Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderungsschutzklage bei überflüssiger Änderungskündigung

 

Orientierungssatz

Eine Änderungsschutzklage nach § 4 Satz 2 KSchG ist unbegründet, wenn die vom Arbeitgeber mit der Änderungskündigung angebotenen Arbeitsbedingungen ohnehin bereits für das Arbeitsverhältnis gelten und die Änderungskündigung deshalb ins Leere geht.

 

Normenkette

TVG § 1; KSchG §§ 2, 4, 7 Hs. 2

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Entscheidung vom 06.03.1987; Aktenzeichen 5 Sa 1602/86)

ArbG Münster (Entscheidung vom 26.06.1986; Aktenzeichen 2 Ca 1722/85)

 

Tatbestand

Der der Deutschen Postgewerkschaft angehörende Kläger wurde seit dem 1. September 1973 von der Beklagten für das Fernmeldehandwerk ausgebildet. Nach Bestehen der Abschlußprüfung wurde er aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 3. Februar 1976 mit Wirkung vom 25. Februar 1976 als Fernmeldehandwerker eingestellt und erhielt einen Lohn nach Lohngr. II der Anlage 2 zum TV Arb (Bundespost). In dem formularmäßig abgeschlossenen Arbeitsvertrag ist ferner bestimmt, daß die Bestimmungen des Tarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundespost (TV Arb) und der sonstigen Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Bundespost in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Vertragsparteien vereinbart gelten. Aufgrund des Änderungsvertrages vom 31. August 1978 wurde der Kläger mit Wirkung vom 1. September 1978 in die Lohngr. II a der Anlage 2 zum TV Arb höhergruppiert. Ab 1. Dezember 1980 erhielt er aufgrund des Änderungsvertrages vom 5. Dezember 1980 Lohn nach Lohngruppe I a der Anlage 2 zum TV Arb und wurde als "Nachwuchskraft" in einer Funkstörungsmeßstelle mit Beamtentätigkeiten beschäftigt. Damit wurde ihm die Möglichkeit eröffnet, sich innerhalb von zwei Jahren durch die Beschäftigung auf Beamtendienstposten des mittleren fernmeldetechnischen Dienstes sowie durch die Teilnahme an drei Lehrgängen die Kenntnisse und Fertigkeiten anzueignen, die zum Ablegen der Laufbahnprüfung für den mittleren fernmeldetechnischen Dienst erforderlich sind.

Am 26. November 1982 bestand der Kläger die Laufbahnprüfung. Eine Übernahme in das Beamtenverhältnis lehnte er mit Schreiben vom 30. November 1982 ab. Seit dem Bestehen der Prüfung wird er mit folgenden Aufgaben beschäftigt:

1. Funkanlagen und Hochfrequenzgeräte im Rahmen

der Genehmigung oder nach Prüfplan prüfen

2. Meßhilfe für Dritte (Handel, Industrie) lei-

sten

3. Funkstörungsmeldungen nach FTZ-Richtlinie

A 44 R 9 bearbeiten

4. Beratungen mit Außendienst durchführen

5. Funkversorgung feststellen

6. Bei Planung posteigener Gemeinschaftsanten-

nenanlagen und BK-Kopfstellen mitwirken

7. Betreiber und Hersteller von Funkanlagen und

HF-Geräten über Fernmeldehoheitsrecht, Benut-

zungsrecht und Strafbestimmungen unterrichten

8. Verhandlungen zur Beseitigung von Mängeln oder

Auflagenverstößen führen, Polizei beteiligen.

Da der Kläger nach Auffassung der Beklagten mit Bestehen der Laufbahnprüfung nicht mehr dem TV Arb unterfiel, beabsichtigte sie, auf das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des Tarifvertrages für die Angestellten der Deutschen Bundespost (TV Ang) anzuwenden. Dem widersprach der Kläger, woraufhin sich die Beklagte gehalten sah, das Arbeitsverhältnis zum Zwecke der Änderung des Arbeitsvertrages zu kündigen. Der Personalrat, der Bezirkspersonalrat sowie der Hauptpersonalrat verweigerten die Zustimmung zur Eingruppierung des Klägers in die VergGr. VI a TV Ang und zur Änderungskündigung. Die Einigungsstelle stellte in ihrer Sitzung vom 1./2. Juli 1985 fest, daß ein Grund für die Verweigerung der Zustimmung zu der beabsichtigten Maßnahme nicht vorliege. Daraufhin entschied der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen, daß die Änderungskündigung auszusprechen sei.

