OFD Magdeburg, 08.07.2005, S 7160 - 16 - St 245

 

1. BFH-Urteil vom 09.10.2003 VR 5/03

Der BFH hat mit Urteil vom 09.10.2003 BStBl. 2003 II S. 958 entschieden, dass eine steuerfreie Kreditvermittlung nach § 4 Nr. 8 Buchstabe a UStG nur dann vorliegt, wenn die Leistung an eine Partei des Kreditvertrages erbracht wird und von dieser als eigenständige Mittlertätigkeit vergütet wird; der Leistung muss also ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen dem leistenden Unternehmer und dem Kreditgeber oder Kreditnehmer zugrunde liegen. Für das Vorliegen einer Vermittlungsleistung reicht es nicht aus, dass der leistende Unternehmer im Auftrag eines Dritten das Erforderliche tut, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen.

Mit diesem Urteil hat der BFH im Ergebnis seine bisherige Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 26.01.1995 BStBl. 1995 II S. 427) bestätigt.

Die bisherige Begründung, der Begriff "Vermittlung" bestimme sich nach dem gleichnamigen Begriff in § 652 BGB, wird allerdings nicht mehr aufrechterhalten. Der BFH orientiert sich nunmehr an den Ausführungen im EuGH-Urteil vom 13.12.2001 - Rs. C-235/00, CSC Financial Services (UR 2002 S. 84).

 

2. Umsetzung durch BMF-Schreiben vom 13.12.2004

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder erging zur Auslegung des Begriffs "Vermittlung" in § 4 UStG sowie zur Anwendung des o. a. BFH-Urteils das BMF-Schreiben vom 13.12.2004 IV A 6 S 7170 a 26/04, welches im BStBl. Teil I veröffentlicht wird.

Danach ist der Begriff "Vermittlung" in § 4 UStG einheitlich auszulegen. Unter Berücksichtigung des o. a. BFH-Urteils können daher insbesondere Untervermittlungsumsätze nicht mehr nach § 4 UStG steuerbefreit sein, es sei denn, die besondere Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 11 UStG ist einschlägig.

Es ist jedoch nicht zu beanstanden, wenn vor dem 1. Juli 2005 erbrachte Vermittlungsumsätze nach § 4 Nr. 8 Buchstaben b bis g UStG bei Vorliegen der übrigen Tatbestandvoraussetzungen als steuerfrei beurteilt worden sind bzw. werden, obwohl die vom BFH in dem o. g. Urteil geforderte Voraussetzung, dass die Leistung an eine Partei des Vertrags erbracht und von dieser als eigenständige Mittlertätigkeit vergütet wird, nicht erfüllt ist.

Diese Nichtbeanstandungsgrenze wurde mit BMF-Schreiben vom 30.05.2005 IV A 6 S 7160 a 34/05 bis zum 31. Dezember 2005 verlängert.

 

3. Praktische Auswirkungen

Praktische Auswirkungen können sich bei Vorliegen von mehrstufigen Vertriebsstrukturen für jede Art von Finanzprodukten ergeben. Beispielhaft erwähnt sei die Vermittlung von Investmentfondsanteilen und Geschäftsbeteiligungen[1]. Besonders in diesen Bereichen sollen strukturierte Vertriebswege aufgebaut worden sein, in die spezialisierte Dritte eingeschaltet wurden.

Deren Leistungen können ab 01.01.2006 nicht mehr als steuerfrei nach § 4 Nr. 8 Buchstaben b bis d UStG beurteilt werden.

Nach vorliegenden Erkenntnissen wird dies im Finanzdienstleistungssektor anders gesehen, so dass mit dem o. a. BMF-Schreiben eine Klarstellung erfolgte.

Keine Änderungen ergeben sich bei der Vermittlung/Untervermittlung von Krediten nach § 4 Nr. 8 Buchstabe a UStG (A 57 Abs. 8 und 9 UStR).

 

4. Vermittlung nach § 4 Nr. 11 UStG

Um die Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 8 UStG für Vermittlungsumsätze in Anspruch nehmen zu können, muss der Vermittler auch Verbindung zum Dritten aufnehmen und auf diesen einwirken, einen Vertrag mit dem Auftraggeber abzuschließen. Im Gegensatz dazu genügt es für § 4 Nr. 11 UStG, wenn nur mittelbar an der Vermittlung eines Versicherungs- oder Bausparvertrages mitgewirkt wird (BFH-Urteil vom 09.07.1998 BStBl. II 1999 S. 253).

Dafür kann es genügen, dass der Versicherungs- oder Bausparkassenvertreter durch Betreuung, Überwachung oder Schulung von nachgeordneten USt-Kartei § 4 Nr. 8 OFD Magdeburg S 7160 Karte 1 selbständigen Vermittlern sowie durch Prüfung eines jeden Vertragsangebotes mittelbar auf den Kunden einwirkt (sog. Strukturvertrieb des Versicherungsvermittlungsgewerbes,[2] A 75 Abs. 2 Sätze 6 ff. UStR. Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 11 UStG bleibt durch das o. g. BMF-Schreiben ausdrücklich erhalten.

 

Normenkette

§ 4 Nr. 8 Buchstabe a UStG

[1] Der Vertrieb von Gesellschaftsbeteiligungen durch freie Vermittlungsgesellschaften ist beschrieben in der UR 1998 S. 325 ff.
[2] Beim Strukturvertrieb handelt es sich um folgende Gestaltung:

Selbständige freie Vermittlungsgesellschaften, die nach ihren Gesellschaftsverträgen u. a. die Vermittlung von Versicherungs- und Bausparverträgen zum Gegenstand haben, stehen in vertraglichen Beziehungen zu Versicherungs- bzw. Bauspargesellschaften. Sie treten zur Erfüllung ihrer Aufgaben mit unterschiedlichen Vertragsangeboten an Interessentenkreise durch selbständige Mitarbeiter (Untervermittlung) heran. So entsteht eine Vertriebsstruktur, die sich nach unten pyramidenförmig untergliedert (Strukturvertrieb).

Die Mitarbeiter stehen zum einen in vertraglichen Beziehungen mit der Vermittlungsgesellschaft, zum anderen in einem V...

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