Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsabgeltung und tarifvertragliche Ausschlußfrist
Leitsatz (redaktionell)
Tarifvertragsparteien können für den mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses an die Stelle des Urlaubsanspruches tretenden Abgeltungsanspruch Ausschlußfristen jedenfalls im Umfang des tariflichen Urlaubsanspruchs vereinbaren.
Orientierungssatz
Auslegung der §§ 45, 47, 62 und 64 des Rahmentarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer im Dachdeckerhandwerk vom 21. Januar 1986.
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltung.
Der Kläger war vom 1. November 1989 bis 30. Juni 1990 im Dachdeckerhandwerksbetrieb der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien war der für allgemeinverbindlich erklärte Rahmentarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer im Dachdeckerhandwerk vom 21. Januar 1986 (RTV) anzuwenden. Danach betrug der Jahresurlaub für den Kläger 28 Arbeitstage. Ferner war im RTV u. a. folgendes bestimmt:
"§ 45
Wartezeit
Der volle Urlaubsanspruch wird erstmalig nach
sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses
erworben.
...
§ 47
Teilurlaub
Ist der Arbeitnehmer innerhalb des Urlaubsjahres
weniger als zwölf Monate im Betrieb im Arbeits-
verhältnis, so steht ihm 1/12 des Jahresurlaubs
für jeden Monat zu, in dem das Beschäftigungsver-
hältnis wenigstens zwölf Arbeitstage bestand.
...
§ 52
Zahlung des Urlaubsentgelts und des zusätzlichen
Urlaubsgeldes
Das Urlaubsentgelt und das zusätzliche Urlaubs-
geld können nur gefordert und ausbezahlt werden,
wenn
...
b) der Arbeitnehmer aus dem Betrieb ausscheidet
oder
...
§ 64
Ausschlußfristen
1. Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und
solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Ver-
bindung stehen, verfallen, wenn sie nicht
innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit
gegenüber der anderen Vertragspartei schrift-
lich geltend gemacht werden.
2. Lehnt die andere Vertragspartei den schrift-
lich geltend gemachten Anspruch ab oder er-
klärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wo-
chen, so verfällt der Anspruch, wenn er nicht
innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung
oder dem Ablauf der Zwei-Wochen-Frist gericht-
lich geltend gemacht wird."
Der Kläger erhielt im Februar 1990 zehn Arbeitstage Urlaub. Nach seinem Ausscheiden wies seine Prozeßbevollmächtigte mit Schreiben vom 4. Juli 1990 auf die Nichtauszahlung des Urlaubsgeldes für das Kalenderjahr 1990 hin. Die Beklagte reagierte nicht. Daraufhin machte der Kläger seine restlichen Ansprüche, u. a. die Abgeltung von vier Urlaubstagen im Oktober 1990 gerichtlich geltend.
Der Kläger hat u. a. beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger
849,45 DM brutto zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Das Arbeitsgericht hat der Klage insoweit stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision beantragt die Beklagte weiterhin, die Klage insgesamt abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Urlaubsentgelt und zusätzlichem Urlaubsgeld für vier Urlaubstage nach § 52 Buchst. b RTV, weil die Forderung bei Klageerhebung im Oktober 1990 bereits erloschen war.
I. Der Kläger hatte nach Erfüllung der Wartezeit gemäß § 45 RTV einen Urlaubsanspruch von 28 Tagen erworben, § 44 Nr. 1 Buchst. c RTV. Dieser Anspruch verkürzte sich wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30. Juni 1990 auf 14 Arbeitstage, § 47 RTV. Der Anspruch ist durch Gewährung von zehn Arbeitstagen Urlaub im Februar 1990 in dieser Höhe erloschen.
II. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erlosch der restliche Urlaubsanspruch des Klägers. An seine Stelle trat gemäß § 52 Buchst. b RTV ein Entgeltanspruch. Dieser war bei Beginn der Rechtshängigkeit im Oktober 1990 verfallen, § 64 RTV.
1. Der Entgeltanspruch ist ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis gemäß § 64 Nr. 1 RTV, der mit seiner Entstehung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien fällig geworden ist. Er verfällt, wenn der Gläubiger die im RTV vorgeschriebene schriftliche oder gerichtliche Geltendmachung unterläßt. So verhält es sich im Streitfall. Das Schreiben der Prozeßbevollmächtigten des Klägers vom 4. Juli 1990 erfüllt nicht die Voraussetzungen einer schriftlichen Geltendmachung. Es enthält keine eindeutige Aufforderung zur Leistung und bezeichnet nur einen Teil des Anspruchs. Im übrigen fehlte es weiter an der rechtzeitigen gerichtlichen Geltendmachung innerhalb der Fristen des § 64 Nr. 2 RTV, wenn das Schreiben vom 4. Juli 1990 als ausreichende Geltendmachung nach § 64 Nr. 1 RTV anzusehen wäre.
2. Für den mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses an die Stelle des Urlaubsanspruches tretenden Abgeltungsanspruch, den die Tarifvertragsparteien des Dachdeckerhandwerks Urlaubsentgeltanspruch nennen, können Ausschlußfristen jedenfalls für tarifliche Ansprüche wirksam vereinbart werden. Ob Tarifvertragsparteien auch befugt sind, den Bestand der nach dem Bundesurlaubsgesetz garantierten Mindesturlaubstage und die Abgeltung dafür nach § 7 Abs. 4 BUrlG bis zum Ablauf des Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraumes von der Erfüllung weiterer Voraussetzungen (z. B. die schriftliche und gerichtliche Geltendmachung innerhalb bestimmter Fristen) abhängig zu machen, kann im Streitfall dahingestellt bleiben (zum Meinungsstand vgl. BAGE 10, 133 = AP Nr. 81 zu § 611 BGB Urlaubsrecht; BAGE 11, 150 = AP Nr. 27 zu § 4 TVG Ausschlußfrist; BAGE 23, 184, 195 = AP Nr. 9 zu § 7 BUrlG Abgeltung; BAGE 45, 314 = AP Nr. 16 zu § 13 BUrlG; Bachmann, GK-BUrlG, 5. Aufl., § 7 Rz 206 - 209). Der Mindesturlaubsanspruch des Klägers nach den §§ 1, 3 und 5 BUrlG betrug acht Arbeitstage. Diesen Anspruch hat die Beklagte im Februar 1990 erfüllt.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Dr. Leinemann Dr. Lipke Dörner
Dr. Engelmann Roeder
Fundstellen
DB 1993, 1371 (LT1) |
NZA 1993, 759 |
NZA 1993, 759 (LT1) |
RdA 1992, 407 |
AP § 7 BUrlG (LT1), Nr 60 |
AR-Blattei, ES 350 Nr 139 (LT1) |
EzA § 4 TVG Ausschlußfristen, Nr 101 (LT1) |