Mit Schreiben vom 21. August 1985 erklärte die Beklagte dem Kläger gegenüber unter Einhaltung einer Kündigungsfrist zum 31. März 1986 eine Änderungskündigung "mit der Maßgabe", ihn ab 1. April 1986 in das Angestelltenverhältnis unter Eingruppierung in die VergGr. VI a TV Ang zu übernehmen. Daraufhin teilte der Kläger der Beklagten am 6. September 1985 mit, er sei zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den geänderten Bedingungen bereit, sofern nicht die Änderung des Rechtsverhältnisses sozial ungerechtfertigt sei.

Mit der am 10. September 1985 bei Gericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, daß die Änderung des Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 21. August 1985 - zugegangen am 22. August 1985 - unwirksam ist. Hierzu hat er vorgetragen, die Änderungskündigung sei sozial ungerechtfertigt, weil die Übernahme ins Angestelltenverhältnis zu erheblichen finanziellen Einbußen führe, ohne daß sich die auszuübende Tätigkeit ändere. Betriebsbedingte Gründe, die eine Änderungskündigung rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich und auch von der Beklagten nicht vorgetragen. Insbesondere könne die Beklagte nicht erfolgreich darauf verweisen, ein einfacher Verstoß gegen Tarifnormen oder sozialversicherungsrechtliche Vorschriften rechtfertige ohne weiteres die Änderungskündigung. Das Kündigungsschutzgesetz sei vielmehr auf den Einzelfall bezogen und vertrage sich nicht mit einer generell abstrakten Automatik des Rechtsvollzuges, wie dies offenbar der Beklagten vorschwebe. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe die Bezugnahme des TV Arb im Arbeitsvertrag wegen der beiderseitigen Tarifbindung nicht nur deklaratorische Bedeutung, sondern damit sei der Kläger der Statusgruppe der Arbeiter unabhängig vom Geltungsbereich der Tarifverträge zugeordnet worden, was rechtlich unbedenklich möglich und zulässig sei. Es treffe auch nicht zu, daß der Arbeitsvertrag mit Übertragung angestelltenversicherungspflichtiger Tätigkeiten in seinem wesentlichen Bestandteil einverständlich geändert worden sei. Denn wenn auch der Kläger damit einverstanden gewesen sei, liege darin noch keine Vertragsänderung im Hinblick auf die Zuordnung zu einem der beiden Manteltarifverträge, zumal der TV Arb auch für die Ausübung angestelltenversicherungspflichtiger Tätigkeiten gegolten habe. Es bestehe darüber hinaus auch nicht die Notwendigkeit, den Kläger ins Angestelltenverhältnis zu übernehmen, wie die Verfügung des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen vom 15. November 1971 - 322-1 8631-0 - zeige. Darin sei im Einvernehmen mit der Deutschen Postgewerkschaft festgelegt, daß im Einzelfall von der Übernahme in das Angestelltenverhältnis abgesehen werden könne. Schon seit 1976 bestehe zwischen den Tarifvertragsparteien Einigkeit darüber, daß die rentenversicherungspflichtige Zuordnung nicht mehr den heutigen Arbeitsplatzanforderungen entspreche. Dementsprechend sei 1985 der Tarifvertrag Nr. 378 abgeschlossen worden. Danach unterfielen alle im einfachen Dienst beschäftigten Arbeitnehmer dem TV Arb. Damit sei sichergestellt worden, daß Arbeitnehmer mit angestelltenversicherungspflichtigen Tätigkeiten im Bereich des einfachen Dienstes im Rechtsverhältnis eines Arbeiters verbleiben könnten, um so Einkommensverluste von 300,-- DM bis 600,-- DM zu verhindern. Eine abweichende Zuordnung sei auch in anderen Bereichen möglich, wie beispielsweise nach den Entlohnungsregelungen für Arbeiter auf Beamtendienstposten A 7 oder höher im mittleren nichttechnischen Dienst, für die Beschäftigten im Briefabgangsdienst (BPM-Verfügung 322-6 A 6323-0/1 vom 30. Mai 1979) sowie die Beschäftigten im Codierdienst.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß die Änderung des Rechtsver-

