Leitsatz

Weist der Erwerber eines erbbaurechtsbelasteten Grundstücks nach, dass dessen gem. § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG ermittelter Wert mehr als das Dreifache seines gemeinen Werts im unbebauten Zustand ausmacht, und hat er beim Heimfall des Erbbaurechts eine angemessene Entschädigung für die Gebäude zu zahlen, ist der Grundstückswert im Weg verfassungskonformer Auslegung entsprechend Satz 2 der Vorschrift i.V.m. § 146 Abs. 7 oder §§ 147, 145 Abs. 3 Satz 3 BewG auf den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert festzustellen.

 

Normenkette

§ 12 Abs. 3 ErbStG , § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG

 

Sachverhalt

Der Kläger erbte ein mit einem Erbbaurecht belastetes Grundstück, dessen Verkehrswert sich auf 400.200 DM belief. Der Erbbauzins betrug jährlich 70.000 DM. Für die vom Erbbauberechtigten errichteten Gebäude war bei einem Heimfall oder Erlöschen des Erbbaurechts eine Entschädigung in angemessener Höhe zu zahlen.

Das FA stellte den Wert des Grundstücks gem. § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG gesondert auf (18,6 x 70.000) 1.302.000 DM fest. Auf die Klage des Klägers setzte das FG den Wert auf den Verkehrswert herab. Die Revision des FA blieb erfolglos.

 

Entscheidung

Die Typisierung, die der Bewertung erbbaurechtsbelasteter Grundstücke nach § 138 Abs. 3 i.V.m. § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG zugrunde liegt, rechtfertigt keine Verletzung des Übermaßverbots im Einzelfall. Verfassungsgemäß ist solch eine typisierende Regelung nur solange, wie ein Verstoß gegen das Übermaßverbot im Einzelfall entweder durch verfassungskonforme Auslegung oder durch eine Billigkeitsmaßnahme abgewendet werden kann, wobei beides den normativen Gehalt der Vorschrift bzw. die dem Steuertatbestand innewohnende Wertung des Gesetzgebers nicht durchbrechen darf.

Das Übermaßverbot ist verletzt, wenn die Folgen einer schematisierenden Belastung im Einzelfall extrem über das normale Maß hinausgehen. Für den Fall, dass der nach § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG sich ergebende Wert des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks solchermaßen gegen das Übermaßverbot verstößt, ist eine verfassungskonforme Auslegung dahin möglich und geboten, entsprechend § 148 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 146 Abs. 7 oder den §§ 147, 145 Abs. 3 Satz 3 BewG den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts des Grundstücks in unbebautem Zustand zuzulassen.

 

Hinweis

Mit der verfassungskonformen Auslegung soll ein Verstoß gegen das Übermaßverbot abgewendet werden. Die Frage, wie hoch der nach dem Gesetz ermittelte Grundstückswert den Verkehrswert übersteigen muss, um einen Verstoß gegen das Übermaßverbot zu ergeben, lässt sich nicht abstrakt mit einem bestimmten Prozentsatz sagen. Im Einzelfall kann auch ein Übersteigen um weniger als 50 % genügen, wenn es sich dabei in absoluten Zahlen ausgedrückt um einen gewichtigen Betrag handelt.

In kritischen Grenzfällen wird auch die Auswirkung auf die Höhe der Erbschaftsteuer, deren Festsetzung der Grundstückswert dienen soll, in die Prüfung, ob ein Verstoß gegen das Übermaßverbot vorliegt, einzubeziehen sein. Dabei wiederum würde der Höhe des im Einzelfall anzuwendenden Steuersatzes gem. § 19 ErbStG Bedeutung zukommen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 5.5.2004, II R 45/01

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