Orientierungssatz

(Urlaubsanspruch - Kürzung bei Mutterschaftsurlaub) Nach § 2 C Nr 10 des Urlaubstarifvertrages für die Arbeiter in der Berliner Metallindustrie vom 23.1.1979 besteht ein Kürzungsrecht des Arbeitgebers bei Mutterschaftsurlaub.

 

Normenkette

TVG § 1; MuSchG § 8d

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Entscheidung vom 04.10.1984; Aktenzeichen 4 Sa 32/84)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 14.02.1984; Aktenzeichen 51 Ca 5/84)

 

Tatbestand

Die Klägerin war bei der Beklagten seit 15. Februar 1979 als Montiererin beschäftigt.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist kraft Tarifbindung der Urlaubstarifvertrag für die Arbeiter in der Berliner Metallindustrie in der jeweils geltenden Fassung (UTV) anzuwenden:

§ 2 C Nr. 10 UTV lautet:

"Dauern eine oder mehrere mit Arbeitsunfähig-

keit verbundene Erkrankungen eines Arbeiters

in einem Urlaubsjahr insgesamt länger als

6 Monate, so vermindert sich sein Urlaubsan-

spruch um je 1/12 des Jahresurlaubs für jeden

weiteren Krankheitsmonat, höchstens jedoch um

5 Arbeitstage.

Bei Arbeitsunfähigkeit infolge eines Betriebs-

unfalls oder einer Berufskrankheit und auch für

die Dauer der gesetzlichen Schutzfrist nach dem

Mutterschutzgesetz tritt eine Urlaubsminderung

nicht ein."

Am 14. Juli 1983 gebar die Klägerin ein Kind und nahm im Anschluß an die Mutterschutzfristen vom 9. September 1983 bis zum 13. Januar 1984 Mutterschaftsurlaub und vom 16. Januar bis 14. Februar 1984 22 Tage Erholungsurlaub aus dem Jahr 1983. Die Beklagte weigerte sich unter Hinweis auf § 8 d MuSchG, der Klägerin weitere acht Tage Urlaub zu gewähren.

Nach Erhebung der Klage, mit der die Klägerin zunächst die Gewährung von acht Urlaubstagen Resturlaub aus dem Jahre 1983 begehrt hatte, hat sich die Beklagte verpflichtet, einen weiteren Tag Urlaub zu gewähren.

Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 29. März 1984 hat die Klägerin zuletzt Abgeltung für sieben Urlaubstage begehrt und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 953,61 DM brutto zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Klage hatte in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag weiter; die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Der Klägerin stehen die von ihr begehrten Urlaubstage nicht zu. Das Landesarbeitsgericht hat jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen, daß die Beklagte wirksam den der Klägerin zustehenden Jahresurlaub um sieben Tage gekürzt hat.

Die Befugnis zu dieser Kürzung ergibt sich aus § 8 d MuSchG. Nach dieser durch das Gesetz zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubs vom 25. Juni 1979 geschaffenen und am 1. Juli 1979 in Kraft getretenen gesetzlichen Regelung kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub der Mutter für jeden Kalendermonat, für den sie Mutterschaftsurlaub in Anspruch nimmt, um 1/12 kürzen. Diese Kürzungsbefugnis bezieht sich nicht nur auf den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz, sondern auch auf den einzelvertraglich vereinbarten und den durch Tarifvertrag geregelten Urlaubsanspruch (vgl. BAG 45, 155 = AP Nr. 1 zu § 8 d MuSchG 1968 und die Entscheidung des erkennenden Senats vom 24. April 1986 - 8 AZR 326/82 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen; ebenso die einhellige Meinung im Schrifttum, vgl. z. B. Bulla/Buchner, MuSchG, 5. Aufl., § 8 d Rz 7; Gröninger/Thomas, MuSchG, 1985, § 8 d Anm. 2 b; Meisel, Mutterschaftsurlaub (zugleich Nachtrag zu Meisel/Hiersemann, Mutterschutz und Mutterschaftshilfe, 2. Aufl.), § 8 d MuSchG Rz 5; Zmarzlik/Zipperer, MuSchG, 4. Aufl., § 8 d Rz 2). Voraussetzung ist damit lediglich, daß es sich um den Jahresurlaub handelt (Bulla/Buchner, aaO, § 8 d Rz 7). Von der Kürzungsbefugnis des Arbeitgebers nach § 8 d MuSchG wird daher grundsätzlich auch der nach § 2 UTV zu gewährende Erholungsurlaub erfaßt. Die zur Ausübung der Kürzungsbefugnis notwendige Erklärung gegenüber der Klägerin hat die Beklagte auf deren Urlaubsverlangen abgegeben.

