4.1 Bei einmaliger Überschreitung

 

Rz. 19

§ 293 Abs. 4 HGB bietet neben der Befreiung nach Abs. 1 eine zeitraumbezogene Härtefallregelung für Konzerne, die die Schwellenwerte einmalig überschreiten. Die Härteklausel befreit nicht nur Unt von der Pflicht zur Erstellung eines Konzernabschlusses, die zwei der drei in § 293 Abs. 1 HGB genannten Größenkriterien am aktuellen und am vorhergehenden Abschlussstichtag unterschreiten, sondern auch jene, die zwei der drei Größenkriterien am aktuellen oder am davorliegenden Abschlussstichtag unterschreiten, am jeweilig anderen jedoch nicht die Voraussetzungen für eine Befreiung erfüllen bzw. erfüllt haben und für die am vor diesen Abschlussstichtagen gelegenen Stichtag ebenfalls ein Befreiungsrecht bestand. Der Verlust der Befreiung tritt somit nicht durch einmaliges Überschreiten der Schwellenwerte ein.

 
Praxis-Beispiel

Anwendung der Härteklausel

Sachverhalt

Für die Wiesinger AG und ihre TU ergeben sich in den Jahren t0–t2 folgende Werte bei Anwendung der Brutto- sowie der Nettomethode:

 
(außer Mitarbeiter in Mio. EUR) t0 t1 t2
Konzern (Summenbilanz)      
Mitarbeiter 255 260 260
Vermögen 23 25 26
Umsatz 49 45 45
Konzern (konsolidiert)      
Mitarbeiter 255 260 260
Vermögen 21 18 18
Umsatz 38 45 49

Zusätzliche Annahmen

In den Gj t-2 und t-1 wurden sämtliche Grenzwerte des § 293 HGB sowohl bei Anwendung der Brutto- als auch der Nettomethode unterschritten. Entsprechend hat die Wiesinger AG in t–1 von der Möglichkeit zur Befreiung von der Konzernrechnungslegung Gebrauch gemacht.

Beurteilung

t0: Obwohl bei der Anwendung der Brutto- und der Nettomethode zwei der drei Grenzwerte überschritten werden und damit die Voraussetzungen des § 293 Abs. 1 HGB nicht erfüllt sind, kann die Wiesinger AG bedingt durch die Härteklausel des § 293 Abs. 4 HGB auf eine Konzernrechnungslegung verzichten, da die Schwellenwerte noch nicht zwei Jahre in Folge (wieder) überschritten wurden.

t1 und t2: Hier ergibt sich eine Pflicht zur Konzernrechnungslegung. Die Grenzwerte wurden ab t1 jeweils bereits zweimal in Folge überschritten.

4.2 Bei Neugründung/Erstkonsolidierung

 

Rz. 20

Mit dem Verweis auf § 267 Abs. 4 Satz 2 HGB in § 293 Abs. 4 Satz 2 HGB hat der Gesetzgeber den Tatbestand der ErstKons klargestellt, wenngleich begrifflich nicht korrekt: Da die Ausführungen des § 267 Abs. 4 Satz 2 HGB in § 293 Abs. 3 Satz 2 HGB nicht um den Begriff der ErstKons erweitert wurden, sodass die ErstKons unter der Ausführung Umwandlung oder Neugründung zu subsumieren ist.[1] Entsprechend ist auch dann eine Befreiung gegeben, wenn mind. zwei der drei Schwellenwerte am aktuellen Abschlussstichtag unterschritten werden, jedoch aufgrund eines fehlenden Mutter-Tochter-Verhältnisses (Neugründung des MU oder erstmalige Begründung eines Konzerns) am vorhergehenden Abschlussstichtag kein Befreiungsrecht bestand. Für die ErstKons weiterer neuer TU mit einem bestehenden Konzerngebilde gilt dies jedoch nicht. Der Gesetzgeber hat mit dem Verweis auf die mögliche Befreiung bei Umwandlung und Neugründung so die Regelungslücke i. S. d. Zielsetzung des § 293 HGB geschlossen.

[1] Siehe dazu auch Küting, DStR 2009, S. 37.

4.3 Einschränkung bei Formwechsel

4.3.1 Überblick

 

Rz. 21

Der bereits seit Einführung des BilMoG in § 293 Abs. 4 Satz 2 HGB verankerte explizite Verweis auf § 267 Abs. 4 Satz 2 HGB, betreffend den Tatbestand der Umwandlung/ErstKons, wurde mit dem BilRUG auf die in § 267 Abs. 4 Satz 3 HGB neu implementierte Einschränkung des Rechtsfolgeneintritts bei Umwandlung respektive Formwechsel bereits bei einmaliger Erfüllung der Voraussetzungen ausgedehnt. Für bestimmte Fälle eines Formwechsels – konkret, wenn der formwechselnde Rechtsträger eine KapG oder eine PersG i. S. d. § 264a Abs. 1 HGB ist – findet § 293 Abs. 4 Satz 2 HGB keine Anwendung. Eine Befreiung von der Konzernabschlusserstellungspflicht bereits im ersten Jahr der Unterschreitung von zwei der drei Schwellenwerte bei ErstKons scheidet damit genauso wie das Entstehen einer Konzernrechnungslegungspflicht bereits im ersten Jahr der Überschreitung aus.

Die Formulierung des § 267 Abs. 4 Satz 3 HGB ist dabei als unpräzise respektive interpretationswürdig zu bezeichnen. Unklar ist, ob mit "[...] wenn der formwechselnde Rechtsträger eine KapG oder eine PersG i. S. d. § 264a Abs. 1 HGB ist [...]" neben dem Fall der entsprechenden Rechtsform vor und nach Formwechsel auch die Konstellation gemeint ist, dass die entsprechende Rechtsform nur nach Formwechsel vorliegt. Dazu im Detail Rz 23Rz 31.

4.3.2 Mutterunternehmen als formwechselnder Rechtsträger

 

Rz. 22

Die Einschränkung des Rechtsfolgeneintritts bereits bei einmaliger Erfüllung der Voraussetzungen in Fällen eines Formwechsels ist grds. auf einen Wechsel der Rechtsform auf der Ebene des MU beschränkt. Die Rechtsform des/der TU spielt im Kontext der Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und folglich im Zuge der Anwendung des § 293 HGB keine Rolle (§ 290 Rz 19 ff.; § 294 Rz 8 ff.).

4.3.3 Rechtsform der formwechselnden Rechtsträger

 

Rz. 23

Unter einem Formwechsel i. S. d. UmwG ist eine Umwandlung ohne Übertragung von Aktiva und Passiva zu verstehen, die neben Umwandlungen mit entsprechender Übertragung (Verschmelzung, Spaltung und Vermögensübertragung...

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