Entscheidungsstichwort (Thema)
Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte
Leitsatz (redaktionell)
Parallelsache zu BAG Urteil vom 27.11.1985 5 AZR 101/84.
Verfahrensgang
LAG Köln (Entscheidung vom 24.04.1985; Aktenzeichen 7 Sa 690/84) |
LAG Köln (Entscheidung vom 03.10.1984; Aktenzeichen 7 Sa 690/84) |
ArbG Köln (Entscheidung vom 30.04.1984; Aktenzeichen 17/15 Ca 6686/83) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, eine dem Kläger erteilte schriftliche Abmahnung aus dessen Personalakten zu entfernen.
Der Kläger ist als Bühnenarbeiter bei den Bühnen der beklagten Stadt beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G) Anwendung.
Am Sonntag, dem 21. November 1982, fand im Schauspielhaus die Premiere des Stückes "Menschenfeind" statt. Die Haupt- und Generalproben hierzu waren auf die Tage von Donnerstag, dem 18. November bis Samstag, dem 20. November 1982 angesetzt. Nachdem einer der Schauspieler am 15. November 1982 seine Erkrankung mitgeteilt hatte, setzte die Beklagte auf den 17. November 1982 (Buß- und Bettag) eine zusätzliche Probe an und gab durch Aushang vom 16. November 1982 für die Bühnenarbeiter eine Änderung des Dienstplans und eine Sonderschicht für den 17. November 1982 bekannt. Dabei wurde der Arbeitsbeginn der Frühschicht von 10.00 Uhr auf 7.30 Uhr vorverlegt; zu dieser Schicht gehörten der Kläger sowie elf weitere Arbeitnehmer. Die Personalvertretung hat an dieser Maßnahme nicht mitgewirkt.
Am frühen Vormittag des 17. November 1982 beschlossen der Kläger und seine elf Arbeitskollegen nach Beratung mit einem Mitglied des Personalrats und einem Gewerkschaftssekretär, den Probeaufbau für die Produktion "Menschenfeind" zu verweigern und die Arbeit erst um 10.00 Uhr aufzunehmen, um die Dekoration der Vorstellung des Vorabends ab- und die für die Vorstellung am Abend aufzubauen. Die Dekoration für die Probe wurde daraufhin vom Regisseur, dem Bühnenbildner, dem Bühnenmeister und Mitarbeitern der maschinentechnischen Abteilung aufgebaut. Der Kläger und seine elf Arbeitskollegen haben in der Zeit von etwa 11.30 bis 14.30 Uhr nicht gearbeitet.
Mit der Lohnabrechnung für Januar 1983 hat die Beklagte dem Kläger den Lohn für drei Stunden (= 45,48 DM) abgezogen; außerdem hat sie dem Kläger mit Schreiben vom 17. März 1983 eine Abmahnung erteilt und zu dessen Personalakten genommen, die folgenden Wortlaut hat:
"Sehr geehrter Herr Sch ]
Eine produktionsgefährdende Notsituation erforderte
am 17.11.1982 (Buß- und Bettag) eine zusätzliche
Probe für die Premiere "Menschenfeind". Als Folge
dieser Notsituation mußte der Arbeitsbeginn der
Frühschicht, zu der auch Sie gehörten, am 17.11.
von 10.00 auf 7.30 Uhr vorverlegt werden. Die
kurzfristige Änderung des Dienstplanes erfolgte
im Einklang mit den Bestimmungen der Dienstver-
einbarung vom 7.8.1979 und wurde auch rechtzeitig
am 16.11.1982 um 7.30 Uhr durch Aushang bekanntge-
geben.
Obwohl Sie am 17.11.1982 um 10.00 Uhr zum Dienst
erschienen, weigerten Sie sich, die für die Probe
erforderlichen Aufbauarbeiten durchzuführen. Auch
die Hinweise Ihrer Vorgesetzten auf die Notsituation
verbunden mit mehrmaligen Aufforderungen zur Ar-
beitsaufnahme blieben ohne Erfolg. Damit liegt eine
arbeitsvertragliche Pflichtverletzung in Form der
Verweigerung der Arbeitsleistung vor, die grundsätz-
lich eine Kündigung nach sich ziehen könnte.