hältnisses zwischen den Parteien im Zusammen-

hang mit der Änderungskündigung vom 21.08.1985

- zugegangen am 22.08.1985 - unwirksam ist.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und erwidert, die Änderungskündigung sei sozial gerechtfertigt, weil die Bestimmungen des TV Ang aufgrund beiderseitiger Tarifbindung mit unmittelbarer und zwingender Wirkung anzuwenden seien. Außerdem sei die betriebsbedingte Änderungskündigung aufgrund zwingender sozialversicherungsrechtlicher Normen gerechtfertigt. Soweit im Arbeitsvertrag der Parteien auf den TV Arb Bezug genommen werde, komme dem in Anbetracht der beiderseitigen Tarifbindung nur deklaratorische Bedeutung zu. Darüber hinaus sei der Kläger mit der Übertragung angestelltenversicherungspflichtiger Tätigkeiten einverstanden gewesen und wolle diese auch weiterhin ausüben, womit der Arbeitsvertrag in seinem wesentlichen Bestandteil einverständlich geändert worden sei. Dem müsse durch die Anwendung des TV Ang Rechnung getragen werden, da die laufbahnmäßigen Gründe durch das Bestehen der Laufbahnprüfung weggefallen seien. Eine Wahlmöglichkeit zwischen der Geltung des TV Arb und TV Ang bestehe nicht. Auch die Verfügung des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen 322-1 8631-0 vom 15. November 1971 in der Fassung der Verfügung 322-2 A 6420-1 vom 11. Dezember 1981 eröffne keine Wahlmöglichkeit, sondern gestehe diese lediglich Mitgliedern der Personalvertretungen zu. Es treffe auch nicht zu, daß der Kläger durch die Einstufung in den TV Ang finanziell belastet werde.

Das Arbeitsgericht hat nach dem Antrag des Klägers erkannt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.

Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision konnte keinen Erfolg haben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.

I. Der vom Kläger erhobenen Änderungsschutzklage konnte schon deshalb nicht stattgegeben werden, weil für das Arbeitsverhältnis des Klägers bereits kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit unmittelbar und zwingend der Tarifvertrag für die Angestellten der Deutschen Bundespost (TV Ang) gilt, ohne daß es dazu einer Änderungskündigung der Beklagten überhaupt bedurft hätte.

1. Bei bestehender Tarifbindung richtet sich die Frage, unter welchen von mehreren in Betracht kommenden Tarifverträgen ein Arbeitsverhältnis fällt, nach dem im jeweiligen Tarifvertrag bestimmten Geltungsbereich. Danach unterfällt der Kläger dem Geltungsbereich des TV Arb nicht. Dessen § 1 lautet:

(1) Dieser Tarifvertrag gilt für Arbeitnehmer, die ei-

ne arbeiterrentenversicherungspflichtige Tätigkeit

bei der Deutschen Bundespost ausüben, auch wenn

für sie eine Versicherungspflicht nicht besteht

(Arbeiter).

(2) Dieser Tarifvertrag gilt auch für Arbeiter, die

a) mit angestelltenversicherungspflichtigen Tätig-

keiten beschäftigt werden, wenn diese in den

Tätigkeitsmerkmalen der Anlage 2 ausdrücklich

aufgeführt sind,

b) ein Arbeitsverhältnis bei der Deutschen Bundes-

post eingegangen sind, das sich nach dem Tarif-

vertrag für die Angestellten der Deutschen Bun-

despost (TV Ang) regelt, aber länger als sechs

Monate ununterbrochen eine arbeiterrentenver-

sicherungspflichtige Tätigkeit (Absatz 1) aus-

üben,

c) aus laufbahnmäßigen Gründen im mittleren techni-

schen Beamtendienst mit angestelltenversiche-

rungspflichtigen Tätigkeiten beschäftigt werden,

d) mit angestelltenversicherungspflichtigen Beam-

tentätigkeiten des einfachen Dienstes beschäf-

tigt werden.

