Leitsatz

Erstattungsansprüche wegen Zahlungen auf unwirksame Steuerbescheide entstehen ungeachtet der materiellen Rechtslage mit der Zahlung. Das gilt auch dann, wenn die Finanzbehörde dem Steuerpflichtigen erst nach Ablauf der Verjährungsfrist die Nichtigkeit des Steuerbescheids mitteilt.

 

Sachverhalt

Das Klinikum M war in den Jahren 1998 bis 2008 ein Eigenbetrieb ohne eigene Rechtspersönlichkeit des Landkreises M. Ab 2007 ist der Landkreis S Rechtsnachfolger des Landkreises M. In 2008 hat der Landkreis S den Eigenbetrieb im Wege der Ausgliederung in die Klinikum S GmbH, die Klägerin, eingebracht. Der Landkreis S hat für den Eigenbetrieb weder KSt- noch USt-Erklärungen abgegeben, da KSt-Freiheit gem. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG und USt-Freiheit gem. § 4 Nr. 16 UStG bestand. Im Rahmen einer Betriebsprüfung für 1998 bis 2002 wurde festgestellt, dass der Eigenbetrieb mehrere wirtschaftliche Geschäftsbetriebe unterhalten habe, die keine Zweckbetriebe wären, so dass das Finanzamt am 25.5.2005 erstmalige Bescheide über KSt und USt erlassen hat. Die Bescheide waren jeweils adressiert "An das Landratsamt M, M". Hiergegen wurde Einspruch eingelegt. Das Klinikum zahlte im Jahr 2005 ca. 180.000 EUR und im Jahr 2006 nach Zurückweisung des Einspruchs weitere 5.000 EUR an das Finanzamt. Die hiergegen gerichtete Klage wandte sich zunächst gegen die materielle Rechtmäßigkeit der Bescheide. Der Berichterstatter des Verfahrens wies allerdings am 13.10.2010 darauf hin, dass die angefochtenen Bescheide nichtig seien, da sie sich an einen nicht existierenden Inhaltsadressaten gerichtet hätten. Dies hat der Vorsitzende am 19.1.2011 in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Daraufhin beantragte die Klägerin am 21.1.2011 die Erstattung der zu Unrecht gezahlten Beträge. Das Finanzamt entgegnete, dass es nur den in 2006 erhaltenen Betrag erstatten wolle, da die in 2005 erfolgte Überweisung bereits zahlungsverjährt sei.

 

Entscheidung

Die Klage ist unbegründet. Erstattungsansprüche wegen Zahlungen auf unwirksame Steuerbescheide entstehen ungeachtet der materiellen Rechtslage mit der Zahlung. Die Zahlungsverjährung hinsichtlich der Überweisungen im Jahr 2005 begann daher gem. § 229 Abs. 1 Satz 1 AO mit Ablauf des 31.12.2005 und endete fünf Jahre später mit Ablauf des 31.12.2010. Dies gilt auch dann, wenn die Finanzbehörde dem Steuerpflichtigen erst nach Ablauf der Verjährungsfrist die Nichtigkeit des Steuerbescheids mitteilt.

 

Hinweis

Das Urteil verdeutlicht die hohe Relevanz von Fristen im Steuerrecht, da deren Versäumnis erhebliche negative Konsequenzen für den Steuerpflichtigen haben kann. Das Finanzgericht macht klar, dass ein Rückzahlungsanspruch auch dann verjährt ist, wenn die Nichtigkeit des der Zahlung zugrunde liegenden Bescheids erst nachträglich bekannt wird oder festgestellt wird. Nur auf diese Weise könne Rechtssicherheit hergestellt werden. Im vorliegenden Fall hat der Berichterstatter allerdings bereits im Jahr 2010 die Steuerpflichtigen auf die eventuelle Nichtigkeit der Bescheide aufmerksam gemacht, so dass es möglich gewesen wäre, den Anspruch noch fristgerecht geltend zu machen.

 

Link zur Entscheidung

FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19.09.2012, 3 K 427/11

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge