Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmerbegriff. Kommissionär
Orientierungssatz
- Der Gesetzgeber hat den Kommissionär nach § 383 HGB als selbständigen Gewerbetreibenden und damit nicht als Arbeitnehmer eingeordnet. Die Selbständigkeit folgt dabei aus der Gewerbsmäßigkeit seines Tätigwerdens. Allerdings liegt ein Arbeitsverhältnis dann vor, wenn Vereinbarungen getroffen und praktiziert werden, die zur Folge haben, daß der betreffende Kommissionär nicht mehr im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Allein die wirtschaftliche Abhängigkeit eines Kommissionärs kann zwar die Rechtsstellung einer arbeitnehmerähnlichen Person begründen (dazu Senat 8. September 1997 – 5 AZB 3/97 – BAGE 86, 267, 270), nicht aber die Arbeitnehmereigenschaft.
- Ist der zur Dienstleistung Verpflichtete nach den tatsächlichen Umständen nicht in der Lage, seine vertraglichen Leistungspflichten allein zu erfüllen, sondern auf Hilfskräfte angewiesen und vertraglich berechtigt, seine Leistungen durch Dritte erbringen zu lassen, spricht dies regelmäßig gegen ein Arbeitsverhältnis (Senat 12. Dezember 2001 – 5 AZR 253/00 – AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 111 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 87; ebenso BGH 21. Oktober 1998 – VIII ZB 54/97 – NZA 1999, 110).
Normenkette
HGB §§ 383-384; BGB § 611
Verfahrensgang
LAG Berlin (Urteil vom 19.10.2001; Aktenzeichen 19 Sa 1445/01) |
ArbG Berlin (Urteil vom 25.05.2001; Aktenzeichen 44 Ca 1225/01) |
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und hierbei insbesondere über die Frage, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.
Der Kläger arbeitete bei der Beklagten, die eine Großbäckerei betreibt, zunächst vom 1. bis zum 30. November 1998 als Verkäufer in verschiedenen Filialen in Berlin. In dieser Zeit bot die Beklagte dem Kläger an, für sie als Kommissionär tätig zu werden. Ab 1. Dezember 1998 leitete der Kläger sodann verschiedene Filialen der Beklagten als Kommissionär, zuletzt ab 1. April 1999 die Filiale 55284 in der M…. Die Rechtsbeziehungen der Parteien bestimmten sich nach dem Kommissionsvertrag vom 17. März 1999, in dem folgendes vereinbart war:
“Kommissionsvertrag
1.1. Die Firma unterhält in:
BERLIN
M…
Fil.-Nr.: 55284
ein Ladengeschäft zum Einzelhandel mit Backwaren und Begleitsortiment unter der Aufmachung “BACKSTUBE”, nachfolgend als “Filiale” bezeichnet.
1.2. Der Kommissionär ist bereit, innerhalb der o.g. Filiale ausschließlich H… GmbH-Erzeugnisse, die von der Firma geliefert werden, zu verkaufen.
Der Kommissionär ist selbständiger Gewerbetreibender. Er führt alle Erzeugnisse in Kommission und verkauft in eigenem Namen und für Rechnung der Firma zum von der Firma festgelegten Preis. Das Preisrisiko trägt die Firma. Die Ware bleibt bis zum Verkauf an den Endverbraucher Eigentum der Firma. Eine Übernahme der Ware durch den Kommissionär als Käufer ist ausgeschlossen.
Dieser Vertrag ist an die Person des Kommissionärs und die oben genannte Filiale gebunden. Eine Vertragsübernahme durch Familienangehörige oder Rechtsnachfolger kann nur mit schriftlicher Zustimmung der Firma erfolgen. Verkaufs- und sonstiges Personal sind Sache des Kommissionärs, in eigenem Namen und für eigene Rechnung. Der Kommissionär ist zu persönlicher Tätigkeit nicht verpflichtet, er ist in der Verwendung seiner eigenen Arbeitskraft frei. Er steht für Vertragserfüllung durch seine Gehilfen ein und wird diese sorgfältig auswählen und überwachen.