(3) Dieser Tarifvertrag gilt nicht für Personen, die für

einen fest umgrenzten Zeitraum ausschließlich oder

überwiegend zum Zwecke ihrer Vor- oder Ausbildung be-

schäftigt werden, insbesondere Auszubildende, die un-

ter die Geltungsbereiche des Tarifvertrags für die

Auszubildenden der Deutschen Bundespost oder des Ta-

rifvertrags für die Auszubildenden zum Sozialversiche-

rungsfachangestellten fallen.

a) Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 TV Arb erfüllt der Kläger nicht, da er keine arbeiterrentenversicherungspflichtige Tätigkeit ausübt. Gegen die zutreffende Würdigung des Landesarbeitsgerichts, bei den im Tatbestand unter Nr. 1 bis 8 aufgeführten, dem Kläger im Jahre 1982 nach Ablegen der Laufbahnprüfung übertragenen Aufgaben handele es sich um angestelltenversicherungspflichtige Tätigkeiten, wendet sich auch die Revision nicht.

b) Die Anwendbarkeit des TV Arb ergibt sich auch nicht aus dessen § 1 Abs. 2. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Buchstabe a TV Arb sind schon deshalb nicht erfüllt, weil für die vom Kläger auszuübenden Tätigkeiten keine tariflichen Tätigkeitsmerkmale in der Anlage 2 zum TV Arb enthalten sind. Eine Anwendung des § 1 Abs. 2 Buchstabe b TV Arb muß daran scheitern, daß der Kläger eine angestelltenversicherungspflichtige Tätigkeit ausübt. Der Kläger wird auch nicht mehr im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchstabe c TV Arb aus laufbahnmäßigen Gründen im mittleren technischen Beamtendienst mit angestelltenversicherungspflichtigen Tätigkeiten beschäftigt, da er die Laufbahnprüfung erfolgreich abgelegt hat. Schließlich unterfällt der Kläger dem Geltungsbereich dieses Tarifvertrages auch nicht nach § 1 Abs. 2 Buchstabe d TV Arb. Denn er wird unstreitig nicht mit angestelltenversicherungspflichtigen Beamtentätigkeiten des einfachen Dienstes, sondern des mittleren fernmeldetechnischen Dienstes beschäftigt.

2. Der Kläger unterfällt vielmehr dem Geltungsbereich des Tarifvertrags für die Angestellten der Deutschen Bundespost (TV Ang), dessen § 1 wie folgt lautet:

(1) Dieser Tarifvertrag gilt für Arbeitnehmer, die ei-

ne angestelltenversicherungspflichtige Tätigkeit

bei der Deutschen Bundespost ausüben, auch wenn für

sie eine Versicherungspflicht nicht besteht (Ange-

stellte).

(2) Dieser Tarifvertrag gilt auch für Angestellte, die

a) mit arbeiterrentenversicherungspflichtigen Tä-

tigkeiten beschäftigt werden, wenn diese in den Tä-

tigkeitsmerkmalen der Anlage 2 ausdrücklich auf-

geführt sind,

b) ein Arbeitsverhältnis bei der Deutschen Bundes-

post eingegangen sind, das sich nach dem Tarif-

vertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost

(TV Arb) regelt, aber länger als sechs Monate un-

unterbrochen eine angestelltenversicherungspflich-

tige Tätigkeit (Absatz 1) ausüben.

(3) Dieser Tarifvertrag gilt nicht für

a) Arbeitnehmer, die aus laufbahnmäßigen Gründen im

mittleren technischen Beamtendienst mit angestell-

tenversicherungspflichtigen Tätigkeiten beschäftigt

werden,

b) Arbeitnehmer, die mit angestelltenversicherungs-

pflichtigen Beamtentätigkeiten des einfachen Dien-

stes beschäftigt werden,

c) Personen, die für einen fest umgrenzten Zeitraum

ausschließlich oder überwiegend zum Zwecke ihrer

Vor- oder Ausbildung beschäftigt werden, insbeson-

dere Auszubildende, die unter die Geltungsbereiche

des Tarifvertrags für die Auszubildenden der Deut-

schen Bundespost oder des Tarifvertrags für die

Auszubildenden zum Sozialversicherungsfachangestell-

ten fallen,

d) Post-Betriebsärzte,

e) nichtvollbeschäftigte Dozenten an Fachhochschulen

oder Akademien der Deutschen Bundespost.