Im Hinblick darauf, daß Sie offensichtlich vor
allem durch das Verhalten eines Mitglieds des
Personalrates und auch eines Vertreters der Ge-
werkschaft ÖTV verunsichert waren, sehe ich aus-
nahmsweise von der genannten Konsequenz ab. Ich
weise Sie jedoch ausdrücklich darauf hin, daß Sie
bei Wiederholung eines ähnlichen Vorfalles mit der
Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechnen müssen.
Es geht nicht an, daß Sie die Anweisungen Ihrer
Vorgesetzten nicht befolgen und damit, wie hier
geschehen, die Einhaltung von Premiereterminen in
Gefahr bringen. Wenn Sie von der Zulässigkeit der
Anordnung nicht überzeugt waren, hätten Sie die
Möglichkeit gehabt, im Nachhinein gerichtlich fest-
stellen zu lassen, ob Sie verpflichtet waren, die
geforderte Arbeit am Buß- und Bettag zu leisten
bzw. die hierfür erforderliche Notsituation vor-
lag. Auf jeden Fall hätten Sie zunächst den An-
weisungen Ihrer Vorgesetzten Folge leisten müssen.
Im übrigen verweise ich auf die bereits mündlich
erfolgte Abmahnung am 10.3.1983...."
Mit seiner Klage hat der Kläger Entfernung des Schreibens aus seinen Personalakten und die Feststellung begehrt, daß die Abmahnung unwirksam ist; außerdem hat er Zahlung des einbehaltenen Lohns verlangt. Der Kläger hat, soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung, vorgetragen, die angesetzte Sonderschicht für die Probe zu der Aufführung "Menschenfeind" sei unzulässig gewesen, weil sie ohne Beteiligung des Personalrats angeordnet worden sei. Außerdem verstoße sie gegen § 105 i der GewO. Danach seien Proben an Sonn- und Feiertagen nur ausnahmsweise zulässig; dies sei von der Theaterleitung konkret darzulegen. Die Gründe für die Sonderprobe seien ihm nicht erläutert worden. Außerdem habe er die Arbeit erst nach intensiver Beratung mit einem Mitglied des Personalrats und einem Gewerkschaftssekretär verweigert. Es fehle daher in jedem Fall an einem subjektiven Verschulden.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, daß die dem Kläger am
17. März 1983 erteilte Abmahnung rechts-
unwirksam ist und die Beklagte zu ver-
urteilen, die Abmahnung aus der Personal-
akte zu entfernen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger
45,48 DM brutto zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die Abmahnung sei dem Kläger zu Recht erteilt worden. Aufgrund einer produktionsgefährdenden Notsituation sei die zusätzliche Probe und damit die angeordnete Sonderschicht unumgänglich gewesen. Die Gründe für die Sonderprobe seien dem Kläger und seinen Arbeitskollegen auch durch den Schauspieldirektor und den technischen Direktor in einem etwa einstündigen Gespräch erläutert worden. Da die Abmahnung keinen Strafcharakter habe, sondern nur die Aufforderung darstelle, ein vertragswidriges Verhalten abzustellen und Rechtsfolgen für die Zukunft androhe, sei es im übrigen auch unerheblich, ob das mit der Abmahnung beanstandete Verhalten dem Arbeitnehmer zuzurechnen sei.
Das Arbeitsgericht hat dem Klageantrag zu 1) stattgegeben und die Zahlungsklage abgewiesen. Gegen das Urteil haben beide Parteien, soweit sie unterlegen sind, Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat durch Teilurteil vom 3. Oktober 1984 den Klageantrag zu 1), soweit der Kläger die Feststellung begehrt, daß die Abmahnung der Beklagten rechtsunwirksam sei, als unzulässig, und soweit er deren Entfernung aus der Personalakte verlangt, als unbegründet abgewiesen. Der Zahlungsklage hat es nach einer Beweisaufnahme über die Frage, ob dem Kläger und seinen Arbeitskollegen die Gründe für die Ansetzung der Probe erläutert worden seien, durch Schlußurteil vom 24. April 1985 stattgegeben. Nach der Kostenentscheidung in dem Schlußurteil haben der Kläger 98 % und die Beklagte 2 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Mit seiner gegen das Teilurteil eingelegten Revision hat der Kläger zunächst den gesamten Klageantrag zu 1) weiterverfolgt; in der letzten mündlichen Verhandlung hat er den Feststellungsantrag nicht mehr aufrechterhalten und lediglich noch die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte begehrt. Die gegen das Schlußurteil eingelegte Revision hat der Kläger auf die darin enthaltene Kostenentscheidung beschränkt.