…
1.4. Die Zusammenarbeit setzt ein enges und vertrauliches Partnerschaftsverhältnis voraus. Der Kommissionär wird jeden Wohnungswechsel unverzüglich anzeigen. Der Kommissionär verkauft keine Erzeugnisse anderer Firmen in der o.g. Filiale und tritt im jeweiligen Kundeneinzugsbereich aller Filialen der Firma nicht in Wettbewerb zur Firma.
2. Einzelbestimmungen
2.1. Einrichtung der Verkaufsstelle und Betriebskosten
Die Firma stellt dem Kommissionär für die Dauer des Vertrages ihren unter 1.1. bezeichneten Verkaufsladen einschließlich Einrichtung zur Verfügung.
Die Einrichtungsgegenstände sowie Betriebsunterlagen bleiben Eigentum der Firma und dürfen ohne schriftliche Einwilligung der Firma nicht verändert werden. Der Kommissionär hat die Einrichtungsgegenstände pfleglich und sachgerecht zu behandeln und haftet für verschuldete Schäden.
Der Kommissionär zahlt eine monatliche Instandhaltungspauschale in Höhe von 1,0 Prozent vom Umsatz, mindestens 100,- DM.
Hilfsmittel, wie Tortenheber, Tortenplatten, Messer usw. sind bei Verschleiß oder Verlust vom Kommissionär zu ersetzen.
Das Verpackungsmaterial bezieht der Kommissionär über die Firma und trägt die Kosten. Weiter trägt der Kommissionär alle Reinigungskosten des Verkaufsladens, einschließlich Schaufenster, Einrichtungsgegenstände und Gerätschaften sowie Telefonkosten.
2.2. Verkaufszeiten
Der Kommissionär ist gehalten, den Laden während der im Verkaufsgebiet orts- und branchenüblichen Öffnungszeiten an allen Produktionstagen der Firma mit ausreichender Personalbesetzung offen zuhalten.
Kommt ein Kommissionär dieser Verpflichtung nicht nach, so darf die Firma unbeschadet aller Rechte und Ansprüche wegen dieser Vertragsverletzung jederzeit und jeweils im erforderlichen Umfang eigenes Personal einsetzen, dessen Kosten der Kommissionär zu tragen hat.
…
2.4. Belieferung
Ausschließlich die Firma oder von ihr bestätigte Zulieferer werden dem Kommissionär zum Verkauf an Endverbraucher bestimmte Waren liefern. Die Lieferung erfolgt frei Haus.
Solange der Kommissionär Art und Menge der Belieferung nicht durch eigene Bestellung bestimmt, erfolgt diese nach bestem Ermessen der Firma.
…
2.5.1. Die Firma gibt dem Kommissionär Einweisungen zur Aufmachung, Darbietung und räumlichen Plazierung der Waren, welche vom Kommissionär einzuhalten sind.
…
2.5.5. Der Kommissionär ist verpflichtet, an den von der Firma angebotenen Schulungen selbst und mit seinem Personal teilzunehmen. Die Kosten der Schulung werden von der Firma getragen, während der Kommissionär die entstehenden Ausfälle für sich und sein Personal selbst trägt.
2.5.6. Das gesamte Verkaufspersonal des Kommissionärs hat H-Berufsbekleidung, einschließlich Kopfbedeckung zu tragen, welche die Firma dem Kommissionär gegen Berechnung des Selbstkostenpreises zur Verfügung stellt.
Es besteht Einigkeit darüber, dass diese Bekleidungsvorschrift zur Hygiene und für ein gutes äußeres Erscheinungsbild unverzichtbar ist, so dass der Kommissionär bei Nichtbeachtung für jeden .Einzelfall (Person/Tag) eine Vertragsstrafe von DM 100,-an die Firma zu zahlen verpflichtet ist.
2.6. Provision und Abrechnung
2.6.1. Der Kommissionär hat sämtliche Erlöse in der Kasse zu erfassen und mit der von ihm täglich zu erstellenden Kassenmeldung an die Firma täglich abzuführen auf das Firmenkonto bei …
2.6.2. Der Kommissionär erhält auf die zum Firmenabgabepreis belastete und verkaufte Ware folgende Provisionssätze:
…
2.6.3. Der Kommissionär ist verpflichtet, jeweils am letzten Arbeitstag des Monats eine Inventur mit Artikelunterteilungen durchzuführen und am ersten Arbeitstag des Folgemonats an die Firma zu senden.
2.6.4. Die Provision schmälert sich um die Beträge aus einer monatlichen Abrechnungsdifferenz und aus einer Überschreitung des monatlichen Belieferungsumfanges an Fertigwaren und Aufbackwaren zulässigen Retouren. Für die Abrechnung ist ein Retoursatz von 8 % im ersten Monat, von 6 % im zweiten Monat und 4 % ab dem dritten Monat maßgebend.
2.6.5. Zur Kontrolle der Kommissionsgeschäfte und der Abrechnungen sind Bevollmächtigte der Firma jederzeit berechtigt, die Bestände, die Kasse samt Kassenrollen und die sonstigen Verkaufsunterlagen einzusehen und zu prüfen. Der Kommissionär hat die täglichen Kassenrollen 12 Monate lang aufzubewahren.
…
2.8. Vertragsstrafe
Der Kommissionär verpflichtet sich, in dem Fall der Führung von Waren, die nicht Firmenerzeugnisse sind oder von der Firma geliefert worden sind, an die Firma eine Vertragsstrafe von DM 5000,- zu zahlen. Anspruch der Firma auf Ersatz nachweislichen, weitergehenden Schadens bleibt hiervon unberührt. Bei Verstößen gegen die im Punkt 2.9. aufgeführten Kündigungsgründe ist die Firma berechtigt, bis zu DM 5000,- Vertragsstrafe auszusprechen.
2.9. Vertragsdauer und Kündigung
Das Vertragsverhältnis beginnt am 01.04.99 und besteht auf unbestimmte Zeit.
Der Vertrag kann beiderseitig während der ersten 6 Monate nach Übergabe des Verkaufsladens mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende und danach mit einer Frist von 3 Monaten zum Monatsende jederzeit ohne Angabe von Gründen gekündigt werden.
…”
Aufgrund eines weiteren Kommissionsvertrags vom 30. Juni 1999 führte der Kläger im selben Gebäude vom 1. Juli 1999 bis zum 30. September 2000 eine zweite Filiale.
In der Zeit vom 1. Juni 2000 bis zum 30. November 2000 erzielte der Kläger aus Provisionszahlungen der Beklagten Einnahmen in einer Gesamthöhe von 25.421,68 DM. Dem standen Ausgaben in Höhe von 17.897,42 DM gegenüber.
Der Kläger beschäftigte in der Filiale 55284 eine Angestellte zu einem Bruttomonatslohn von 2.394,00 DM. Daneben half ihm seine Ehefrau in einem nicht näher aufgeklärten Umfang, damit der Kläger die Prüfung zum Bäckermeister ablegen konnte. Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis der Angestellten zum 31. Januar 2001.
Soweit der Kläger nicht bei der Beklagten, sondern bei Drittfirmen Waren einkaufte, hatte er die Rechnungen an die Beklagte weiterzureichen. Diese bezahlte den Rechnungsbetrag und schlug auf den Bruttobetrag 120 % auf. Diesen Betrag stellte die Beklagte sodann dem Kläger in Rechnung. Von dem 120 %igen Aufschlag waren Getränke und Tee ausgenommen. Bei diesen Verkaufsartikeln berechnete die Beklagte dem Kläger pro verkaufter Einheit unabhängig vom Wareneinkaufspreis einen Betrag in Höhe von 1,50 DM.