Da der Kläger eine angestelltenversicherungspflichtige Tätigkeit ausübt, ohne daß dies seit dem 27. November 1982 auf laufbahnmäßigen Gründen beruht (§ 1 Abs. 3 Buchstabe a TV Ang), fällt er bereits unter § 1 Abs. 1 TV Ang, ohne daß es hierzu einer Heranziehung des § 1 Abs. 2 Buchstabe b TV Ang bedarf. Zwar galt für sein Arbeitsverhältnis bis zum 27. November 1982 gemäß § 1 Abs. 2 Buchstabe c TV Arb § 1 Abs. 3 Buchstabe a TV Ang unmittelbar der TV Arb. Spätestens aber ab 1. Juni 1983, d.h. nach länger als sechsmonatiger ununterbrochener angestelltenversicherungspflichtiger Tätigkeit, galt der TV Ang für das Arbeitsverhältnis des Klägers auch gemäß § 1 Abs. 2 Buchstabe b TV Ang.

3. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist der TV Arb auch nicht kraft einzelvertraglicher Vereinbarung anzuwenden. Zwar können die Parteien des Arbeitsvertrages gemäß § 4 Abs. 3 TVG zugunsten des Arbeitnehmers vom Tarifvertrag abweichende Vereinbarungen treffen. Jedoch haben sie vorliegend von dieser rechtlichen Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht. Insbesondere läßt sich aus dem zwischen den Parteien am 3. Februar 1976 geschlossenen Arbeitsvertrag, wie das Landesarbeitsgericht jedenfalls im Ergebnis zutreffend erkannt hat, nicht entnehmen, die Parteien hätten dem Arbeitsverhältnis den TV Arb auch für Zeiten zugrundelegen wollen, in denen der Kläger seinem Geltungsbereich nicht mehr unterfiel.

a) Bei Abschluß des Arbeitsvertrages haben sich die Parteien eines im Bereich der Beklagten vielfach verwendeten, mit "Arbeitsvertrag für Arbeiter" überschriebenen Vordrucks bedient, so daß ein typischer Arbeitsvertrag vorliegt, den das Revisionsgericht unbeschränkt und selbständig auslegen kann (BAGE 35, 7, 13 = AP Nr. 3 zu § 19 TV Arb Bundespost; BAGE 42, 349, 356 = AP Nr. 21 zu § 611 BGB Bühnenengagementsvertrag sowie das Urteil vom 18. September 1985 - 4 AZR 170/84 - AP Nr. 16 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer, jeweils m.w.N.).

b) Die in diesem Formularvertrag verwendete typische Klausel, durch die die Anwendung des TV Arb in seiner jeweiligen Fassung als zwischen den Parteien "unmittelbar vereinbart" gilt, macht diesen Tarifvertrag nicht unabhängig davon zum Inhalt des Arbeitsvertrages, ob das Arbeitsverhältnis noch seinem tariflichen Geltungsbereich unterfällt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAGE 25, 34, 42 = AP Nr. 6 zu § 4 TVG Nachwirkung; BAGE 27, 22, 30 f. = AP Nr. 8 zu § 4 TVG Nachwirkung; BAGE 34, 173, 178 = AP Nr. 7 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer) ist eine derartige Klausel regelmäßig dahin auszulegen, daß durch sie lediglich der jeweils bestehende Tarifstand widergespiegelt werden soll. Damit trägt die Rechtsprechung vor allem dem Umstand Rechnung, daß jedenfalls im Bereich des öffentlichen Dienstes die Arbeitsvertragsparteien regelmäßig die Anwendung des einschlägigen Tarifvertrages auch für den Fall gewährleisten wollen, daß er wegen fehlender Tarifbindung nicht unmittelbar für das Arbeitsverhältnis gilt. Jedenfalls im Bereich des öffentlichen Dienstes besagt deshalb eine formularmäßige Bezugnahme auf einen Tarifvertrag, der im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses im Falle der Tarifbindung für das Arbeitsverhältnis bereits unmittelbar gelten würde, regelmäßig nur, daß der jeweils einschlägige Tarifvertrag zumindest auch kraft einzelvertraglicher Vereinbarung angewendet werden solle. Mangels abweichender Anhaltspunkte des konkreten Einzelfalles bedeutet die Inbezugnahme demnach nicht, daß die Parteien den von ihnen bezeichneten Tarifvertrag auch für einen Zeitraum zum Inhalt des Arbeitsvertrages machen wollen, in dem er nach seinem Geltungsbereich für das Arbeitsverhältnis nicht mehr einschlägig ist und daher auch im Falle der Tarifbindung nicht mehr unmittelbar für dieses Arbeitsverhältnis gelten würde.

