Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebliche Altersversorgung: beamtenförmige Versorgung eines privatrechtlich angestellten Bahnarztes. Anrechnung des weiterhin erzielten Einkommens als Arzt auf die Versorgung wegen Dienstunfähigkeit. Auskunftspflicht des Arztes. Kürzungsbefugnis des Arbeitgebers bei schuldhaft verletzter Auskunftspflicht. Betriebliche Altersversorgung. Tarifrecht. Öffentlicher Dienst. Gleichbehandlung. Weitgehend Parallelsache zu BAG 21. Oktober 2003 – 3 AZR 252/03 –

 

Orientierungssatz

  • Verweist eine Versorgungszusage umfassend auf “die Versorgung der Beamten”, handelt es sich regelmäßig um eine dynamische Verweisung. Die Zusage einer von der jeweils geltenden Versorgungsordnung abgekoppelten Betriebsrente muss als Ausnahme deutlich zum Ausdruck gebracht werden. Das Fehlen der Formel “in der jeweils geltenden Fassung” genügt dabei nicht.
  • In derartigen Fällen sind auch die §§ 53, 62 des BeamtVG sinngemäß anzuwenden. Die Anrechnung von Privateinkünften auf die Versorgungsbezüge eines dienstunfähigen Beamten entspricht der Anrechnungsbestimmung in der gesetzlichen Rentenversicherung (jetzt § 96a SGB VI). Es handelt sich daher nicht um eine beamtenspezifische Vorschrift, deren Anwendung auf Nichtbeamte sinnwidrig wäre.
  • § 53 Abs. 2 BeamtVG begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
 

Normenkette

BeamtVG §§ 53, 62; BetrAVG § 5 Abs. 2; SGB VI § 5 Abs. 1, § 96a; GG Art. 3, 14, 33 Abs. 5

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 22.10.2002; Aktenzeichen 9 (13) Sa 500/02)

ArbG Bonn (Urteil vom 07.03.2002; Aktenzeichen 1 Ca 3130/01)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt ist, die Versorgungsbezüge des Klägers wegen seiner Einnahmen aus ärztlicher Erwerbstätigkeit zu kürzen und Auskunft über seine Einnahmen aus dieser Tätigkeit zu verlangen.

Der am 10. Januar 1944 geborene Kläger wurde zum 1. April 1978 von der damaligen Deutschen Bundesbahn als Bahnarzt angestellt und erhielt zuletzt eine der Besoldungsgruppe A 16 entsprechende Vergütung. Seit dem 1. Mai 1997 war das Bundeseisenbahnvermögen (BEV), ein nicht rechtsfähiges Sondervermögen des Bundes (§ 1 Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens vom 27. Dezember 1993, BGBl. I S. 2378), Arbeitgeber des Klägers. Gemäß dem mit der Deutschen Bundesbahn 1978 abgeschlossenen Arbeitsvertrag (AV 78) hatte der Kläger der Deutschen Bundesbahn im Rahmen seiner hauptamtlichen Tätigkeit seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Privatärztliche Praxis war ihm nur gestattet, soweit dadurch seine Tätigkeit für die Deutsche Bundesbahn nicht beeinträchtigt wurde. Zur Versorgung des Klägers sah der Arbeitsvertrag vor:

“§ 15

Versorgung

(1) Der Bahnarzt hat beim Eintritt des Versorgungsfalles Anspruch auf Versorgung für sich und seine Hinterbliebenen nach den Bestimmungen für die Beamten der Deutschen Bundesbahn und ihre Hinterbliebenen. …”

Mit Vermerk vom 12. August 1986, der auch dem Kläger übermittelt worden war, rückte die Deutsche Bundesbahn von ihrer zunächst vertretenen Auffassung ab, das Nebentätigkeitsbegrenzungsgesetz vom 21. Februar 1985 (BGBl. I S. 371) sei auch auf die im Ruhestand befindlichen Bahnärzte anzuwenden. Wörtlich heißt es in diesem Schreiben:

“Insofern sind die aktiven wie auch die Bahnärzte im Ruhestand statusrechtlich nicht mit den Beamten vergleichbar; somit kann auch das Nebentätigkeitsbegrenzungsgesetz in beiden Fällen (aktiv und im Ruhestand) keine Anwendung finden. Dies wird auch nicht durch die Bestimmungen (für den Versorgungsfall) im § 15 Abs. 1 des Bahnarztvertrages eingeschränkt, weil es sich hier lediglich um eine Regelungsvorschrift handelt.”

