Entscheidungsstichwort (Thema)

Wegegeld

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach dem Bundesrahmentarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer im Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau in der Fassung vom 27.2.1987 besteht Anspruch auf Wegegeld für Arbeiten auf auswärtigen Baustellen. Das sind Arbeitsstellen außerhalb des Betriebssitzes oder Bauhofs. Nach dem tariflichen Gesamtzusammenhang ist hier unter dem Betriebssitz nicht die politische Gemeinde zu verstehen, in der sich der Betrieb befindet, sondern die Betriebsstätte. Damit steht einem Arbeiter, der in Berlin außerhalb der Betriebsstätte oder des Bauhofs arbeitet, Anspruch auf Wegegeld zu.

 

Orientierungssatz

Begriff des Betriebssitzes und des Bauhofes.

 

Normenkette

TVG § 1; BGB § 611

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Entscheidung vom 01.11.1988; Aktenzeichen 3 Sa 69/88)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 02.05.1988; Aktenzeichen 48 Ca 90/87)

 

Tatbestand

Der Kläger ist bei der Beklagten, einem Unternehmen des Garten-, Landschafts- und Sportplatzbaus, seit dem Jahre 1976 als Gartenbaufacharbeiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit der Bundes-Rahmentarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer im Garten-, Land- schafts- und Sportplatzbau (BRTV) Anwendung. In den Monaten August und Oktober 1987 war der Kläger auf der Baustelle S in Berlin 36 eingesetzt. Der Betrieb der Beklagten befindet sich in der M in Berlin 47. Von seiner Wohnung in der K a in Berlin 41 erreicht der Kläger den Betrieb der Beklagten mit öffentlichen Verkehrsmitteln in 25 Minuten. Zur Baustelle S benötigte er 42 Minuten.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Zahlung eines tariflichen Wegegeldes für den zeitlichen Mehraufwand von 17 Minuten begehrt. Dazu hat er die Auffassung vertreten, daß sich sein Anspruch aus § 12 Ziffer 3.1 und 3.2 BRTV in Verbindung mit § 12 Ziffer 1 BRTV ergebe. Die ab 1. April 1974 geltende tarifliche Sonderregelung für das Lohngebiet Berlin sei nach ihrer Kündigung durch die Gewerkschaft mit Schreiben vom 7. November 1980 weggefallen, nachdem sich die Tarifvertragsparteien in einem Gespräch vom 2. September 1981 darauf geeinigt hätten, daß an ihre Stelle die tariflichen Bestimmungen des BRTV treten sollten. Diese sähen einen Anspruch auf Wegegeld für Arbeitnehmer vor, die auf eine auswärtige Arbeitsstelle entsandt werden, wenn ihnen kein Auslösungsanspruch zustehe. Auswärtige Arbeitsstellen seien nach § 12 Ziffer 1 BRTV Arbeitsstellen außerhalb des Betriebssitzes oder Bauhofs. Betriebssitz oder Bauhof sei die Stelle, an der sich die Betriebsstätte bzw. der Bauhof befinde. Demnach stehe ihm nach § 12 Ziffer 3.2 BRTV Wegegeld für die Wegezeit von seiner Wohnung zur Baustelle S vermindert um die Wegezeit von seiner Wohnung zum Betrieb der Beklagten in der M zu.

Wegen Versäumung der tariflichen Ausschlußfrist ist die Klage zum Teil vom Arbeitsgericht durch Teilurteil vom 28. Januar 1988 abgewiesen worden.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn

153,14 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf

den sich aus einem Teilbetrag von 39,95 DM

brutto ergebenden Nettobetrag für die Zeit

vom 30. Oktober 1987 bis zum 4. Januar 1988

sowie den sich aus dem Gesamtbruttobetrag

ergebenden Nettobetrag seit dem 5. Januar 1988

zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, daß dem Kläger nach den tariflichen Bestimmungen kein Anspruch auf Wegegeld zustehe. Bei der Baustelle S habe es sich nicht um eine auswärtige Arbeitsstelle im Tarifsinne gehandelt. Arbeitsstellen außerhalb des Betriebssitzes im Sinne von § 12 Ziffer 1 BRTV seien nur Arbeitsstellen außerhalb der politischen Gemeinde, in der der Betrieb seinen Sitz habe. Außerhalb Berlins sei der Kläger aber nicht eingesetzt worden. Eine von den Tarifvertragsparteien in § 12 Ziffer 6 BRTV vorgesehene Sonderregelung für Großstädte bestehe für Berlin nicht mehr.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Schlußurteil in vollem Umfange abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile. Der Klage ist stattzugeben. Dem Kläger steht der geltend gemachte tarifliche Anspruch auf Wegegeld für seinen Einsatz auf der Baustelle S in der unstreitigen Höhe von 153,14 DM brutto zu.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit der Bundes-Rahmentarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer im Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau in der Fassung vom 27. Februar 1987 (BRTV) ab 1. Januar 1987 Anwendung. Für die Beurteilung des Anspruches des Klägers auf Wegegeld sind demgemäß folgende tarifliche Bestimmungen heranzuziehen:

"§ 12

Auswärtsbeschäftigung

1. Auswärtsarbeit

Jeder Arbeitnehmer kann auf Arbeitsstellen

außerhalb des Betriebssitzes oder Bauhofs ent-

sandt werden, auch auf solche Arbeitsstellen,

die er von seiner Wohnung nicht an jedem

Arbeitstag erreichen kann.

Im übrigen gilt § 4, Absatz 4.

...

3. Wegezeit - Wegegeld

3.1 Arbeitnehmer, die auf eine auswärtige Arbeits-

stelle entsandt sind und denen kein Auslösungs-

anspruch nach Ziffer 4 zusteht, haben Anspruch

auf Bezahlung der Wegezeit - Wegegeld - nach

folgender Regelung:

Soweit An- und Rückfahrt zwischen Betriebssitz

oder Bauhof und Arbeitsstelle außerhalb der

tariflichen Arbeitszeit stattfinden, ist die

tatsächlich erforderliche Fahrtzeit für den

einfachen Weg (Anfahrt) zu bezahlen.

Bestehende bessere betriebliche Regelungen

bleiben unberührt.

In Zweifelsfällen ist die bei Benutzung öffent-

licher Verkehrsmittel erforderliche Zeit

zugrundezulegen.

3.2 Wird von einem Arbeitnehmer eine auswärtige

Arbeitsstelle direkt von der Wohnung aufgesucht,

erhält er Wegegeld vermindert um die Wegezeit

von der Wohnung zum Betriebssitz oder Bauhof.

...

3.5 Wird ein Arbeitnehmer ausdrücklich für eine

auswärtige Arbeitsstelle eingestellt, hat er

keinen Anspruch auf Wegegeld.

4. Auslösung

Kann ein Arbeitnehmer, der auf einer auswärtigen

Arbeitsstelle beschäftigt wird, seinen Wohnort

unter Benutzung der zur Verfügung stehenden

Verkehrsmittel nicht täglich erreichen, so ist

als Ersatz des Mehraufwandes für Wohnung und

Verpflegung eine Auslösung zu zahlen. ......

Als zumutbar ist die tägliche Rückkehr zum Wohnort

anzusehen, wenn der normale Zeitaufwand für den

einzelnen Weg von der Mitte des Wohnortes bis zur

Baustellenmitte bei Benutzung des zeitlich

günstigsten Verkehrsmittels (Eisenbahn, Omnibus,

Straßenbahn, Schiff, Fähre) nicht mehr als 1 1/2

Stunden beträgt.......

...

6. Sonderregelung für Großstädte

Abweichend von den Regelungen in Ziff. 1 - 3

können in Großstädten (über 500 000 Einwohner)

von den regionalen Tarifvertragsparteien Sonder-

regelungen getroffen werden."

Die in § 12 Ziff. 1 in Bezug genommene Regelung des § 4 Abs. 4 lautet:

"Soweit sich aus § 12 nichts anderes ergibt,

beginnt und endet die Arbeitszeit jeweils dort,

wo die Arbeit zu leisten ist. Gerätetransport

zählt als Arbeitszeit.

....."