Derartige abweichende Anhaltspunkte sind im Entscheidungsfalle nicht ersichtlich. Der Kläger fiel bei Abschluß des Arbeitsvertrages (und auch noch im Zeitpunkt der Änderungsvereinbarungen vom 31. August 1978 und vom 5. Dezember 1980) unter den Geltungsbereich des TV Arb; es wurde also der für das Arbeitsverhältnis ohnehin einschlägige Tarifvertrag vereinbart. Auch hat der Kläger nichts dafür vorgetragen, durch den Arbeitsvertrag habe ihm eine besondere einzelvertragliche, über die einschlägigen tariflichen Vorschriften hinausgehende Rechtsposition eingeräumt werden sollen. Der Hinweis der Revision, dies ergebe sich daraus, daß alle Beteiligten eine Änderungskündigung für notwendig gehalten hätten, bezieht sich, falls er überhaupt zutrifft, auf eine falsche Rechtsansicht der Beteiligten, besagt aber nichts dafür, daß im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses der TV Arb in einer Weise zum Vertragsinhalt gemacht werden sollte, daß gerade seine Anwendung nur im Wege einer Vertragsänderung sollte entfallen können. Entgegen der Ansicht der Revision ist auch nicht ersichtlich, inwiefern die Existenz der Verfügung der Beklagten vom 15. November 1971 einen Anhaltspunkt dafür ergeben könnte, die vertragliche Inbezugnahme des TV Arb habe die Anwendung dieses Tarifvertrages auch für den Fall festschreiben sollen, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers dessen Geltungsbereich nicht mehr unterfiele.

Eine für den Kläger günstigere einzelvertragliche Vereinbarung ist entgegen der Auffassung der Revision auch nicht in der Weise zustande gekommen, daß die Beklagte dem Kläger die Möglichkeit eingeräumt hätte, für sein Arbeitsverhältnis zwischen der Anwendung des TV Ang und des TV Arb zu wählen. Soweit die Beklagte ihren Arbeitnehmern überhaupt eine derartige Wahlmöglichkeit eingeräumt hat, gilt dies ersichtlich nur für wenige und den Kläger nicht betreffende Ausnahmefälle, wie beispielsweise die von ihm benannten Beschäftigten im Briefabgangsdienst (vgl. Verfügung vom 30. Mai 1979 - 322 -6 A 6323-0/1 - abgedruckt im Anhang zu § 1 TV Ang Nr. 3/79). Der Grund hierfür liegt darin, daß durch eine Umbewertung von Dienstposten aus den auf diesen Dienstposten beschäftigten Angestellten nach § 1 TV Ang Arbeiter geworden sind. Für die vom Kläger benannten Beschäftigten im Codierdienst bestanden bis zum 31. August 1980 in der Anlage 2 zum TV Ang tarifliche Merkmale. Mit Wirkung vom 1. September 1980 sind durch den Tarifvertrag Nr. 363 entsprechende Tätigkeitsmerkmale in den TV Arb eingefügt und im TV Ang gestrichen worden. Aufgrund der Übergangsregelung in § 4 dieses Tarifvertrages können Arbeitnehmer im Angestelltenverhältnis verbleiben, wobei die im TV Ang enthaltenen Tätigkeitsmerkmale für sie weitergelten. Weitere Ausnahmen hat die Beklagte im Zusammenhang mit dem Tarifvertrag Nr. 378 vom 23. August 1985 zugelassen, der zum 1. Oktober 1985 in Kraft getreten ist. Mit diesem Tarifvertrag sind die angestelltenversicherungspflichtigen Beamtentätigkeiten des einfachen Dienstes dem Geltungsbereich des TV Arb zugeschlagen worden (§ 1 Abs. 2 Buchstabe d TV Arb). Für die davon betroffenen Angestellten hat die Beklagte zugestanden, daß sie im Angestelltenverhältnis verbleiben können und nur auf Wunsch die Bestimmungen des TV Arb Anwendung finden sollen (vgl. Verfügung vom 20. September 1985 - 322-6 A 6323-0/1 -).

Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, daß sich für das Begehren des Klägers auch in diesem Zusammenhang nichts aus der Verfügung der Beklagten vom 15. November 1971 herleiten läßt. Denn die Beklagte kann mit ihren Verfügungen nicht einseitig den Inhalt von Arbeitsverhältnissen bestimmen, sondern sie allenfalls im Wege einer vertraglichen Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis anwenden. Das ist vorliegend - wie oben ausgeführt - nicht der Fall. Überdies ergäbe sich selbst dann, wenn von der Geltung dieser Verfügung für das Arbeitsverhältnis des Klägers auszugehen wäre, kein für den Kläger günstigeres Ergebnis, da es unter Ziffer 7 der Verfügung ausdrücklich heißt: "Bei Arbeitern z.B. als Mitglieder der Personalvertretung ist auf ihren Wunsch von der Übernahme ins Angestelltenverhältnis abzusehen". Diese Regelung ist am 11. Dezember 1981 dahingehend klargestellt worden, daß die Wörter "z.B." gestrichen wurden. Die Ausnahmeregelung galt demnach ab diesem Zeitpunkt nur noch für Mitglieder der Personalvertretung. Da der Kläger die Laufbahnprüfung erst nach dieser Änderung abgelegt hat und keiner Personalvertretung angehört, erfüllt er die von der Verfügung aufgestellten Voraussetzungen nicht.

II. War mithin die Beklagte bereits wegen der unmittelbaren Geltung des TV Ang und des Fehlens einer abweichenden einzelvertraglichen Vereinbarung berechtigt, die Bestimmungen des TV Ang und insbesondere dessen Vergütungsregelung auf das Arbeitsverhältnis des Klägers anzuwenden, so ging zwar, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, die Änderungskündigung ins Leere. Gleichwohl ist die hier erhobene Änderungsschutzklage unbegründet. Bei der Änderungsschutzklage nach § 4 Satz 2 KSchG geht es nicht um den Bestand, sondern nur um den Inhalt des Arbeitsverhältnisses. Die Änderungsschutzklage zielt auf die Feststellung, daß für das Arbeitsverhältnis nicht die Arbeitsbedingungen gelten, die in dem mit der Kündigung verbundenen Änderungsangebot des Arbeitgebers enthalten sind. Die Frage, ob diese Arbeitsbedingungen gerade infolge der mit der Änderungskündigung angebotenen Vertragsänderung gelten, ob es also zu ihrer Herbeiführung der Änderungskündigung bedurfte oder ob die angebotenen Arbeitsbedingungen bereits ohnehin Grundlage des Arbeitsverhältnisses sind, ist daher nur eines der Elemente der Begründetheitsprüfung. Nur wenn die Arbeitsbedingungen, derer sich die Beklagte berühmt, nicht ohnehin gelten und es daher zu ihrer Herbeiführung einer vertraglichen Änderung des Arbeitsverhältnisses bedurfte, stellt sich insbesondere auch die Frage der sozialen Rechtfertigung ihrer Änderung. Das mit der Änderungsschutzklage verfolgte Klageziel kann der Kläger auch dann nicht erreichen, wenn die von ihm bekämpften Arbeitsbedingungen bereits ohne die ausgesprochene Änderungskündigung Inhalt des Arbeitsverhältnisses sind.

Mit seinem Begehren ist der Kläger unterlegen, so daß das Landesarbeitsgericht die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt hat.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Dr. Seidensticker Schliemann Dr. Steckhan

Kleeschulte Jubelgas

 

Fundstellen

Haufe-Index 441244

ZTR 1989, 27-29 (ST1-2)

Archiv PF 1989, 189-193 (ST1-4)

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