglich die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis inne und nimmt dabei seine Aufgaben im eigenen Namen, aber mit Wirkung für und gegen die Insolvenzmasse wahr.[1] Dem Wortlaut nach ist der Anwendungsbereich des § 335 HGB für den Insolvenzverwalter nicht eröffnet.[2] Gegen den Insolvenzverwalter selbst kann daher mangels gesetzlicher Grundlage kein Ordnungsgeldverfahren eingeleitet werden.[3]

 

Rz. 68

Die Verpflichtung des Insolvenzverwalters zur Aufstellung und Veröffentlichung des Jahresabschlusses aus § 155 Abs. 1 Satz 2 InsO kann daher vom BfJ gegenüber dem Insolvenzverwalter nicht erzwungen werden.[4]

 

Rz. 69

Der Insolvenzverwalter unterliegt jedoch der Kontrolle des Insolvenzgerichts. Nach § 58 Abs. 2 InsO kann das Insolvenzgericht gegen den Insolvenzverwalter im Fall der pflichtwidrigen Unterlassung der Offenlegung ein Zwangsgeld festsetzen. Daneben macht sich der Insolvenzverwalter nach § 60 InsO schadensersatzpflichtig, wenn er die Offenlegung des Jahresabschlusses pflichtwidrig versäumt.

[2] So das Bundesamt für Justiz auf seiner Internetseite – www.bundesjustizamt.de – unter "Fragen und Antworten zum Ordnungsgeldverfahren"; ebenso Stollenwerk/Krieg, GmbHR 2008, S. 578; Grashoff, NZI 2008, S. 69; Schlauß, BB 2008, S. 938; a. A. de Weerth, NZI 2008, S. 714.
[3] Ebenso Maus, ZInsO 2008, S. 9; a. A. de Weerth, NIZ 2008, S. 14.
[4] Vgl. Stollenwerk/Kurpat, BB 2009, S. 153.

9.3.2 Ordnungsgeldverfahren gegen die gesetzlichen Vertreter

 

Rz. 70

Nach h. M.[1] ändert die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nichts an der Rechtsnatur der Schuldnerin und an der Organstellung innerhalb der KapG. Da die Insolvenzgesellschaft nach § 155 Abs. 1 Satz 1 InsO weiterhin zur handelsrechtlichen Rechnungslegung verpflichtet ist, haben...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge