Die Einordnung der Anzeigepflichten bei den bisher geregelten Steuererklärungspflichten folgt für § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO unmittelbar aus der in § 150 Abs. 2 AO besonders normierten Wahrheitspflicht, die auch nach Abgabe der Steuererklärung für den Steuerpflichtigen fortbesteht. Die Vorschriften des § 153 Abs. 1 bis 3 AO ergänzen hierbei aus systematischen Erwägungen heraus die Steuererklärungspflicht um eine zusätzliche Korrekturpflicht und dienen damit letztlich der Sicherung der materiellen Richtigkeit der Besteuerung. Den sich aus § 153 AO ergebenden steuerrechtlichen Pflichten liegt der im zivilrechtlichen Schuldrecht seinen Ursprung findende Rechtsgedanke der Schadensverhinderungs/-minderungspflicht zugrunde. Danach ist der an den Rechtsbeziehungen Beteiligte, der durch sein Verhalten die Gefahr oder den Eintritt eines Schadens – hier die Minderung des Steueranspruchs – verursacht hat, verpflichtet, das ihm Mögliche zur Abwendung des Schadens zu veranlassen. Allerdings überträgt § 153 AO diesen Grundsatz nicht als allgemeine Regelung in das Besteuerungsverfahren, sondern begründet nur einzelne Pflichten in den bislang durch den Gesetzestatbestand konkretisierten vier Fällen. Dies vorausgeschickt erscheint es fraglich, ob insb. die Neuregelung des § 153 Abs. 4 AO systematisch zutreffend in § 153 AO abgebildet werden kann. Denn zum einen obliegt es stets dem Fiskus etwaige Prüfungsfeststellungen einer Außenprüfung korrekt umzusetzen. Zum anderen erscheint es fraglich wieso der Steuerpflichtige über § 153 Abs. 4 AO verpflichtet werden soll, auch in Sachverhalten die "nicht Gegenstand der Außenprüfung" sind, Anzeige zu erstatten oder zu berichtigen. Denn diese Verpflichtung dürfte sich regelmäßig bereits aus den Tatbeständen des § 153 Abs. 1 bis 3 AO ergeben. Im Spannungsfeld zwischen Berichtigung nach § 153 AO und einer strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO kommt mit der Neuregelung des § 153 Abs. 4 AO somit ein weiterer Tatbestand hinzu, der Abgrenzungen nicht einfacher machen wird. So galt bislang, dass nach Auffassung der Finanzverwaltung keine Steuerhinterziehung vorliegt, wenn der Steuerpflichtige erst im Nachhinein die Fehlerhaftigkeit der abgegebenen Erklärung erkennt und unverzüglich eine Berichtigung vornimmt. Dies gilt jedoch nur dann, wenn es in Bezug auf den Fehler sowohl an Vorsatz als auch an Leichtfertigkeit des Steuerpflichtigen fehlt. Die Neuregelung verlangt dem Steuerpflichtigen nunmehr ab, auch Sachverhalte, die "nicht Gegenstand der Außenprüfung" sind, konkret zu hinterfragen. Denn andernfalls wird sich bei Entdeckung der steuerlichen Sachverhalte die Frage stellen, ob es dem Steuerpflichtigen sowohl an Vorsatz als auch an Leichtfertigkeit gefehlt hat. Insoweit ist die Erweiterung der Anzeige- und Berichtigungspflicht zumindest unter strafrechtlichen Gesichtspunkten kritisch zu beurteilen. Ob die Regelung des § 153 Abs. 4 AO daher das Ziel die gesetzmäßige Besteuerung von vorwiegend grenzüberschreitenden Sachverhalten sicherzustellen und letztlich Steuerflucht, Steuervermeidung und Steuerhinterziehung wirksam zu bekämpfen erreichen kann, bleibt insgesamt mehr als fraglich.

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