Im Geschäftsverkehr verwendete der Kläger Visitenkarten mit der Aufschrift “H…-L…”. Aufträge an Dritte erteilte er gleichfalls unter dieser Bezeichnung. Im Ladenlokal des Klägers trugen die Servietten die Aufschrift “Die H…”. Die vom Kläger an Kunden verschenkten Kalender trugen die Aufschrift “Firma L… – der Bäcker für alle Fälle”.
Die Beklagte kündigte den Kommissionsvertrag zunächst mit Schreiben vom 19. Dezember 2000 zum 31. März 2001 und sodann mit einem dem Kläger am 31. Januar 2001 zugegangenen Schreiben vom 25. Januar 2001 außerordentlich fristlos.
Mit seiner beim Arbeitsgericht am 11. Januar 2001 eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Kündigung vom 19. Dezember 2000 sowie mit einer am 13. Februar 2001 eingegangenen Klageerweiterung gegen die außerordentliche Kündigung vom 25. Januar 2001.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigungen seien unwirksam, weil ein Kündigungsgrund nicht vorliege. Er sei nicht selbständiger Kommissionär gewesen, sondern Arbeitnehmer.
Der Kläger hat beantragt
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 19. Dezember 2000 nicht zum 31. März 2001 aufgelöst wurde,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die weitere fristlose Kündigung vom 31. Januar 2001 aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe nicht in einem Arbeitsverhältnis gestanden, sondern sei als selbständiger Kommissionär tätig geworden.
Das Arbeitsgericht hat festgestellt, daß das Rechtsverhältnis der Parteien nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 25. Januar 2001 aufgelöst worden ist, und im übrigen die Klage abgewiesen. Die vom Kläger eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen die ordentliche Kündigung betreffenden Feststellungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger stand zum Zeitpunkt der Kündigung nicht in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten.
Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend von den Grundsätzen ausgegangen, die der Senat zur Abgrenzung des Arbeitsverhältnisses von anderen Rechtsverhältnissen aufgestellt hat.
1. Arbeitnehmer ist, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist (Senat 16. Februar 2000 – 5 AZB 71/99 – BAGE 93, 310, 314 f. mwN; 12. Dezember 2001 – 5 AZR 253/00 – AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 111 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 87). Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist namentlich der Mitarbeiter, der nicht im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Für die Abgrenzung von Bedeutung sind die Umstände, unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist, und nicht die Modalitäten der Zahlung oder die steuer- und sozialversicherungsrechtliche Behandlung oder die Überbürdung vertraglicher Risiken. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, so ist letztere maßgebend (vgl. Senat 30. September 1998 – 5 AZR 563/97 – BAGE 90, 36; 16. Juli 1997 – 5 AZR 312/96 – BAGE 86, 170; 15. Dezember 1999 – 5 AZR 3/99 – BAGE 93, 112, 118; BGH 21. Oktober 1998 – VIII ZB 54/97 – NZA 1999, 110).
Ist der zur Dienstleistung Verpflichtete nach den tatsächlichen Umständen nicht in der Lage, seine vertraglichen Leistungspflichten allein zu erfüllen, sondern auf Hilfskräfte angewiesen und vertraglich berechtigt, seine Leistungen durch Dritte erbringen zu lassen, spricht dies regelmäßig gegen ein Arbeitsverhältnis (Senat 12. Dezember 2001 aaO; 16. Juli 1997 aaO; ebenso BGH 21. Oktober 1998 aaO). Die Möglichkeit der Leistungserbringung durch Dritte ist ein wesentliches Merkmal selbständigen Tätigwerdens, das mit dem Status eines Arbeitnehmers grundsätzlich nicht zu vereinbaren ist. Denn im Verhältnis zum Dritten ist der Dienstverpflichtete seinerseits Arbeitgeber. Allerdings ist es nicht in jedem Fall gerechtfertigt, wegen der bloßen Berechtigung des Vertragspartners, die vertraglich geschuldete Leistung durch Dritte erbringen zu lassen, ein Arbeitsverhältnis von vornherein auszuschließen. Dies gilt zumindest dann, wenn die persönliche Leistungserbringung die Regel und die Leistungserbringung durch einen Dritten eine seltene Ausnahme darstellt, die das Gesamtbild der Tätigkeit nicht nennenswert verändert. Die Möglichkeit, Dritte zur Leistungserbringung einzusetzen, stellt dann lediglich eines von mehreren im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Anzeichen dar (dazu Senat 19. November 1997 – 5 AZR 653/96 – BAGE 87, 129, 137 f. sowie BGH 21. Oktober 1998 aaO).