Der Senat hat die beiden Revisionen mit Beschluß vom 18. September 1985 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Entscheidungsgründe
A. Die Revisionen des Klägers gegen das Teilurteil und das Schlußurteil des Landesarbeitsgerichts sind zulässig. Das Berufungsgericht hat die Revision jeweils im Tenor der angefochtenen Entscheidung zugelassen. Die Revision gegen das Schlußurteil richtet sich zwar nur gegen die darin enthaltene Kostenentscheidung. Dennoch bestehen gegen die Zulässigkeit der Revision keine Bedenken. Ein Schlußurteil, das die Kostenentscheidung für das gesamte Berufungsverfahren enthält, kann von der Partei, die das Teilurteil des Berufungsgerichts in zulässiger Weise angegriffen hat, unter Beschränkung auf die Kostenentscheidung selbständig mit der Revision angefochten werden, wenn über das gegen das Teilurteil gerichtete Rechtsmittel noch nicht entschieden ist (vgl. BGHZ 19, 172, 174; BGHZ 20, 253, 254; BGHZ 29, 126, 127; ferner Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 13. Aufl., § 87 VI 3 e, S. 480; Thomas/Putzo, ZPO, 13. Aufl., § 99 Anm. 2 c aa; Zöller/Schneider, ZPO, 14. Aufl., § 99 Rz 10). Diese Auffassung, der der Senat sich anschließt, beruht darauf, daß die erst im Schlußurteil enthaltene Kostenentscheidung ihrem sachlichen Inhalt nach das ohne Kostenentscheidung ergangene Teilurteil ergänzt. Die Revision, die sich lediglich gegen die in dem Schlußurteil enthaltene Kostenentscheidung richtet, stellt ihrem sachlichen Inhalt nach ebenfalls nur eine Ergänzung der zunächst gegen das Teilurteil eingelegten Revision dar.
B. Die Revisionen sind auch begründet.
I. Nachdem der Kläger seinen Antrag, die Rechtsunwirksamkeit der Abmahnung festzustellen, in der Revisionsinstanz nicht mehr aufrechterhalten hat, war lediglich noch darüber zu befinden, ob die Beklagte verpflichtet ist, die mit Schreiben vom 17. März 1983 erteilte Abmahnung aus den Personalakten des Klägers zu entfernen. Dies ist zu bejahen, weil der in dem Schreiben erhobene Vorwurf, der Kläger habe sich vertragswidrig verhalten, nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ungerechtfertigt ist.
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, für einen Anspruch des Klägers auf Entfernung der Abmahnung aus seinen Personalakten sei keine Anspruchsgrundlage ersichtlich. Das Verlangen ergebe sich weder aus einer gesetzlichen Vorschrift noch einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung oder Dienstordnung; es folge auch nicht aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Die Fürsorgepflicht sei keine Rechtsquelle für Ansprüche, sondern nur die allgemein gehaltene Forderung an den Arbeitgeber, auf die Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen. Im übrigen sei durch die Regelung in § 11 a BMT-G, die dem Arbeitnehmer das Recht zur Gegendarstellung einräumt, eine abschließende Regelung zum Schutze des Arbeitnehmers durch die Tarifvertragsparteien getroffen worden. Die Aufbewahrung des Abmahnungsschreibens in den Personalakten des Klägers sei außerdem aufgrund des Eigentumsrechts der Beklagten gewährleistet; denn das Abmahnungsschreiben und die Personalakten stünden im Eigentum der Beklagten.
2. Mit diesen Rechtsausführungen begibt sich das Berufungsgericht in Widerspruch zu der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der Landesarbeitsgerichte, ohne sich mit dieser im einzelnen auseinanderzusetzen.
