Leitsatz

1. Beiträge an einen nicht der Versicherungsaufsicht unterliegenden Solidarverein, der Leistungen in Krankheitsfällen gewährt, können – unbeschadet weiterer Voraussetzungen – nur dann als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn auf die Leistungen des Vereins ein Rechtsanspruch besteht.

2. Eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V kann auf der Grundlage sowohl deutschen als auch ausländischen Rechts bestehen (Anschluss an BSG-Urteil vom 20.03.2013 ‐ B 12 KR 14/11 R, BSGE 113, 160, Rz 14).

 

Normenkette

§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a, Buchst. b, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG, § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V

 

Sachverhalt

Die Klägerin zahlte für ihre Absicherung im Krankheits- und Pflegefall Beiträge nicht an eine Krankenkasse, sondern an einen Solidarverein V. Dessen Mitglieder leisten einkommensabhängige Beiträge nach Maßgabe einer festgelegten Beitragsordnung. Die Hälfte dieser Beiträge wird einem Individualkonto des Mitglieds gutgeschrieben, die Auszahlung dieses Guthabens kann jedes Mitglied zur Deckung seiner Krankheitskosten verlangen. Die andere Hälfte der Beiträge wird hingegen einem Solidarfonds gutgeschrieben, aus dem weitere Unterstützungen an die Mitglieder erbracht werden können. Ein Anspruch auf Leistung besteht nur in Fällen der medizinischen Notwendigkeit. Dabei soll mindestens das Leistungsniveau der gesetzlichen Pflege- oder Krankenversicherung erreicht werden. V unterliegt derzeit nicht der Versicherungsaufsicht.

Das FA erkannte die an V gezahlten Beiträge nicht als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a und b EStG an. Die nach erfolglosen Vorverfahren erhobenen Klagen blieben ohne Erfolg. Das FG entschied, V sei kein in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG genannter Versorgungsträger. Er falle nicht unter Buchst. a Satz 1 dieser Regelung, weil er weder ein Versicherungsunternehmen sei noch ihm die hierfür erforderliche Erlaubnis erteilt worden sei. Auch Buchst. a Satz 2 sei nicht einschlägig, weil diese Regelung auf Einrichtungen beschränkt sei, die ihren Sitz außerhalb des EU-/EWR-Raums hätten (Niedersächsisches FG, Urteil vom 20.3.2019, 3 K 157/18, Haufe-Index 13146001, EFG 2019, 888).

 

Entscheidung

Die Revision der Klägerin führte aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Das FG wird noch aufklären müssen, ob es sich bei V um eine Einrichtung handelt, die eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V gewährt, und ob auf die Leistungen des V ein Anspruch besteht.

 

Hinweis

1. Voraussetzung für den Abzug von Vorsorgeaufwendungen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 3a EStG ist neben der Zahlung entsprechender Beiträge u.a., dass sie an bestimmte Versorgungsträger geleistet werden (§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG).

2. Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 1 EStG, sind Beiträge an ein Versicherungsunternehmen abziehbar, wenn dieses Unternehmen das Versicherungsgeschäft im Inland betreiben darf (Doppelbuchst. aa) oder ihm die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb im Inland erteilt ist (Doppelbuchst. bb).

3. Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG können Krankenversicherungsbeiträge über Satz 1 hinaus nur berücksichtigt werden, wenn es sich um Beiträge an eine Einrichtung handelt, die eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V oder eine der Beihilfe oder freien Heilfürsorge vergleichbare Absicherung i.S.d. § 193 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 VVG gewährt.

4. Diese Einrichtungen können auch inländische Einrichtungen sein; eine Begrenzung lediglich auf Einrichtungen mit Sitz außerhalb des EU-/EWR-Raumes ist der Vorschrift nicht zu entnehmen. Dieses Ergebnis kann sowohl dem Wortlaut des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG, der auf Normen des deutschen Sozialversicherungs- bzw. Privatversicherungsrechts verweist, als auch der Gesetzessystematik entnommen werden. Die Gesetzesmaterialien für das JStG 2013 (BR-Drucks. 302/12, 86) stützen ebenfalls diesen Befund. Zwar wurde das JStG 2013 selbst nie beschlossen, die in dem Entwurf enthaltene Regelung wurde aber unverändert durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz (vgl. BT-Drucks. 17/12532, 5, 89 f.) normiert.

5. Um einen Sonderausgabenabzug für an eine solche in- oder ausländische Einrichtung geleistete Krankenversicherungsbeiträge zu erlangen, hat diese zum einen eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bzw. § 193 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 VVG zu gewähren. Zum anderen muss auf die Leistungen der Einrichtung ein Anspruch bestehen (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Satz 1 EStG). Diese Voraussetzungen hat der Steuerpflichtige nachzuweisen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 12.8.2020 – X R 12/19

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