Das Landesarbeitsgericht nimmt an, daß dem Kläger kein Anspruch auf Wegegeld nach diesen tariflichen Bestimmungen zustehe. Eine auswärtige Arbeitsstelle sei danach nur eine Arbeitsstelle, die sich außerhalb des Betriebssitzes befinde. Unter Betriebssitz sei die politische Gemeinde zu verstehen, in der sich der Betrieb befinde. Dies ergebe sich daraus, daß die Tarifvertragsparteien, wie in § 12 Ziffer 4 BRTV deutlich werde, unter "auswärtig" nur Arbeitsstellen in größerer räumlicher Entfernung von dem Wohnort des Arbeitnehmers verstehen. Arbeitsstellen innerhalb der politischen Gemeinde, in der der Betrieb seinen Sitz habe, seien in diesem Sinne keine auswärtigen Arbeitsstellen. Dies folge auch aus den tariflich vorgesehenen Sonderregelungen für Großstädte. Diese seien nur deshalb erforderlich, weil nach den tariflichen Bestimmungen für die Wegezeit zu Baustellen innerhalb einer Großstadt wie Berlin kein Wegegeld zu zahlen sei, obwohl größere Entfernungen zurückzulegen seien.

Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts vermag der Senat nicht zu folgen. Der Kläger hat einen tariflichen Anspruch auf Wegegeld nach § 12 Ziffer 3.1 und 3.2 BRTV in Verbindung mit § 12 Ziffer 1 BRTV. Diese tariflichen Bestimmungen finden auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung, da die ab 1. April 1974 geltende Sonderregelung für das Lohngebiet Berlin als die speziellere tarifliche Regelung auch nicht mehr kraft Nachwirkung (§ 4 Abs. 5 TVG) gilt. Nachdem die Sonderregelung, die Ansprüche auf Wegegeld nur bei einer Fahrzeit von mehr als je einer Stunde für den Hin- und Rückweg zur Arbeitsstelle vorsah, mit Schreiben vom 7. November 1980 von der Gewerkschaft mit sofortiger Wirkung gekündigt worden war, haben die Tarifvertragsparteien in einem Gespräch vom 2. September 1981 vereinbart, daß die Sonderregelung entfallen und an ihre Stelle die tarifliche Regelung im BRTV treten solle. Darin liegt eine andere Abmachung im Sinne von § 4 Abs. 5 TVG, die eine Nachwirkung der Sonderregelung ausschließt.

Bei der Entsendung des Klägers zur Baustelle S handelte es sich um eine Entsendung auf eine Arbeitsstelle außerhalb des Betriebssitzes im Sinne von § 12 Ziffer 1 BRTV, so daß dem Kläger Wegegeld nach § 12 Ziffer 3.1 und 3.2 BRTV zusteht. Dies folgt daraus, daß unter Betriebssitz im Sinne von § 12 Ziffer 1 BRTV die Betriebsstätte und nicht die politische Gemeinde anzusehen ist, in der der Betrieb seinen Sitz hat.

Bei der Tarifauslegung ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Dabei ist jedoch über den reinen Wortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihm beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, der häufig schon deswegen mitberücksichtigt werden muß, weil nur daraus und nicht aus der einzelnen Tarifnorm auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen und so nur bei Mitberücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhanges der Sinn und Zweck der Tarifnormen zutreffend ermittelt werden kann (BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung m.w.N.). Der tarifliche Rechtsbegriff des Betriebssitzes ist nach seinem Wortlaut nicht eindeutig. Anknüpfend an den Begriff des Wohnsitzes (§ 7 BGB), des Sitzes einer Gesellschaft (§ 5 AktG, § 3 GmbHG, § 106 HGB) oder den des Vereins (§ 24 BGB) kann darunter der Ort im Sinne einer politischen Gemeinde verstanden werden, in dem der Betrieb sich befindet. In diesem Sinne haben z. B. die Tarifvertragsparteien des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe in der Fassung vom 1. April 1971 den Begriff des Betriebssitzes definiert (vgl. BAG Urteil vom 4. Dezember 1974 - 4 AZR 138/74 - AP Nr. 20 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Andererseits kann der Begriff aber, mangels einer näheren Erläuterung durch die Tarifvertragsparteien, nach dem allgemeinen Sprachgebrauch auch dahingehend ausgelegt werden, daß mit dem Betriebssitz an die Lage der Betriebsstätte auch innerhalb der politischen Gemeinde angeknüpft werden soll. Da der Wortlaut nicht eindeutig ist, ist auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen. Dieser gebietet eine Auslegung im letztgenannten Sinne.