1997 schlossen die Parteien einen neuen Arbeitsvertrag (AV 97). Dieser lautet, soweit vorliegend von Interesse:

“§ 3

Sonstige ärztliche Tätigkeit

(1) Der Oberbahnarzt übt seine Tätigkeit hauptamtlich aus; er hat seine volle Arbeitskraft dem Bundeseisenbahnvermögen zur Verfügung zu stellen.

(2) Private ärztliche Tätigkeit ist dem Oberbahnarzt nur insoweit gestattet, als dadurch seine Tätigkeit für das Bundeseisenbahnvermögen nicht beeinträchtigt wird. Der Oberbahnarzt darf nicht im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung für die gesetzlichen Krankenkassen tätig werden.

§ 15

Versorgung

(1) …

(2) Der Oberbahnarzt hat vom Eintritt in den Ruhestand an Anspruch auf Versorgung in sinngemäßer Anwendung des BeamtVG in der jeweils geltenden Fassung. Das gilt entsprechend für die Hinterbliebenen. Die nach den Vorschriften des BeamtVG der obersten Dienstbehörde vorbehaltene Entscheidung über den Entzug der Versorgung trifft die Hauptverwaltung des Bundeseisenbahnvermögens.

…”

Mit dem 31. Oktober 2000 schied der Kläger aus dem Arbeitsverhältnis als Bahnarzt wegen dauernder Dienstunfähigkeit iSd. § 42 Bundesbeamtengesetz aus. Seither erhält er eine Versorgung wegen dauernder Dienstunfähigkeit wie ein Beamter. Seine schon vorher ausgeübte privatärztliche Tätigkeit setzte der Kläger fort.

Mit Schreiben vom 15. November 2000, 24. Januar 2001 und 5. März 2001 forderte das BEV den Kläger auf, im Hinblick auf § 53 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) gem. § 62 BeamtVG sein Erwerbseinkommen offen zu legen und durch geeignete Unterlagen nachzuweisen. Dies verweigerte der Kläger nachhaltig. Daraufhin kürzte das BEV ab dem 1. Juni 2001 nach entsprechender Ankündigung das Ruhegehalt des Klägers gem. § 62 Abs. 3 BeamtVG “vorläufig” um 5 % oder 383,62 DM brutto monatlich. Dieser Einbehalt wurde fortlaufend verlängert.

Dagegen wendet sich der Kläger. Er hat die Auffassung vertreten, § 53 BeamtVG solle nur Doppelbelastungen der öffentlichen Haushalte durch Zahlung von Versorgungsbezügen und sonstigen Leistungen unterschiedlicher öffentlich-rechtlicher Träger verhindern. Daher scheide eine sinngemäße Anwendung dieser Bestimmung auf seine Einkünfte aus privatärztlicher Tätigkeit trotz der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf das BeamtVG aus. Darüber hinaus habe er auf die Nichtanrechnung seiner Privateinkünfte vertrauen dürfen, da er auch schon während seiner aktiven Dienstzeit die privatärztliche Tätigkeit ohne Nebentätigkeitsgenehmigung und anrechnungsfrei habe ausüben dürfen. Dies sei ihm mit dem Vermerk vom 12. August 1986 ausdrücklich bestätigt worden. Erst recht müsse diese Tätigkeit anrechnungsfrei nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis möglich sein, weil nunmehr eine Kollision mit den vertraglichen Verpflichtungen als Bahnarzt völlig ausgeschlossen sei. Abgesehen davon sei § 53 BeamtVG verfassungswidrig.

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

  • die Beklagte zu verurteilen, an ihn 588,43 Euro nebst 9,26 % Zinsen aus 196,14 Euro seit dem 1. Juni 2001, aus 196,14 Euro seit dem 1. Juli 2001 und aus 196,14 Euro seit dem 1. August 2001 zu zahlen;
  • festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, die Versorgungsbezüge des Klägers um monatlich 5 % zu kürzen, solange der Kläger nicht den geforderten “Anzeigepflichten eines Beamten im Ruhestand gem. § 62 Abs. 2 BeamtVG” nachkommt;
  • festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, auf die Versorgungsbezüge des Klägers Einkünfte aus privatärztlicher Tätigkeit gem. § 53 BeamtVG anzurechnen.

Widerklagend hat die Beklagte beantragt,

den Kläger zu verurteilen, Auskunft darüber zu erteilen, welche Einkünfte er ab 1. November 2000 aus privatärztlicher Tätigkeit erzielt hat.

Ihren Antrag auf Klageabweisung hat sie mit der Auffassung begründet, die Arbeitsverträge hätten stets dynamisch auf das BeamtVG und damit auch auf § 53 BeamtVG verwiesen. Aus der Mitteilung vom 12. August 1986 könne der Kläger keinen Vertrauensschutz hinsichtlich der Behandlung seiner Einkünfte aus privatärztlicher Nebentätigkeit ableiten, da es damals nur um die Anwendung des Nebentätigkeitsbegrenzungsgesetzes und nicht um die Frage der Anrechnung von Einkünften aus Nebentätigkeiten auf Versorgungsbezüge gegangen sei. Da § 53 BeamtVG nicht verfassungswidrig sei, müsse der Kläger nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG seine Einkünfte offen legen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die Berufung der Beklagten war erfolgreich. Mit der zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die beklagte Bundesrepublik ist berechtigt, die Einkünfte des Klägers aus privatärztlicher Tätigkeit auf seine Versorgungsbezüge nach § 53 Abs. 1, 2 und 7 BeamtVG anzurechnen. Der Kläger ist weiter gem. § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG verpflichtet, der Beklagten seine Einkünfte aus privatärztlicher Tätigkeit offen zu legen. Da er dieser Pflicht schuldhaft nicht nachkommt, ist die Beklagte weiter berechtigt, seine Versorgungsbezüge iHv. 5 % monatlich nach § 62 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG zu kürzen.

  • Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass die Arbeitsverträge des Klägers dynamisch auf die Regelungen des BeamtVG und damit auch auf die §§ 53, 62 BeamtVG verweisen.

    1. Wie die Parteien in der Revisionsinstanz ausdrücklich bestätigt haben, handelt es sich bei den zwischen den bundesweit tätigen Einrichtungen der Beklagten und dem Kläger abgeschlossenen Arbeitsverträgen um typische, in einer Vielzahl von Fällen verwendete standardisierte Formulararbeitsverträge. Solche typisierten Erklärungen unterliegen der unbeschränkten revisionsgerichtlichen Kontrolle (BAG 17. Dezember 1960 – 3 AZR 125/59 – BAGE 10, 271, 277 f.; 3. Mai 1979 – 2 AZR 679/77 – BAGE 32, 7, 9 f.; 20. Juni 1985 – 2 AZR 427/84 – AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 33 = EzA KSchG § 4 Ausgleichsquittung Nr. 1, zu B I 2 der Gründe).

    2. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AV 97 ist auf die Versorgungsansprüche des Klägers das BeamtVG “in der jeweils geltenden Fassung” sinngemäß anzuwenden. Dies ist bereits ihrem Wortlaut nach eine sogenannte dynamische Verweisungsklausel, die sachgerecht ist und am besten den Interessen beider Vertragsparteien entspricht (BAG 16. August 1988 – 3 AZR 61/87 – AP BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 8, zu 2b der Gründe; 22. Februar 2000 – 3 AZR 39/99 – AP BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 13 = EzA BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 3, zu B I der Gründe). Insoweit hat der AV 97 die frühere Versorgungsregelung beibehalten. Zwar enthielt § 15 Abs. 1 AV 78 eine solche ausdrückliche Jeweiligkeitsklausel nicht (“Versorgung … nach den Bestimmungen für die Beamten …”). Gleichwohl war auch insoweit von einer dynamischen Verweisung auszugehen. Da umfassend auf die Versorgung der Bahnbeamten verwiesen wurde, handelte es sich um keine statische, sondern um eine dynamische Verweisung. Die Zusage einer von der jeweils geltenden Versorgungsordnung abgekoppelten Betriebsrente ist die Ausnahme und muss deswegen deutlich zum Ausdruck gebracht werden. Eine statische Verweisung lässt sich nicht damit begründen, dass in der Bezugnahme auf die Beamtenversorgung die Worte “in der jeweils geltenden Fassung” fehlen (BAG 20. August 2002 – 3 AZR 14/01 – AP BetrAVG § 1 Überversorgung Nr. 9).