Das Bundesarbeitsgericht hat sich mit der hier zu erörternden Rechtsfrage bereits in folgenden Entscheidungen befaßt: BAG 7, 267, 273 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; BAG 19, 181, 187 = AP Nr. 27 zu § 59 BetrVG; BAG 24, 247, 257 = AP Nr. 9 zu § 611 BGB Öffentlicher Dienst, zu II 2 b der Gründe; BAG Urteil vom 22. Februar 1978 - 5 AZR 801/76 - AP Nr. 84 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht, zu II 1 der Gründe; BAG Urteil vom 30. Januar 1979 - 1 AZR 342/76 - AP Nr. 2 zu §87 BetrVG 1972 Betriebsbuße, zu II der Gründe; BAG Urteil vom 7. November 1979 - 5 AZR 962/77 - AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Betriebsbuße, zu I der Gründe; BAG Urteil vom 6. August 1981 - 6 AZR 505/78 - AP Nr. 39 zu § 37 BetrVG 1972, zu I der Gründe; BAG 38, 159, 163 = AP Nr. 3 zu § 108 BetrVG 1972, zu I der Gründe; BAG Urteil vom 19. Juli 1983 - 1 AZR 307/81 - AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Betriebsbuße, zu II 3 der Gründe.
Aus der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte sind folgende Entscheidungen zu erwähnen: LAG Hamm, Urteil vom 7. Mai 1980 - 3 Sa 69/80 - DB 1980, 2398; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. März 1981 - 6 Sa 815/80 - EzA Nr. 28 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; LAG Hamm, Urteil vom 1. Februar 1983 - 13 Sa 1313/82 - EzA Nr. 33 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht.
3. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat der Arbeitgeber im Rahmen seiner allgemeinen Fürsorgepflicht, auch soweit er Rechte ausübt, auf das Wohl und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Bedacht zu nehmen. Er muß daher unter Umständen auch besondere Maßnahmen treffen, die die Entstehung eines Schadens und damit eine Beeinträchtigung des Fortkommens seines Arbeitnehmers verhindern können (vgl. BAG Urteil vom 9. Februar 1977 - 5 AZR 2/76 - AP Nr. 83 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht, zu II 1 der Gründe m.w.N.). Der Umfang dieser Fürsorgepflicht ist im Einzelfall aufgrund einer eingehenden Abwägung der beiderseitigen Interessen zu bestimmen (BAG 7, 267, 271, 272 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; BAG Urteil vom 17. März 1970 - 5 AZR 263/69 - AP Nr. 78 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht, zu 2 der Gründe). Der Arbeitgeber muß im Rahmen seiner Fürsorgepflicht dafür Sorge tragen, daß die Personalakten ein richtiges Bild des Arbeitnehmers in dienstlichen und persönlichen Beziehungen vermitteln (BAG 7, 267, 273 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; seither ständige Rechtsprechung). Die Fürsorgepflicht ist Ausfluß des in § 242 BGB niedergelegten Gedankens von Treu und Glauben, der den Inhalt der Schuldverhältnisse bestimmt. Aus dieser Vorschrift sind für das Arbeitsverhältnis verschiedene Nebenrechte und -pflichten abzuleiten. So hat etwa der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Beschluß vom 27. Februar 1985 (- GS 1/84 - ZIP 1985, 1214 ff., auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen) den allgemeinen Beschäftigungsanspruch als vertragliche Nebenpflicht aus § 242 BGB hergeleitet. Dabei hat der Große Senat angenommen, daß bei der Frage, was Treu und Glauben jeweils gebieten, auch auf die in den Grundrechten des Grundgesetzes zum Ausdruck gekommene Wertentscheidung der Verfassung Bedacht zu nehmen ist. Die in den Grundrechtsnormen enthaltene objektive Wertordnung gilt als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts und wirkt deshalb auch auf das Privatrecht ein (BVerfGE 34, 269, 280). Damit gewinnt der verfassungsrechtliche Persönlichkeitsschutz für das Arbeitsverhältnis und die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten Bedeutung.