Die Tarifvertragsparteien haben den Begriff der Auswärtsarbeit im Sinne von § 12 Ziffer 1 BRTV auf Arbeitsstellen "außerhalb des Betriebssitzes oder Bauhofs" bezogen. Sie haben damit die Entsendung auf einer Arbeitsstelle außerhalb des Betriebssitzes mit derjenigen auf eine Arbeitsstelle außerhalb des Bauhofs gleichgestellt. Diese Gleichstellung erfolgte jedenfalls zweifelsfrei in der vorliegend maßgeblichen Fassung des BRTV vom 27. Februar 1987, so daß dahinstehen kann, ob sie, wie zwischen den Parteien streitig war, bereits Bestandteil des BRTV in der Fassung vom 7. April 1981 war. Unter "Bauhof" ist ein Lagerplatz für Baumaterialien zu verstehen. Insoweit fehlt jeder Anhaltspunkt im Tarifvertrag dafür, daß die Tarifvertragsparteien unter "Bauhof" die politische Gemeinde verstehen wollen, in der sich der Bauhof befindet. Mit der Entsendung auf Arbeitsstellen außerhalb des Bauhofs sind somit alle Arbeitsstellen gemeint, die - unabhängig von der politischen Gemeinde, in der sich der Bauhof befindet - räumlich entfernt vom Bauhof liegen. Die Gleichstellung der Entsendung auf Arbeitsstellen außerhalb des Betriebssitzes mit derjenigen auf Arbeitsstellen außerhalb des Bauhofs spricht damit dafür, daß die Tarifvertragsparteien mit dem Begriff des Betriebssitzes nicht an die politische Gemeinde, sondern an die konkrete Lage des Betriebes auch innerhalb einer politischen Gemeinde anknüpfen wollen. Auch die "Arbeitsstelle", auf die Arbeitnehmer entsandt werden, kennzeichnet den konkreten Arbeitsplatz und nicht die politische Gemeinde.

Diese Auslegung des Begriffs des Betriebssitzes ist auch allein mit den tariflichen Bestimmungen des § 12 Ziffer 3.1 und 3.2 BRTV zu vereinbaren. Nach § 12 Ziffer 3.1 BRTV ist die tatsächlich erforderliche Fahrzeit für den einfachen Weg zwischen Betriebssitz oder Bauhof und Arbeitsstelle zu bezahlen. Wird die auswärtige Arbeitsstelle vom Arbeitnehmer direkt von der Wohnung aus aufgesucht, vermindert sich diese um die Wegezeit von der Wohnung zum Betriebssitz oder Bauhof (§ 12 Ziffer 3.2 BRTV). Die tatsächlich erforderliche Fahrzeit kann aber nur zwischen der Arbeitsstelle und dem konkreten Standort des Betriebes bzw. des Bauhofs ermittelt werden. Eine tatsächlich erforderliche Fahrzeit zwischen der Arbeitsstelle und der politischen Gemeinde, in der sich der Betrieb befindet, ist nicht denkbar. Selbst wenn bei der Berechnung der Fahrzeit auf den Mittelpunkt des Ortes abgestellt würde, in dem sich der Betrieb befindet (vgl. BAG Urteil vom 13. Mai 1987 - 4 AZR 640/86 - AP Nr. 17 zu § 1 TVG Auslösung), handelte es sich um eine fiktive Berechnung der Fahrzeit. Daraus, daß die Tarifvertragsparteien ausdrücklich auf die tatsächliche Fahrzeit abstellen, folgt mithin, daß sie mit dem Betriebssitz an den konkreten Standort des Betriebes anknüpfen wollen.

Dieser Auslegung steht auch § 12 Ziffer 4 BRTV nicht entgegen. Wegegeld ist nach § 12 Ziffer 3.1 BRTV an Arbeitnehmer zu zahlen, die auf eine auswärtige Arbeitsstelle entsandt werden und denen kein Auslösungsanspruch nach § 12 Ziffer 4 BRTV zusteht. Auslösung erhält ein Arbeitnehmer, der auf einer auswärtigen Arbeitsstelle beschäftigt wird und seinen Wohnort unter Benutzung der zur Verfügung stehenden Verkehrsmittel nicht täglich erreichen kann. Insoweit stellen die Tarifvertragsparteien bei der Auslösung also auf die Entfernung des Wohnortes von der auswärtigen Arbeitsstelle ab. Dies bedingt jedoch nicht den Schluß, daß eine auswärtige Arbeitsstelle stets außerhalb der politischen Gemeinde, in der der Betrieb seinen Standort bzw. der Arbeitnehmer seine Wohnung hat, liegen muß. Die Tarifvertragsparteien gehen in § 12 Ziffer 3.1 BRTV vielmehr davon aus, daß das Wegegeld gerade in Fällen zu zahlen ist, in denen kein Auslösungsanspruch besteht und stellen in § 12 Ziffer 3.2 BRTV auf die Entfernung der Wohnung vom Betriebssitz oder Bauhof ab. Dies schließt die Möglichkeit ein, daß sich eine auswärtige Arbeitsstelle im Tarifsinne auch in näherer Umgebung des Betriebssitzes oder Bauhofs befindet. Auswärtige Arbeitsstellen im Tarifsinne sind damit entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht nur solche, die in größerer Entfernung vom Betriebssitz oder Bauhof liegen.

Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts läßt auch die von den Tarifvertragsparteien in § 12 Ziffer 6 BRTV vorgesehene Möglichkeit, daß die regionalen Tarifvertragsparteien für Großstädte (über 500 000 Einwohner) Sonderregelungen treffen können, nicht den Schluß zu, daß für Arbeitnehmer in Großstädten ein Wegegeld nach § 12 Ziffern 1 bis 3 BRTV nicht in Betracht kommt, wenn sie auf Arbeitsstellen innerhalb des Stadtgebietes arbeiten. Im Wortlaut der tariflichen Bestimmung kommt nicht zum Ausdruck, daß die Tarifvertragsparteien davon ausgehen, daß Arbeitnehmern in Großstädten bei Entsendungen auf Arbeitsstellen innerhalb der entsprechenden politischen Verwaltungseinheit überhaupt nur dann Ansprüche auf Wegegeld erwachsen können, wenn eine entsprechende Sonderregelung besteht. Die Tarifvertragsparteien gestatten nach dem Wortlaut der tariflichen Bestimmung des § 12 Ziffer 6 BRTV den regionalen Tarifvertragsparteien nur Sonderregelungen "abweichend von den Regelungen in Ziffer 1 bis 3". Sie setzen damit voraus, daß diese Regelungen - sofern nicht Sonderregelungen bestehen - auch für Arbeitnehmer in Großstädten gelten. Von diesen Regelungen können jedoch Abweichungen vereinbart werden. Dafür kann im Hinblick auf die Ausdehnung und die Verkehrsstruktur der jeweiligen Großstadt durchaus ein Bedürfnis bestehen. Der vom Landesarbeitsgericht gezogene Schluß, daß die tarifliche Bestimmung des § 12 Ziffer 6 BRTV überflüssig wäre, wenn eine Entsendung zu einer Arbeitsstelle innerhalb des Stadtgebietes einer Großstadt einen Anspruch auf Wegegeld auslösen könnte, ist somit nicht zutreffend.

Die Auslegung der tariflichen Bestimmungen des § 12 Ziffer 1, Ziffer 3.1 und 3.2 BRTV dahingehend, daß ein Anspruch auf Wegegeld auch begründet sein kann, wenn ein Arbeitnehmer auf eine Arbeitsstelle entsandt wird, die außerhalb des Standortes des Betriebes, aber innerhalb der politischen Gemeinde liegt, in der der Betrieb sich befindet, führt somit zu einer vernünftigen, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung, so daß ihr der Vorzug zu geben ist (BAGE 42, 244, 254 = AP Nr. 2 zu § 21 TVAL II).

Da die Baustelle S außerhalb des Betriebssitzes der Beklagten in der M lag und dem Kläger kein Anspruch auf Auslösung zustand, hat er Anspruch auf Wegegeld in der zwischen den Parteien unstreitigen Höhe. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 291 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Dr. Neumann Dr. Etzel Dr. Freitag

Brocksiepe Marx

 

Fundstellen

DB 1989, 1826 (L1)

RdA 1989, 200

AP § 611 BGB Wegezeit (LT1), Nr 9

AR-Blattei, Auswärtszulage (Auslösung) Entsch 12 (LT1)

AR-Blattei, ES 360 Nr 12 (LT1)

EzA § 4 TVG Bauindustrie, Nr 49 (LT1)

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