Leitsatz

Die zum 1.7.2004 rückwirkend in Kraft getretene Änderung der Bemessungsgrundlage bei der Besteuerung der Selbstnutzung einer dem Unternehmen zugeordneten Immobilie verstößt nicht gegen die Verfassung.

 

Sachverhalt

Die Klägerin hatte ein Gebäude errichtet und in diesem Gebäude eine Einheit steuerpflichtig vermietet, der Rest des Gebäudes wurde für private Wohnzwecke genutzt. Nach dem Seeling-Urteil des EuGH [1] nahm die Klägerin den vollen Vorsteuerabzug aus dem Bau des Hauses vor und unterwarf die Privatnutzung der Besteuerung nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG. Dabei setzte sie zur Berücksichtigung der Herstellungskosten 2 % der auf den privat genutzten Teil des Gebäudes entfallenden Herstellungskosten als Bemessungsgrundlage für den gesamten Besteuerungszeitraum 2004 an.

Nach einer Prüfung unterwarf die Finanzverwaltung für die Zeit ab dem 1.7.2004 die Privatnutzung mit einem Anteil von 10 % der anteiligen Herstellungskosten der Besteuerung. Die Finanzverwaltung stützte sich dabei auf die im Dezember 2004 mit Wirkung zum 1.7.2004 verkündeten Gesetzesänderung in § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG. Die Klägerin sah sich darin in ihren verfassungsmäßigen Rechten beeinträchtigt, da hier eine echte Rückwirkung vorliegen würde und ihr Unternehmenskonzept auf der alten Rechtslage begründet war und durch die Änderung eine existenzbedrohende Situation eingetreten sei.

 

Entscheidung

Das Gericht wies die Klage als unbegründet ab. Die Berechnung der Besteuerungsgrundlage für die private Nutzung des Gebäudes entsprach der jeweiligen gesetzlichen Vorgaben in § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG. Die Verteilung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten über den maßgeblichen Vorsteuerberichtigungszeitraum eines Gebäudes war auch durch den EuGH als gemeinschaftsrechtskonform beurteilt worden [2].

Ein Verstoß gegen verfassungsrechtliche Grundsätze sah das Gericht auch nicht. Nach Auffassung des Gerichts stellt die Änderung durch das EURLUmsG vom 9.12.2004 zwar eine echte Rückwirkung dar, da durch die im Dezember 2004 verkündete Gesetzesänderung auch schon abgeschlossene Voranmeldungszeiträume erfasst wurden. Die Rückwirkung ist in diesem Fall aber zulässig, da aufgrund der Rechtsprechung des EuGH mit einer gesetzlichen Neuregelung zu rechnen war.

Gegen eine Verletzung der Grundsätze des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes spricht außerdem der Umstand, dass das Gesetz in der bis zum 30.6.2004 geltenden Fassung selbst keine Regelung enthielt, auf welchen Zeitraum Herstellungskosten zu verteilen sind. Nach Ansicht des Gerichts gebietet das Grundgesetz nicht, den Steuerpflichtigen vor jeder Enttäuschung zu schützen, die sich aus einer Änderung der Verwaltungsanweisungen durch den Erlass neuer BMF-Schreiben ergeben kann. Die bloße Erwartung, die geltende Verwaltungsmeinung werde zukünftig unverändert fortbestehen, genießt keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz.

 

Hinweis

Die Erfolgsaussichten in diesem Verfahren waren wohl von Beginn an nicht sehr groß. Der BFH hatte schon 2007 [3] im Ergebnis die zum 1.7.2004 geltende Rechtslage als ab diesem Zeitpunkt anwendbar erklärt, lediglich für eine davor liegende Zeit wurde die Verteilung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten über den maßgeblichen Vorsteuerberichtigungszeitraum nach § 15a UStG abgelehnt. Da die Finanzverwaltung schon im April 2004 eine Änderung der Verwaltungsauffassung angekündigt hatte und sich aus der bis zum 30.6.2004 geltenden Fassung des § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG nicht ableiten ließ, dass die Verteilung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten über einen ertragsteuerrechtlichen Verteilungszeitraum erfolgen müsse, bestehen hier wohl keine durch die Verfassung garantierten schutzwürdigen Interessen.

Zu beachten ist, dass durch die Gesetzesänderung zum 1.1.2011 im Ergebnis für alle nach dem 31.12.2010 angeschafften oder aufgrund eines nach dem 31.12.2010 gestellten Bauantrags errichteten Gebäude der volle Vorsteuerabzug nicht mehr möglich ist. Das Gestaltungsmodell nach dem "Seeling-Urteil" des EuGH ist durch die Beschränkung des Vorsteuerabzugs auf den tatsächlich unternehmerisch verwendeten Teil des Gebäudes nach § 15 Abs. 1b UStG abgeschafft worden.

Gegen das Urteil ist Revision zugelassen worden.

 

Link zur Entscheidung

FG München, Urteil vom 24.02.2011, 14 K 210/08

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