2. Der Gesetzgeber hat den Kommissionär als selbständigen Gewerbetreibenden und damit nicht als Arbeitnehmer eingeordnet. Die Selbständigkeit folgt dabei aus der Gewerbsmäßigkeit seines Tätigwerdens (Ebenroth/Boujong/Joost HGB § 383 Rn. 12; Staub/Koller HGB 4. Aufl. § 383 Rn. 4). Dies schließt nach § 384 Abs. 1 HGB ein, daß der Kommissionär Weisungen des Kommittenten unterliegt (dazu Maschmann Arbeitsverträge und Verträge mit Selbständigen, 2001, S 192). Ein Arbeitsverhältnis liegt nur dann vor, wenn Vereinbarungen getroffen und praktiziert werden, die zur Folge haben, daß der betreffende Kommissionär nicht mehr im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Allein die wirtschaftliche Abhängigkeit eines Kommissionärs kann zwar die Rechtsstellung einer arbeitnehmerähnlichen Person begründen (dazu Senat 8. September 1997 – 5 AZB 3/97 – BAGE 86, 267, 270), nicht aber die Arbeitnehmereigenschaft. Entscheidend ist, welche Gestaltungsspielräume dem Beschäftigten noch verbleiben und ob seine persönliche Abhängigkeit das für Arbeitsverhältnisse typische Maß erreicht (vgl. Senat 30. September 1998 aaO).
Der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, daß er im Rahmen des Kommissionsvertrags bei der Gestaltung seiner Tätigkeit und Bestimmung seiner Arbeitszeit nicht mehr im wesentlichen frei war.
1. Nach Ziff. 2.2. des Kommissionsvertrags hatte der Kläger zwar den Verkaufsladen während der im Verkaufsgebiet orts- und branchenüblichen Öffnungszeiten an allen Produktionstagen der Beklagten zu öffnen. Diese Vereinbarung ist von der Beklagten dahin konkretisiert worden, daß das Geschäft von 6.00 bis 18.00 Uhr geöffnet sein mußte. Der Kläger hatte weiterhin bei der Bestückung der Einkaufstheke, beim Tortenangebot sowie bei wöchentlichen Sonderaktionen Vorgaben der Beklagten zu beachten. Im Geschäftsverkehr verwendete der Kläger nicht allein seinen Namen, sondern die Bezeichnung “H…-L…”. Demgegenüber trugen die im Laden ausliegenden Servietten die Aufschrift “Die H…”. Diese Einschränkungen und Weisungen führten jedoch nicht zu einem die Arbeitnehmereigenschaft begründenden Grad persönlicher Abhängigkeit des Klägers. Denn die Weisungen bezogen sich nur auf die äußere Gestaltung des Ladenlokals und das Warenangebot, nicht jedoch auf die Tätigkeit selbst.