    3. Damit ist für die Versorgung des Klägers auch auf § 53 BeamtVG in der jeweils gültigen Fassung verwiesen. Dies berechtigt die Beklagte, auf die Versorgungsbezüge des Klägers wegen Dienstunfähigkeit seine privatärztlich weiterhin erzielten Einkünfte anzurechnen. Der Kläger ist im Alter von 56 Jahren und 10 Monaten dienstunfähig bei der Beklagten ausgeschieden, ohne dass dies auf einem Dienstunfall beruht hätte. Er bezieht aus seiner selbstständigen privatärztlichen Tätigkeit weiterhin Erwerbseinkommen iSd. § 53 Abs. 7 Satz 1 BeamtVG. Deshalb erhält er seine Versorgungsbezüge nach § 53 Abs. 1 BeamtVG nur bis zum Erreichen der in § 53 Abs. 2 Nr. 3 BeamtVG bezeichneten Höchstgrenze. Nach § 53 Abs. 5 BeamtVG ist dem Kläger bei der Anrechnung der diese Grenze übersteigenden Einkünfte jedoch mindestens ein Betrag iHv. 20 vH seines jeweiligen Versorgungsbezuges zu belassen. Entgegen der Auffassung der Revision stehen der Anwendung von § 53 BeamtVG auf die Versorgung des Klägers keine rechtlichen Hindernisse entgegen.

    a) Die Revision beruft sich ohne Erfolg auf die Vertragsklausel, der zufolge die Vorschriften des BeamtVG auf die Versorgung des Klägers nur “sinngemäß” anzuwenden sind. Zwar dürfen auch bei einer umfassenden Verweisung auf das Beamtenrecht solche Bestimmungen nicht herangezogen werden, deren Anwendung auf Nichtbeamte sinnwidrig wäre (BAG 14. Juli 1970 – 3 AZR 410/69 – AP BGB § 242 Ruhegehalt – Beamtenversorgung Nr. 1, zu 2 der Gründe; BGH 20. Oktober 1977 – II ZR 25/77 – AP BGB § 242 Ruhegehalt – Beamtenversorgung Nr. 5, zu 1a der Gründe). Diese Einschränkung gewinnt jedoch im vorliegenden Fall keine Bedeutung. Die Höchstgrenzen- und Anrechnungsregelungen des § 53 BeamtVG gehören zu den Bestimmungen, die auf Arbeitsverhältnisse entsprechend angewendet werden können (BAG 11. Dezember 1990 – 3 AZR 438/89 –, zu II 1 der Gründe). Sinn und Zweck des § 53 BeamtVG ist es, die aus den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums folgende Alimentationspflicht des Staates in den Fällen zu begrenzen, in denen ein Ruhestandsbeamter, der vor Erreichen der Altersgrenze von 65 Jahren wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt wird, neben seinen Versorgungsbezügen Erwerbseinkommen bezieht und die Summe beider über der Höchstgrenze des § 53 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 BeamtVG liegt. Es gibt keinen Grund, diese Bestimmung bei einer der beamtenrechtlichen Alimentation entsprechenden Versorgung in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis des öffentlichen Dienstes nicht anzuwenden. Auch gegenüber dem Kläger ist die öffentliche Hand nicht verpflichtet, Zusatzeinkommen im Zeitraum vorzeitiger Zurruhesetzung bis zum Erreichen der Altersgrenze ungekürzt hinzunehmen.

    Ohne Erfolg macht die Revision geltend, § 53 BeamtVG sei auf die Versorgungsbezüge des Klägers “sinngemäß” nicht anwendbar, weil der Kläger keine beamtenmäßige Alimentation erhalte, sondern vereinbarte Versorgungsbezüge. Die Verweisung auf das BeamtVG gilt nicht nur für die Höhe der Pension, sondern auch für etwaige Einschränkungen, da arbeitsvertraglich umfassend auf das BeamtVG verwiesen ist. Zu Recht hat bereits das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, dass lediglich die begünstigenden Regelungen, nicht aber die belastenden Bestimmungen einbezogen werden sollten.

    b) Der Anrechnung des durch privatärztliche Tätigkeit erzielten Erwerbseinkommens des Klägers auf seine Versorgungsbezüge steht auch kein schützenswertes Vertrauen aus individuellen Zusagen entgegen. Aus dem Vermerk vom 12. August 1986 konnte der Kläger ein solches schützenswertes Vertrauen nicht entwickeln. Der Vermerk behandelt nicht die Frage der Anrechnung von Erwerbseinkommen aus Nebentätigkeit, und zwar weder während der aktiven Dienstzeit noch bei Ruhestandsbezügen. Der Vermerk beschäftigt sich allein mit der Genehmigungspflicht und dem Umfang der Nebentätigkeiten, die durch das Nebentätigkeitsbegrenzungsgesetz geregelt werden. Selbst wenn man beim als Bahnarzt auch mit dienstrechtlichen Fragen befassten Kläger Unkenntnis des Dienstrechts unterstellt, musste für ihn erkennbar sein, dass die Frage der Genehmigung von Nebentätigkeiten nichts zu tun hat mit dem Problem der Anrechnung von Nebentätigkeitseinkünften auf Versorgungsbezüge.

    c) Die mit der dynamischen Verweisung auf das BeamtVG in Bezug genommene Anrechnungsbestimmung des § 53 BeamtVG verstößt nicht gegen zwingende Bestimmungen des Betriebsrentenrechts, insbesondere nicht gegen § 5 Abs. 2 BetrAVG. Diese Vorschrift verbietet nur die Schmälerung der betrieblichen Altersversorgung durch bestimmte andere Versorgungsbezüge. Eine Versorgungszusage kann vorsehen, dass Einkünfte des Versorgungsberechtigten aus selbstständiger oder unselbstständiger Tätigkeit auf die Versorgungsleistungen angerechnet werden dürfen, soweit nicht im Einzelfall gegen das Verbot der Willkür und der unsachlichen Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern verstoßen wird (BAG 9. Juli 1991 – 3 AZR 337/90 – BAGE 68, 119). Derartige Verstöße sind vorliegend nicht ersichtlich. Die in § 53 BeamtVG seit dem 1. Januar 1999 enthaltene Anrechnung auch von Erwerbseinkommen, das außerhalb des öffentlichen Dienstes erzielt wird, dient vielmehr der Gleichstellung der Beamten mit den aus der gesetzlichen Rentenversicherung Berechtigten. Dort bestanden schon früher die bis heute geltenden Anrechnungsbestimmungen für das Zusammentreffen von Renten wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit und Hinzuverdienst (vgl. jetzt § 96a SGB VI). Da der in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis beschäftigte Kläger auf Grund der ihm zugesagten beamtenförmigen Versorgung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI versicherungsfrei im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung blieb, ist gerade eine Vorschrift wie § 53 BeamtVG auf seine Versorgungsansprüche anzuwenden, die das Recht der Beamtenversorgung an das Rentenversicherungsrecht angleichen soll.

    d) § 53 Abs. 2 BeamtVG in der Fassung der Versorgungsreformgesetze 1998 und 2001 begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

    Die beamtenrechtlichen Versorgungsvorschriften sind an Art. 33 Abs. 5 GG zu messen, der als lex specialis Art. 14 GG vorgeht. § 53 BeamtVG verstößt nicht gegen Art. 33 Abs. 5 GG. Zwar muss der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Beamtenversorgung das zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums zählende Alimentationsprinzip beachten. Er hat aber dabei einen weiten Gestaltungsspielraum. Die angemessene, lebenslange Alimentation des Beamten und seiner Familie ist auch nach Einführung der Anrechnungs- bzw. Ruhensvorschriften des § 53 BeamtVG noch gewährleistet (BVerfG 30. September 1987 – 2 BvR 933/82 – BVerfGE 76, 256, 294 f.; BAG 22. Februar 2000 – 3 AZR 39/99 – AP BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 13 = EzA BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 3, zu B VI 1 der Gründe, beide zu § 55 BeamtVG). Der Ausgleich eines über die Höhe der vollen ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge hinausgehenden Vorteils aus dem Wegfall der Dienstpflicht ist verfassungsrechtlich zulässig (BVerwG 18. September 1997 – 2 C 35.96 – BVerwGE 105, 226, zu 3 der Gründe).

    § 53 BeamtVG verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser gebietet dem Gesetzgeber, unter stetiger Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (BVerfG 15. Juli 1998 – 1 BvR 1554/89, 963, 964/94 – BVerfGE 98, 365 mwN). Dabei genügt im Regelungsbereich des Besoldungs- und Versorgungsrechts ein sachlicher Grund für eine gesetzliche Differenzierung, der Gesetzgeber muss nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste aller möglichen Lösungen gewählt haben (BVerfG 29. November 1989 – 1 BvR 1402, 1528/87 – BVerfGE 81, 108, 117 f.; 8. Oktober 1991 – 1 BvL 50/86 – BVerfGE 84, 348, 359). Daher ist entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung die Differenzierung bei der Festlegung der Höchstgrenzen zwischen Beamten, deren Dienstunfähigkeit auf einem Dienstunfall beruht und anderen dienstunfähigen Beamten nicht zu beanstanden. Bei einem Dienstunfall trifft den Dienstherrn eine erhöhte Fürsorgepflicht, was ein sachgerechter Differenzierungsgrund für die Festlegung der Höchstgrenzen im Rahmen des § 53 Abs. 2 BeamtVG ist.

    Auch die arbeitsvertragliche Übernahme der §§ 53, 62 BeamtVG widerspricht nicht verfassungsrechtlichen Wertungen. Diese sind über die Generalklauseln des BGB zu berücksichtigen. Zwar zählen die Betriebsrentenansprüche des Klägers zu den durch Art. 14 GG geschützten Rechtspositionen. Jedoch geht der Schutz nicht weiter als der konkrete Vertragsinhalt, bloße Chancen und Erwartungen werden nicht geschützt. Integraler Bestandteil des Betriebsrentenanspruchs des Klägers sind die jeweils geltenden Vorschriften des BeamtVG. Verfassungsgemäße Änderungen des BeamtVG stellen daher keinen Eingriff in die Versorgungsrechte des Klägers dar, sondern legen lediglich den aktuellen Anspruchsinhalt fest.

  • Die Beklagte darf dem Kläger seine Versorgung iHv. 5 % monatlich nach § 62 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG entziehen, da er der ihm nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG obliegenden Verpflichtung schuldhaft nicht nachgekommen ist.

    1. Infolge der dynamischen Verweisung auf die beamtenrechtlichen Versorgungsregelungen nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AV 97 gehört auch § 62 BeamtVG zu den sinngemäß auf das Versorgungsverhältnis des Klägers anwendbaren Vorschriften. Zudem ist in § 15 Abs. 2 Satz 3 AV 97 ausdrücklich die Entscheidung über den Entzug der Versorgung angesprochen worden.

    2. Der Kläger ist als Versorgungsberechtigter nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG verpflichtet, der Versorgungsbehörde den Bezug und jede Änderung von Einkünften iSd. § 53 BeamtVG unverzüglich anzuzeigen. Darüber hinaus ist er auf Verlangen nach § 62 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG verpflichtet, Nachweise vorzulegen oder der Erteilung erforderlicher Nachweise oder Auskünfte, die für die Versorgungsbezüge erheblich sind, durch Dritte zuzustimmen. Diese Auskunftspflicht, die sich wegen der “Kürzungsgrenze” nach § 53 BeamtVG auch auf die genaue Höhe seiner privatärztlich erzielten Einkünfte bezieht (Stadler in Fürst GKÖD Band I Kommentar BeamtVG O § 62 Rn. 17) hat der Kläger schuldhaft iSd. § 62 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG verletzt. Der Kläger hat die Auskunft vorsätzlich und trotz mehrmaliger, ausdrücklicher Belehrung über die Anzeigepflicht und die versorgungsrechtlichen Folgen einer unterlassenen Anzeige verweigert. Die schließlich von der Beklagten vorgenommene Entziehung seiner Versorgungsbezüge iHv. 5 % monatlich ist ermessensfehlerfrei iSd. § 62 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG. Auf Grund der verweigerten Auskunft ist der Umfang der Einkünfte des Klägers aus privatärztlicher Tätigkeit unbekannt. Diese kann den seitens der Beklagten gewählten geringen Betrag von 5 % bei weitem übersteigen. Zudem erlöschen die entzogenen Versorgungsbezüge nicht endgültig, da sie später wieder zuerkannt werden können. Die Beklagte hat von dem Druckmittel des § 62 Abs. 3 BeamtVG nur in sehr schonender Weise Gebrauch gemacht.

  • Entsprechend der Berechtigung der Beklagten, die Versorgungsbezüge ab dem 1. Juni 2001 zu kürzen, ist die Zahlungsklage für die Monate Juni bis August 2001 unbegründet. Die Widerklage ist nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AV 97 iVm. § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG begründet. Der Kläger hat Auskunft darüber zu erteilen, welche Einkünfte er ab dem 1. November 2000 aus privatärztlicher Tätigkeit erzielt hat.
 

Unterschriften

Reinecke, Kremhelmer, Breinlinger, Lohre

Der ehrenamtliche Richter Reissner ist durch Urlaub an der Unterschrift gehindert.

Reinecke

 

Fundstellen

NWB 2003, 3508

ARST 2004, 45

FA 2004, 215

FA 2004, 22

ZTR 2004, 386

EzA-SD 2003, 3

ZfPR 2004, 84

GuS 2003, 58

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