Leitsatz

Ein Auflösungsverlust i.S.v. § 17 Abs. 2, 4 EStG ist auch zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige eine wesentliche Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft erwirbt, die Beteiligung innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Auflösung der Gesellschaft aber auf einen Prozentsatz unterhalb der Grenze des § 17 Abs. 1 EStG abgesenkt wird.

 

Normenkette

§ 17 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4 EStG

 

Sachverhalt

Der Sachverhalt ergibt sich eigentlich schon aus den Praxishinweisen: K erwarb 1999 eine qualifizierte Beteiligung von 1,043 % an einer Kapitalgesellschaft. Diese Beteiligung rutschte in den nächsten Jahren durch Kapitalerhöhungen auf 0.813 % ab. Im Jahr 2002 wurde über das Vermögen der Kapitalgesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, indes Masseunzulänglichkeit festgestellt.

Das FA erkannt den von K geltend gemachten Auflösungsverlust nicht an, weil er 2002 unter 1 % und damit nicht erheblich an der Kapitalgesellschaft beteiligt gewesen war. Auch das FG sah dies so (FG Hamburg, Urteil vom 05.05.2008, 6 K 97/06, Haufe-Index 2017597, EFG 2008, 1790).

 

Entscheidung

Der BFH hob diese Entscheidung auf und gab der Klage statt. Der nach einer tatsächlichen Verständigung unstreitige Auflösungsverlust ist zu berücksichtigen.

 

Hinweis

In dieser bedeutsamen Entscheidung geht es um den Verlustabzug bei § 17 EStG in Fällen, in denen die zunächst qualifizierte Beteiligung unter die relevante Grenze absinkt.

1. Wenn ein Steuerpflichtiger (nennen wir ihn K) im Jahr 01 eine i.S.v. § 17 Abs. 1 EStG bedeutsame Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft erwirbt, diese aber in den nächsten Jahren durch Kapitalerhöhungen unter die relevante Grenze absinkt und K sodann im Jahr 04 im Insolvenzverfahren ausfällt, stellt sich die Frage, ob er den Verlust geltend machen kann. Über diese Frage musste der BFH entscheiden, und er hat sie positiv beantwortet.

2. Die Antwort erschließt sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes: Nach § 17 Abs. 2 S. 4 Buchst. b) S. 1, Abs. 4 EStG ist ein Auflösungsverlust nicht zu berücksichtigen, soweit er auf Anteile entfällt, die entgeltlich erworben sind und nicht innerhalb der gesamten letzten fünf Jahre zu einer Beteiligung i.S.v. Abs. 1 S. 1 gehört haben. Dies gilt aber nicht für innerhalb der letzten fünf Jahre erworbene Anteile, deren Erwerb zur Begründung einer Beteiligung des Steuerpflichtigen i.S.v. Abs. 1 S. 1 geführt hat (so § 17 Abs. 2 S. 4 Buchst. b) S. 2, 1. Halbs. EStG). Damit werden auch Fälle erfasst, in denen eine ursprünglich in relevanter Höhe erworbene Beteiligung innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Auflösung der Gesellschaft auf einen Prozentsatz unterhalb der Relevanzschwelle abgesenkt wurde. Denn die Gesetzesformulierung "Erwerb zur Begründung einer Beteiligung" umfasst nicht nur den Hinzuerwerb von Anteilen, durch den eine bis dahin geringere Beteiligung relevant i.S.v. § 17 Abs. 1 S. 1 EStG wird.

3. Diese am Wortlaut der Vorschrift orientierte Auslegung wird bestätigt durch den Zweck des Gesetzes, Missbrauchsgestaltungen zu vermeiden, im Rahmen derer eine zunächst unwesentliche Beteiligung zur steuerwirksamen Verlustrealisierung zu einer wesentlichen wird. Erwirbt der Steuerpflichtige – wie hier – von vornherein eine qualifizierte Beteiligung, kann es zu keinem Missbrauch kommen. Er muss den Gewinn aus dieser Beteiligung versteuern und ist berechtigt, auch die Verluste steuerrechtlich geltend zu machen.

Der Gesetzgeber zielt nach der Gesetzesbegründung vielmehr auf Fälle, in denen der Steuerpflichtige im Privatvermögen eine nicht relevante Beteiligung hält, dann erkennt, dass sie zu Verlusten führt und diese Verluste dadurch abziehbar machen möchte, dass er Anteile hinzuerwirbt. So verhält es sich, wenn K eine verlustträchtige 0,9 %-Beteiligung hält. Es soll verhindert werden, dass er durch den Erwerb weiterer 0,1 % den gesamten Verlust geltend machen könnte. § 17 Abs. 2 S. 4 Buchst. b) S. 2 EStG beschränkt den Verlustabzug in diesem Fall auf die 0,1 % der Anteile. Erwirbt K aber wie hier von vornherein eine Beteiligung von über 1 %, muss er alle Gewinne versteuern und folgerichtig auch berechtigt sein, alle Verluste geltend zu machen. Nur der so erreichte Gleichklang der Besteuerung von Auflösungsgewinn und Auflösungsverlust entspricht dem objektiven Nettoprinzip.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 01.04.2009 – IX R 31/08

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