b) Deshalb ist schon bisher erkannt worden, daß der Arbeitgeber das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Bezug auf Ansehen, soziale Geltung und berufliches Fortkommen zu beachten hat (Urteil des erkennenden Senats vom 8. Februar 1984, BAG 45, 111, 114 = AP Nr. 5 zu § 611 BGB Persönlichkeitsrecht, zu I 1 der Gründe mit zust. Anm. von Echterhölter; Wiese, ZfA 1971, 273, 297 m.w.N.). Das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers wird durch unrichtige, sein berufliches Fortkommen berührende Tatsachenbehauptungen beeinträchtigt. Der Arbeitnehmer kann daher in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB bei einem objektiv rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers in Form von unzutreffenden oder abwertenden Äußerungen deren Widerruf und Beseitigung verlangen (BAG Urteil vom 21. Februar 1979 - 5 AZR 568/77 - AP Nr. 13 zu § 847 BGB, zu B I 1 der Gründe; BAG 45, 111, 117 = AP Nr. 5 zu § 611 BGB Persönlichkeitsrecht, zu I 5 der Gründe; Wiese, ZfA 1971, 273, 311; vgl. auch BGHZ 14, 163, 173). Das verfassungsrechtlich abgesicherte Recht des Arbeitgebers zur freien Meinungsäußerung über den Arbeitnehmer (Art. 5 Abs. 1 GG) findet seine Schranken an dieser geschützten Rechtssphäre des Arbeitnehmers.
4. Hieraus folgt, daß der Arbeitnehmer die Rücknahme einer mißbilligenden Äußerung des Arbeitgebers verlangen kann, wenn diese nach Form oder Inhalt geeignet ist, ihn in seiner Rechtsstellung zu beeinträchtigen. Hierzu gehören schriftliche Rügen und Verwarnungen, die zu den Personalakten genommen werden. Denn solche formellen Rügen können, wenn sie unberechtigt sind, Grundlage für eine falsche Beurteilung des Arbeitnehmers sein und dadurch sein berufliches Fortkommen behindern oder andere arbeitsrechtliche Nachteile mit sich bringen. Vornehmlich in Großbetrieben und größeren Verwaltungen kann die zu den Personalakten genommene Abmahnung zu einer dauerhaften und nachhaltigen Gefährdung der Rechtsstellung des Arbeitnehmers beitragen, denn dort werden Entscheidungen über das berufliche Fortkommen in der Regel nicht aufgrund persönlicher Kenntnisse getroffen, sondern die Fakten werden aus den Personalakten entnommen. Gerade bei einseitigen Bestimmungsrechten, bei denen dem Arbeitgeber ein nur begrenzt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zusteht, kann eine zu den Personalakten genommene schriftliche Äußerung einen fortdauernden Rechtsnachteil darstellen.
5. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wird ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Entfernung einer unbegründeten Rüge aus seinen Personalakten auch nicht durch § 11 a BMT-G ausgeschlossen, der den Arbeitnehmer berechtigt, eine Gegendarstellung zu den Personalakten zu reichen. Diese Vorschrift, die durch den 8. Ergänzungstarifvertrag vom 11. Juni 1965 in den BMT-G eingefügt worden ist, ist wortgleich mit § 13 BAT. Diese Vorschrift gewährt dem Arbeiter ein Anhörungs- und Gegenerklärungsrecht. Enthält die Personalakte aber unrichtige oder abwertende Angaben über die Person des Arbeitnehmers, so werden diese durch dessen Gegenerklärung nicht neutralisiert. Die Gegenerklärung besagt insoweit nicht mehr, als daß die Angaben vom Arbeitnehmer bestritten werden. Eine abschließende, weitergehende Ansprüche des Arbeitnehmers ausschließende Regelung ist dieser Vorschrift nicht zu entnehmen. Eine derartige Absicht der Tarifvertragsparteien läßt sich weder aus dem Wortlaut der Tarifbestimmung noch aus ihrer Entstehungsgeschichte folgern. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf eine objektiv richtige Gestaltung der Personalakte und damit sein Anspruch auf Entfernung unrichtiger Angaben war schon vor Schaffung dieser Vorschrift anerkannt (vgl. BAG 7, 267, 273 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht). Die als Schutzvorschrift gedachte Tarifbestimmung sollte nicht die Rechte des Arbeitnehmers einschränken, sondern sie vielmehr im Hinblick auf die Personalakte konkretisieren und erweitern; sie läßt daher den weitergehenden Entfernungsanspruch des Arbeitnehmers unberührt (so auch Scheuring/Lang, BMT-G, Stand: Februar 1983, § 11 a Erl. 7; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand: Juli 1985, § 13 Rz 7; Crisolli/Tiedtke/Ramdohr, BAT, Stand: August 1983, § 13 Anm. 4; Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Stand: Februar 1983, § 13 Rz 17).
