Leitsatz (amtlich)
Der Arbeitgeber kann eine Nebentätigkeit seines Angestellten von seiner Genehmigung abhängig machen, wenn sie seinen eigenen Dienstbetrieb beeinträchtigt, etwa wenn sie während der betrieblichen Dienststunden ausgeübt wird (nebenberuflicher Schulunterricht eines Diplom-Ingenieurs).
Normenkette
BGB § 626; GG Art. 12
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Urteil vom 05.02.1970; Aktenzeichen Sa 461/69) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 5. Februar 1970 – 5 Sa 461/69 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger war seit 1. März 1962 bei der Beklagten als Lagerstätteningenieur tätig. In seinem Anstellungsvertrage vom 23./28. Februar 1962 ist auf die Allgemeinen Anstellungs-Bedingungen für Außertarif-Angestellte der Beklagten verwiesen, in denen u.a. vorgesehen ist, daß der Kläger seine Arbeitskraft und seine Kenntnisse uneingeschränkt in den Dienst der Beklagten zu stellen hat und entgeltliche Nebenbeschäftigung ihm ohne schriftliche Genehmigung der Beklagten nicht gestattet ist. Weiter ist bestimmt, daß vorsätzliches oder erheblich fahrlässiges Zuwiderhandeln gegen diese Anstellungsbedingungen die Beklagte zur sofortigen Entlassung des Klägers berechtigt.
Der Kläger erteilte auf Grund einer für das Schuljahr 1968/69 befristeten Genehmigung der Beklagten am Donnerstag-, Freitag- und Sonnabendvormittag jeder Woche vier Stunden Mathematik- und Physikunterricht an dem örtlichen Gymnasium, das fünf der sechs Kinder des Klägers sowie zahlreiche Kinder weiterer Angestellter der Beklagten besuchen.
Anfang 1969 versuchte die Beklagte ihre bereits für das ganze Schuljahr 1968/69 erteilte Genehmigung auf ein halbes Jahr zu beschränken. Dem widersprach der Kläger. Die Beklagte ließ es daraufhin bei der bereits erteilten Genehmigung, wies aber mit Schreiben ihrer örtlichen Verwaltungsstelle vom 13. März 1969 darauf hin, daß die Genehmigung am 31. Juli 1969. ablaufe und der Kläger mit einer Verlängerung nicht rechnen könne. Der Kläger suchte mit Schreiben vom 31. Mai 1969 um eine weitere Genehmigung für das nächste Schuljahr nach. Die Beklagte verweigerte sie mit ihrem Schreiben vom 31. Juli 1969, das der Kläger – nach seiner Darstellung – erst am 5. August 1969 bei Rückkehr aus seinem Urlaub vorfand. Er bat noch einmal mit Schreiben vom 8. August 1969 darum, ihm die Genehmigung zu erteilen. Das lehnte die Beklagte am 12. August 1969 fernmündlich ab. Dabei erklärte sie ihm gleichzeitig, daß er, falls er trotz Ablaufs der befristeten Genehmigung weiterhin unterrichten werde, damit eine beharrliche Arbeitsverweigerung begehe und mit schwerwiegenden Folgen in bezug auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses rechnen müsse. Als der Kläger dennoch bei Schulbeginn am 14. August 1969 dem Dienst fernblieb und im Gymnasium unterrichtete, erteilte ihm die Beklagte einen strengen Verweis. Als der Kläger auch am darauffolgenden Tage, dem 15. August 1969, vormittags dem Dienst fernblieb, kündigte die Beklagte ihm noch am 15. August 1969 fristlos und außerdem hilfsweise fristgemäß zum 31. Dezember 1969.
Der Kläger hat Klage erhoben mit dem Antrage, die Unwirksamkeit der gegen ihn ausgesprochenen Kündigungen festzustellen. Er beruft sich dabei u.a. auch darauf, daß einige seiner Kollegen nebenberuflich Vorlesungen an Universitäten und Technischen Hochschulen halten. Wenn die Beklagte das genehmige, so müsse sie aus Gründen der gebotenen Gleichbehandlung auch ihm die Erteilung von Unterricht gestatten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Vor dem Landesarbeitsgericht hat der Kläger auf Befragen des Gerichts erklärt, daß er jetzt voll im Gymnasium beschäftigt sei und dort nach BAT I a etwa 2.400,– DM monatlich verdiene.
Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß die Beklagte einen wichtigen Grund für ihre gegenüber dem Kläger fristlos ausgesprochene Kündigung hatte. Es ist dabei von jener Klausel im Vertrage der Parteien ausgegangen, die dem Kläger auferlegt, seine ganze Arbeitskraft und seine Kenntnisse uneingeschränkt in die Dienste der Beklagten zu stellen und ihm eine entgeltliche Nebentätigkeit nur mit schriftlicher Genehmigung der Beklagten gestattet. Es hat weiter in Betracht gezogen, daß dem Kläger die Genehmigung zur entgeltlichen Erteilung von Schulunterricht nur bis zum Ablauf des Schuljahres 1968/69 erteilt war und ihm bereits im März 1969 durch die örtliche Verwaltungsstelle der Beklagten mitgeteilt war, daß er mit einer weiteren Freistellung vom Dienste über das Schuljahr hinaus nicht rechnen könne. Das sei ihm unstreitig während des ablaufenden Schuljahrs noch acht- bis zehnmal gesagt worden, auch mit dem Hinweis, daß eine Fortsetzung der Lehrtätigkeit als beharrliche Arbeitsverweigerung angesehen und schwerwiegende Folgen für den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses haben werde. Wenn der Kläger dann trotzdem am Donnerstag, dem 14. August, und am Freitag, dem 15. August, vormittags dem Dienste ferngeblieben sei und statt dessen Unterricht am Gymnasium erteilt habe, so liege hierin eine beharrliche Arbeitsverweigerung und darüber hinaus auch eine vorsätzliche Vertragsverletzung. Der Kläger selbst habe zugestanden, daß er Dienststunden – mit Ausnahme der Tätigkeit im Außendienst – eingehalten habe er habe somit der Beklagten nicht nur eine wissenschaftliche Leistung geschuldet, sondern sei auch verpflichtet gewesen, ihr seine Arbeitskraft während der Dienststunden zur Verfügung zu stellen.
Das Landesarbeitsgericht hat weiter ausgeführt, daß die Beklagte nicht gegen das Gebot der Gleichbehandlung verstoßen habe, wenn sie einerseits dem Kläger die Unterrichtserlaubnis nur auf ein Jahr beschränkt erteilt und dann nicht wieder erneut gegeben hat, aber andererseits anderen Kollegen des Klägers eine Lehrtätigkeit an Universitäten und Technischen Hochschulen erlaubt.
Schließlich hat es das Landesarbeitsgericht dem Kläger angelastet, daß er nicht rechtzeitig seinen Vertrag mit der Unterrichtsverwaltung gekündigt hatte.
Bei der Abwägung hat das Landesarbeitsgericht gemeint, es könne keinem Zweifel unterliegen, daß die Nebentätigkeit des Klägers, deren Umfang es auf 16 bis 17 Stunden in der Woche veranschlagt hat, auf die Dauer eine Beeinträchtigung seiner für die Beklagte zu erbringenden Leistungen mit sich gebracht habe. Das habe die Beklagte nicht für die Dauer, auch nicht für die Dauer der Kündigungsfrist auf sich zu nehmen brauchen. Die Kündigung treffe den Kläger trotz seines Alters von 50 Jahren und einer Unterhaltspflicht gegenüber sechs minderjährigen Kindern deshalb nicht besonders schwer, weil er jetzt seine Lehrtätigkeit hauptberuflich ausübe.
Dem Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis beizupflichten. Allerdings gibt der Ausgangspunkt zu Bedenken Anlaß. Das Landesarbeitsgericht hat keinen Zweifel an der vollen Gültigkeit der Allgemeinen Anstellungs-Bedingungen gehabt, in denen die Beklagte jede entgeltliche Nebentätigkeit untersagt und von ihrer Genehmigung abhängig gemacht hat. Es erscheint aber im Hinblick auf Art. 12 GG bedenklich, einem Angestellten jedwede, auch eine mit seinen vertraglichen Pflichten durchaus vereinbare Nebentätigkeit zu untersagen und für sie eine Genehmigung des Arbeitgebers zu verlangen. Der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat kürzlich entschieden, daß die Bestimmung des § 60 HGB, die einem Handlungsgehilfen schlechthin den Betrieb eines Handelsgewerbes untersagt, im Hinblick auf Art. 12 GG verfassungskonform dahin auszulegen sei, daß der Handlungsgehilfe nur ein einschlägiges und daher mit seinen arbeitsvertraglichen Pflichten unvereinbares Handelsgewerbe zu unterlassen hat (vgl. BAG 25.5.1970 – 3 AZR 384/69). Es sei auch auf die Entwicklung im Beamtenrecht zur Frage der Nebentätigkeit verwiesen. Während im alten Beamtenrecht die Behörde im Erteilen und Widerrufen der Genehmigung zu einer Nebentätigkeit frei war (vgl. § 10 Abs. 3 des Deutschen Beamtengesetzes), besteht nach der jetzigen Regelung ein Anspruch des Beamten auf Erteilung der Genehmigung; diese darf nur versagt bzw. widerrufen werden, wenn zu besorgen ist, daß die Nebentätigkeit die dienstlichen Leistungen, die Unparteilichkeit oder die Unbefangenheit des Beamten oder andere dienstliche Interessen beeinträchtigen würde (§ 65 des Bundesbeamtengesetzes). Hiernach drängt es sich auf das in den Allgemeinen Anstellungs-Bedingungen der Beklagten allgemein enthaltene Verbot entgeltlicher Nebentätigkeit durch verfassungskonforme Auslegung auf die Fälle einzuschränken, in denen die Nebentätigkeit die vertraglich geschuldeten Leistungen beeinträchtigen würde, oder doch dem Angestellten für den Fall der Vereinbarkeit einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung zu gewähren.
Ob und in welchem Umfang das allgemeine Verbot entgeltlicher Nebentätigkeit einzuschränken ist, bedarf jedoch hier nicht der Entscheidung, weil es sich hier um eine Nebentätigkeit handelt, die – jedenfalls für Donnerstag – und Freitagvormittag – während der im Betriebe der Beklagten geltenden Dienststunden erbracht wurde. Eine solche Nebentätigkeit von der eigenen Zustimmung abhängig zu machen, kann dem Arbeitgeber nicht verwehrt werden.
Der Kläger meint, seine Arbeit sei gar nicht von den allgemeinen Dienststunden abhängig gewesen. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch aus der Bemerkung des Klägers, er habe – mit Ausnahme seiner Tätigkeit im Außendienst – die Dienststunden eingehalten, den Schluß gezogen, daß der Kläger nicht nur eine wissenschaftliche Leistung geschuldet habe, sondern auch verpflichtet gewesen sei, der Beklagten seine Dienstleistungen während der Dienststunden zu erbringen. Diese Schlußfolgerung bemängelt die Revision des Klägers als unverständlich. Es ist aber keineswegs unverständlich, aus der allgemeinen Einhaltung der Dienststunden auf eine Verpflichtung zu ihrer Einhaltung rückzuschließen. Außerdem liegt es im Anordnungsbereich der Beklagten, die Einhaltung von Dienststunden zu verlangen, es sei denn, daß das geradezu im Widerspruch zu der vereinbarten Dienstleistung stände, wie etwa der eines Forschers, der die Entwicklung von Experimenten zu beobachten hat, auf deren zeitlichen Ablauf er keinen Einfluß hat. Daß er eine solche Tätigkeit auszuüben gehabt habe, hat der Kläger jedoch nicht dargetan, jedenfalls nicht mit konkreten Angaben über seinen Arbeitsbereich.