Entgegen der Auffassung der Revision wird die Befugnis des Arbeitgebers zur Kürzung des Urlaubsanspruchs nach § 8 d MuSchG nicht durch § 2 C Nr. 10 UTV eingeschränkt. Dabei kann dahinstehen, ob die Befugnis nach § 8 d MuSchG tarifvertraglich einschränkbar ist (vgl. BAG Urteil vom 14. November 1963 - 5 AZR 498/62 - AP Nr. 2 zu § 4 ArbPlSchG), weil § 2 C Nr. 10 UTV eine Regelung zum Mutterschaftsurlaub nicht enthält. Diese Tarifbestimmung enthält die Befugnis für den Arbeitgeber, bei einer oder mehreren mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Erkrankungen den Urlaub zu kürzen, wenn diese in einem Jahr insgesamt länger als sechs Monate dauern. Ein solches Recht steht dem Arbeitgeber nach gesetzlichen Regelungen nicht zu. Die Bestimmung ist jedenfalls insoweit unbedenklich, als der gesetzliche Mindesturlaub davon nicht beeinträchtigt wird (vgl. dazu BAG 45, 199 = AP Nr. 15 zu § 13 BUrlG). Enthält aber die Regelung damit ein im Gesetz nicht vorgesehenes Kürzungsrecht des Arbeitgebers gegenüber Ansprüchen des Arbeitnehmers, kann sie nicht zugleich die Einschränkung bzw. den zeitlichen Ausschluß eines bestehenden gesetzlichen Kürzungsrechts des Arbeitgebers nach § 8 d MuSchG zum Inhalt haben, das im übrigen bei Abschluß des Tarifvertrags noch nicht bestanden hat. Dazu hätte es jedenfalls einer weiteren Regelung bedurft, die für die Kürzungsbefugnis bei Mutterschaftsurlaub ausspricht, daß sie eingeschränkt oder gar ausgeschlossen sei (vgl. insoweit im Ergebnis ebenso BAG Urteil vom 14. November 1963, aaO, und BAG 45, 155 ff.). Den an eine solche Regelung zu stellenden Erfordernissen entspricht § 2 C Nr. 10 UTV nicht. Die Tarifregelung enthält lediglich die Befugnis des Arbeitgebers, im Erkrankungsfall des Arbeitnehmers den Urlaub zu kürzen. Eine Einschränkung der Befugnis, wegen der Inanspruchnahme von Mutterschaftsurlaub den Urlaub zu kürzen, kann daraus nicht entnommen werden. Dies hat der erkennende Senat für eine mit § 2 C Nr. 10 UTV vergleichbare Regelung bereits mit seiner Entscheidung vom 24. April 1986, aaO, dargelegt. Der vorliegend zu beurteilende Rechtsstreit bietet keine Veranlassung, hiervon abzuweichen.

Die Klägerin hat im Jahre 1983 insgesamt drei volle Kalendermonate Mutterschaftsurlaub in Anspruch genommen. Damit war die Beklagte berechtigt, den der Klägerin zustehenden Erholungsurlaub von 30 Tagen um 3/12, also um sieben Urlaubstage, zu kürzen. Diese Befugnis hat die Beklagte gegenüber der Klägerin ausgeübt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Dr. Leinemann Dr. Peifer Dr. Freitag

Dr. Liebers Hennecke

 

Fundstellen

Dokument-Index HI441697

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