6. Der Senat sieht keine Veranlassung, von den vom Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen abzuweichen. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Entfernung einer auf unrichtigen Tatsachen beruhenden Abmahnung folgt aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gemäß § 242 BGB in entsprechender Anwendung von § 1004 BGB.
II. Die dem Kläger erteilte und zu den Personalakten genommene Abmahnung ist auch rechtswidrig. Der in ihr enthaltene Vorwurf, der Kläger habe seine Arbeitsleistung verweigert, ist zu Unrecht erhoben worden. Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts im Schlußurteil kann der Senat über den Anspruch des Klägers in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 ZPO).
1. Die Beklagte hat ein vertragswidriges Verhalten des Klägers darin gesehen, daß dieser sich am 17. November 1982 trotz Änderung des Schichtbeginns und des Hinweises seiner Vorgesetzten auf eine produktionsgefährdende Notsituation geweigert habe, die für die Probe zu "Menschenfeind" erforderlichen Aufbauarbeiten zu leisten. Dieses Verhalten hat sie als Arbeitsverweigerung gewertet und dem Kläger für den Fall der Wiederholung eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses angedroht. Daß das Schreiben der Beklagten vom 17. März 1983 in diesem Sinne als Abmahnung anzusehen ist, ist zwischen den Parteien auch nicht streitig.
2. In seinem insoweit in Rechtskraft erwachsenen Schlußurteil hat das Berufungsgericht ausgeführt, der Kläger und seine Arbeitskollegen seien nicht verpflichtet gewesen, die Dekoration für die Probe am 17. November 1982 aufzubauen, und sie hätten daher diese zusätzlich angeordneten Arbeiten verweigern dürfen. Das Berufungsgericht hat aufgrund der Beweisaufnahme festgestellt, daß der Kläger von den Vertretern der Beklagten nicht auf die Notwendigkeit der zusätzlichen Probe hingewiesen worden sei; vielmehr habe man dem Kläger und seinen Arbeitskollegen jeden erläuternden Hinweis darüber, daß die Probe unaufschiebbar sei, verweigert. Unter diesen Umständen sei für den Kläger nicht erkennbar gewesen, daß die Probe an diesem Tage habe durchgeführt werden müssen; er sei daher auch nicht verpflichtet gewesen, die zusätzlich verlangte Arbeit auszuführen. Aufgrund dieser Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Behauptung der Beklagten im Abmahnungsschreiben entkräftet, der Kläger sei durch seine Vorgesetzten auf die Notsituation hingewiesen worden; desgleichen kann die darin enthaltene Bewertung, der Kläger habe seine Arbeitsleistung verweigert und damit seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt, nicht aufrechterhalten werden. Da die Abmahnung somit zu Unrecht erteilt ist, ist die Beklagte verpflichtet, ihr Schreiben vom 17. März 1983 aus den Personalakten des Klägers zu entfernen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits waren der Beklagten in vollem Umfang aufzuerlegen; soweit der Kläger die Feststellungsklage zurückgenommen hat, fällt dies wertmäßig nicht ins Gewicht (§ 91, § 92 Abs. 2 ZPO). Aus diesem Grunde war die Kostenentscheidung im Schlußurteil des Berufungsgerichts auf die Revision des Klägers dahin abzuändern, daß die Beklagte die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.
Dr. Thomas Dr. Gehring Michels-Holl
Polcyn Dr. Hirt
Fundstellen