Wenn ein solcher Sonderfall aber nicht vorliegt, kann ein Arbeitgeber auch von seinen wissenschaftlichen Mitarbeitern eine gewisse Anwesenheit verlangen, die das Zusammenspiel aller, auch mit den strikt an Dienststunden gebundenen Mitarbeitern gewährleistet,
Daß das Fehlen des Klägers am Donnerstag- und Freitagvormittag eine gewisse Beeinträchtigung im Betriebe der Beklagten bedeutete, bringt schon die zwischen den Parteien vereinbarte Kürzung des Gehalts zum Ausdruck. Zwar hatte die Beklagte bei der Erteilung der Genehmigung die Hoffnung ausgesprochen, daß ihr der Kläger weiterhin seine Arbeitskraft im bisherigen Umfange widmen werde. Aber mit gewissen Abstrichen oder doch jedenfalls Unbequemlichkeiten hat die Beklagte gerechnet, als sie einen gewissen Abzug vom Gehalt des Klägers vorsah, und auch der Kläger hat dies offensichtlich getan, wenn er hierauf einging.
Für den Fall einer Beeinträchtigung ihres Betriebes durch außerbetriebliche Nebentätigkeit darf aber eine solche, ohne daß darin ein Verstoß gegen Art. 12 GG läge, von der Genehmigung des Arbeitsgebers abhängig gemacht werden. Dann darf er sie auch zeitlich beschränken und braucht sie nach Ablauf nicht wieder zu erneuern.
Dadurch daß die Beklagte dem Kläger die befristete Genehmigung nach Ablauf der Befristung nicht erneut erteilte, hat sie auch nicht gegen das Gebot der Gleichbehandlung verstoßen. Bei den Kollegen des Klägers, die an Hochschulen Vorlesungen halten, liegt der Fall eben doch schon im Tatsächlichen, wie das Landesarbeitsgericht dargelegt hat, anders als beim Kläger. Von einer willkürlichen Schlechterbehandlung des Klägers kann somit nicht gesprochen werden.
Der Kläger hätte somit nach Ablauf der Genehmigung nicht weiterhin dem Vormittagsdienst bei der Beklagten fernbleiben und im Gymnasium unterrichten dürfen.
In der Zwangslage, zwei Arbeitgebern gegenüber verpflichtet zu sein, hätte der Kläger nicht zu sein brauchen. Nachdem er noch während des laufenden Unterrichtsjahrs mehrfach darauf hingewiesen worden war, daß er mit einer Verlängerung der Genehmigung nicht werde rechnen können, hätte er das der Unterrichtsverwaltung mitteilen und vorsorglich kündigen können; er hätte vielleicht sogar die Unterrichtsverwaltung bitten können, von höchster Ebene aus sein Gesuch um Verlängerung bei der Beklagten zu unterstützen. Auf keinen Fall durfte er, nachdem er schon am Donnerstag, dem 14. August 1969, dem Dienste bei der Beklagten ferngeblieben und deshalb unter Androhung ernster Folgerungen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses verwarnt worden war, auch am Freitag das Gleiche tun.
Mit Recht hat daher das Landesarbeitsgericht in seinem Fernbleiben am 15. August 1969 eine beharrliche Arbeitsverweigerung- und eine vorsätzliche Verletzung des Arbeitsvertrages gesehen. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht gerade aus dem Fernbleiben auch noch am 15. August 1969 geschlossen, daß der Kläger willens war, weiterhin allwöchentlich am Donnerstag und Freitag dem Dienst bei der Beklagten fernzubleiben. Das brauchte, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend bei der Abwägung in Betracht gezogen hat, die Beklagte auch nicht bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung hinzunehmen.
Die persönlichen Verhältnisse des Klägers hat das Landesarbeitsgericht berücksichtigt und dabei auch, daß der Kläger nunmehr bei der Schulverwaltung angestellt ist. Wenn der Kläger demgegenüber in seiner Revisionsbegründung (übrigens nicht mehr zulässigerweise) behauptet, er sei bei der Schulverwaltung nur solange angestellt, bis eine beamtete Lehrkraft eingestellt wird, so übersieht er, daß er bei der Beklagten ein ebenfalls kündbarer Angestellter war.
Unterschriften
gez. Dr. König, Dr. Meier-Scherling, Dr. Rengier, Wirtz, K. Hauenschild
Fundstellen
Haufe-Index 437487 |
BB 1971, 397 |
DB 1971, 581 |
ARST 1971, 86 |
ArbuSozR 1971, 103 |
ArbuR 1971, 57 |