2. Dem Vortrag des Klägers ist nicht zu entnehmen, daß er das Ladenlokal praktisch persönlich führen mußte und so keine Freiheit in der Gestaltung seiner Tätigkeit und Arbeitszeit mehr hatte. Nach Nr. 1.2. des Kommissionsvertrags war er nicht zu persönlicher Tätigkeit verpflichtet. Ihm war gestattet, Dritte als Verkäufer einzusetzen. Dies war auch keine nur abstrakte und unrealistische Möglichkeit, wie die tatsächliche Beschäftigung seiner Ehefrau sowie einer angestellten Verkäuferin zeigen. Dem steht die Entlassung der Verkaufsangestellten nicht entgegen. Soweit der Kläger geltend macht, die Beschäftigung von Verkaufspersonal sei unwirtschaftlich gewesen, greift dies zu kurz. Wenngleich der Kläger auf Grund der langen Ladenöffnungszeiten, der notwendigen Vorbereitungszeiten vor der Ladenöffung sowie der geringen Einnahmen selbst in erheblichem Maße persönliche Arbeitsleistungen zu erbringen hatte, um die anfallenden Kosten zu decken, läßt sich seinem Vortrag nicht entnehmen, daß die Beschäftigung einer oder mehrerer ggf. geringfügig beschäftigter Angestellten mit kürzerer Arbeitszeit und damit geringerem Einkommen keine wirtschaftlich sinnvolle Alternative gewesen wäre. Nur wenn dies nicht in Betracht gekommen wäre, stünde die praktische Durchführung des Kommissionsvertrags der Selbständigkeit entgegen. Hierzu fehlt jedoch ausreichender Vortrag des Klägers.
3. Entgegen der Auffassung des Klägers läßt sich aus den Vorgaben zur Durchführung der Inventur nicht auf eine persönliche Abhängigkeit schließen. Nach § 384 Abs. 2 HGB ist der Kommissionär zur Rechnungslegung verpflichtet. Wenn ihm vom Kommittenten Inventuranweisungen erteilt werden, hält sich dies im Rahmen des in § 384 Abs. 1 HGB gesetzlich ausdrücklich vorgesehen Weisungsrechts.
4. Aus der in Ziff. 2.5.6. des Kommissionsvertrags vereinbarten Verpflichtung des Klägers, dafür zu sorgen, daß das Verkaufspersonal “H-Berufskleidung” trägt, kann ebenfalls nicht auf eine persönliche Abhängigkeit geschlossen werden, die ein Arbeitsverhältnis begründet. Die vertragliche Vereinbarung einer bestimmten Arbeitskleidung ist kein für Arbeitsverhältnisse typisches Merkmal; sie ersetzt vielmehr das insoweit fehlende Weisungsrecht der Beklagten.
5. Entgegen der Auffassung der Revision führt die Weisung der Beklagten, Rechnungen von Drittfirmen an sie weiterzuleiten, um diese zu bezahlen und dem Kläger wiederum mit einem Aufschlag von 120 % in Rechnung zu stellen, gleichfalls nicht zur persönlichen Abhängigkeit. Ob der Aufschlag wucherisch ist, wie das Landesarbeitsgericht angedeutet hat, bedarf dabei keiner Entscheidung.
a) Soweit der Kläger in dem verbindlichen Aufschlag eine unzulässige wucherische Weisung sieht, die als Angebot auf Abschluß eines völlig neuen Kommissionsvertrags auszulegen sei, der wiederum wegen Wuchers unwirksam sei, kann ihm nicht gefolgt werden. Soll eine Weisung den Vertrag nicht vollständig umgestalten, sondern nur – wie hier – um einzelne Regelungen ergänzen, ist hierin regelmäßig keine Kündigung des Vertrags zu sehen. Eine nach § 384 Abs. 1 HGB unwirksame Weisung ist vielmehr verständigerweise als Angebot zum Abschluß eines Änderungsvertrags auszulegen, deren Ablehnung den ursprünglichen Vertrag bestehen läßt (Schlegelberger/Hefermehl HGB 5. Aufl. § 384 Rn. 18; Staub/Koller aaO § 384 Rn. 26). Beabsichtigt der Kommissionär, der Weisung nicht nachzukommen, hat er dies nach § 362 Abs. 1 HGB unverzüglich dem Kommittenten mitzuteilen. Unterläßt er dies, ist der Vertrag nach Maßgabe der Weisung geändert.
b) Nachdem der Kläger der Weisung nicht widersprach, ist von einer Ergänzung des ursprünglichen Kommissionsvertrags auszugehen, wenn die Weisung nicht nach § 138 BGB wegen Wuchers nichtig war. Dies kann allerdings offen bleiben, weil auch im Falle der Nichtigkeit der Weisung zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis bestünde. Sollte die Weisung nicht nur die Grenzen des § 384 Abs. 1 HGB überschritten haben, sondern gleichfalls nach § 138 BGB unwirksam gewesen sein, wäre sie unbeachtlich und nicht bindend. Hierin läge kein wirksames Angebot zur Abänderung des alten Vertrags, weil der neue Vertrag nach § 138 BGB nichtig wäre. Der alte Vertrag bestünde in diesem Falle fort. Ein Arbeitsverhältnis läge nicht vor.
6. Dem selbständigen Tätigwerden des Klägers steht ferner nicht entgegen, daß die Ein- und Verkaufspreise für die vom Kläger angebotenen Waren von der Beklagten vorgegeben waren. Diese Vorgaben gehören zum Wesen des Kommissionsvertrags (Baumbach/Hopt HGB 30. Aufl. § 383 Rn. 2). Hiermit hat die Beklagte keine arbeitsvertraglichen Weisungen erteilt, sondern wirtschaftliche Rahmenbedingungen für die Tätigkeit des Klägers geschaffen (vgl. Senat 12. Dezember 2001 aaO). Innerhalb dieser Vorgaben wurde der Kläger selbständig tätig, indem er seine Filiale bewirtschaftete. Aus den geringen Verdienstmöglichkeiten des Klägers kann nicht auf ein Arbeitsverhältnis geschlossen werden. Beschränkte unternehmerische Chancen allein begründen keine persönliche Abhängigkeit. Soweit Einkaufspreise, wie beispielsweise 4,21 DM für 250g Butter, auffällig hoch sind, kommt zwar möglicherweise ein Verstoß gegen § 138 BGB in Betracht. Dies führt jedoch nicht zur Annahme eines Arbeitsverhältnisses, sondern lediglich zur Nichtigkeit einzelner Einkaufsbedingungen.
7. Schließlich ist unerheblich, daß der Kläger vor Abschluß des Kommissionsvertrags in einem Arbeitsverhältnis stand. Denn mit dem Kommissionsvertrag haben die Parteien ihre rechtlichen Beziehungen auf eine neue Grundlage gestellt, inhaltlich verändert und das Rechtsverhältnis nicht nur anders bezeichnet (vgl. hierzu Senat 12. Dezember 2001 aaO; 12. September 1996 – 5 AZR 1066/94 – BAGE 84, 108).
Das Landesarbeitsgericht hat durch entsprechende Nachfrage die frühere Tätigkeit des Klägers aufgeklärt. Die vom Kläger in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge ist nicht begründet. Ein Verstoß gegen § 139 ZPO liegt nicht vor. Es war Sache des Klägers, sich auf die Frage des Vorsitzenden der Berufungskammer nach seiner früheren Tätigkeit vollständig zu erklären. Wenn er dem nicht nachkam, hat er dies selbst zu verantworten. Der Kläger zeigt nicht auf, warum das Landesarbeitsgericht Veranlassung zu weiteren Nachfragen gehabt haben sollte. Es ist auch nicht ersichtlich, daß das Landesarbeitsgericht bei einem unterstellten Verfahrensfehler zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Selbst wenn der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger angeboten hätte, nach bestandener Meisterprüfung als Bäckermeister bei der Beklagten arbeiten zu können, wäre der Kommissionsvertrag eine sinnvolle Vertragsgestaltung gewesen. Denn der Kläger mußte nicht persönlich die vereinbarte Dienstleistung erbringen und hatte damit Zeit, sich seiner Ausbildung zu widmen. Entsprechend verfuhr der Kläger, als er sich durch seine Ehefrau vertreten ließ.
- Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Linck, Hromadka, Zoller
Fundstellen
Haufe-Index 934579 |
DB 2003, 1386 |
HFR 2003, 1101 |
ARST 2003, 259 |
NZA 2003, 1112 |
AP, 0 |
EzA-SD 2003, 8 |
EzA |
PERSONAL 2003, 60 |
NJOZ 2003, 2642 |
SPA 2003, 2 |