Entscheidungsstichwort (Thema)

Antragsbefugnis des Betriebsrats für Individualansprüche

 

Orientierungssatz

Macht ein Betriebsrat die individualrechtliche Unwirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Befristungsklausel geltend, handelt er als Prozeßstandschafter, so daß eine Antragsbefugnis entfällt. Auch aus dem Vorbringen des Betriebsrats, mit der Befristungsklausel würden die ihm nach dem Betriebsverfassungsgesetz zustehenden Mitwirkungsrechte nach §§ 102, 99, 98, 92, 111, 75 Abs 1 BetrVG umgangen und ausgehebelt, ergibt sich die Antragsbefugnis nicht.

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Entscheidung vom 01.10.1991; Aktenzeichen 6 TaBV 36/91)

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 28.11.1990; Aktenzeichen 14 BV 25/90)

 

Tatbestand

Gründe

A.Der Antragsteller ist der gemäß einem Tarifvertrag für alle Einrichtungen des Arbeitgebers im Land Hessen mit Ausnahme der Hauptgeschäftsführung und des Berufsbildungszentrums Frankfurt zuständige Betriebsrat. Er begehrt im vorliegenden Beschlußverfahren festzustellen, daß die Mitarbeiterin Anette F über den 31. Juli 1993 (dem arbeitsvertraglich vorgesehenen Ende des Arbeitsverhältnisses) hinaus unbefristet beschäftigt ist.

Der Arbeitgeber betreibt neben anderen Einrichtungen eine Berufsbildungsstätte in D , die im Rahmen der überbetrieblichen Berufsbildung Kurse zur beruflichen Qualifikation sowie weitere berufliche Qualifikations- und REHA-Kurse durchführt. Dort sind derzeit durchschnittlich 20 ständige Mitarbeiter sowie etwa 10 Mitarbeiter aufgrund befristeter Arbeitsverträge und ca. 20 Honorarkräfte beschäftigt. Die Mitarbeiterin Anette F steht seit 1. Februar 1989 als Sozialbetreuerin in den Diensten des Arbeitgebers. Ihr Anstellungsvertrag war bis 31. Juli 1989, anschließend bis zum 31. Juli 1990 und ist nunmehr bis zum 31. Juli 1993 befristet. Sie betreut derzeit eine Gruppe von 12 Jugendlichen, die sich in der Berufsausbildung zu Metallwerkern im ersten bis dritten Beschäftigungsjahr befinden.

Der Betriebsrat hält solche Befristungen für unwirksam, da sie mit den Anforderungen, die das Bundesarbeitsgericht zur Rechtfertigung von Befristungsklauseln für vorübergehende, drittmittelfinanzierte Aufgaben und Daueraufgaben des Arbeitgebers stellt, nicht in Einklang stünden. Er meint, durch unwirksame Befristungsklauseln in seinen betriebsverfassungsmäßigen Rechtspositionen unmittelbar betroffen zu sein, weil sie seine Mitwirkungsrechte nach §§ 102, 103 BetrVG aushebelten, ohne daß er sich hiergegen zur Wehr setzen könne. Unwirksame Befristungsabreden würden auch seine Kompetenzen bei personellen Maßnahmen anderer Mitarbeiter berühren. Die Frage der Befristung sei auch bei Wahrung seiner Rechte nach § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG maßgeblich. Vergleichbar im Sinne der Sozialauswahl könnten nur solche Beschäftigte mit ähnlicher Betriebszugehörigkeit wie der zu Kündigende sein. Auch bei Weiterbildungsmaßnahmen könne der Betriebsrat seine Rechte nicht voll ausnützen, wenn unsicher sei, ob die Befristung unwirksam sei. Das Gleiche gelte bei Betriebsänderungen durch Personalabbau, weil das planmäßige Ausscheiden befristet Beschäftigter nicht zu berücksichtigen sei. Desweiteren hänge die Wählbarkeit der befristet Beschäftigten von der Wirksamkeit der Befristungsabrede ab. Er - der Betriebsrat - habe aus Gründen der Chancengleichheit für alle Beschäftigten ein Interesse an einer frühzeitigen Klärung der Befristungsfrage. Im übrigen könne er bei unwirksamen Befristungen seine Rechte nach § 92 BetrVG nicht ordnungsgemäß wahrnehmen, da für seine Anhörungsrechte bei Personalplanungen ganz wesentlich sei, wieviele der abhängig Beschäftigten unbefristet tätig seien. Letztlich meint er, Arbeitsverträge mit unwirksamen Befristungen könnten gegen § 75 Abs. 1 BetrVG verstoßen, da sie zu einer Dauerbelastung der gesamten Belegschaft und für die betroffenen Beschäftigten führten und eine Spaltung der Belegschaft verursachten.

Der Betriebsrat hat zuletzt beantragt:

festzustellen, daß die Kollegin Anette F

auch über den 31. Juli 1993 hinaus

unbefristet beschäftigt ist;

hilfsweise

den Beteiligten zu 2) zu verpflichten, das Be-

schäftigungsverhältnis mit Anette F

als unbefristet anzuerkennen;

ganz hilfsweise,

den Beteiligten zu 2) zu verpflichten, außer-

halb des Anwendungsbereiches des Beschäfti-

gungsförderungsgesetzes keine Fristverträge

abzuschließen, wenn Drittmittelfinanzierung

zur Erfüllung staatlicher Daueraufgaben, wie

der überbetrieblichen Ausbildung nach

§§ 40 ff. AFG, dem Benachteiligtenprogramm

nach § 40 c AFG, der Umschulung nach § 47 AFG

oder den Sprachkursen für Spätaussiedler nach

§ 68 c AFG, dient.

Der Arbeitgeber hat der Zulassung des erstmals im Beschwerderechtszug gestellten letzten Hilfsantrages widersprochen und beantragt,

die Anträge abzuweisen.

Er ist der Auffassung, der Betriebsrat könne die anhängig gemachten Individualansprüche einzelner Arbeitnehmer weder im Beschlußverfahren noch sonst geltend machen, da die gerügte Befristungsklausel kollektive Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht berühre. Der Betriebsrat habe auch kein Rechtsschutzinteresse für die Feststellungsanträge, da noch nicht abzusehen sei, ob das befristete Arbeitsverhältnis weiterverlängert werde, und da die Geltendmachung seines Fortbestandes über den vereinbarten Endtermin hinaus dem einzelnen Arbeitnehmer überlassen bleiben müsse.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Betriebsrats abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht mit Beschluß vom 1. Oktober 1991 zurückgewiesen und zugleich im Tenor der angefochtenen Entscheidung die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seine vor dem Landesarbeitsgericht gestellten Anträge weiter, während der Arbeitgeber bittet, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

B.Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. I.Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Nach § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG ist in der Rechtsbeschwerdebegründung anzugeben, inwieweit eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung beantragt wird. Zwar hat der Betriebsrat in der Rechtsbeschwerdeinstanz keinen Sachantrag gestellt, sondern nur Aufhebung des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts und Zurückverweisung beantragt. Seinem gesamten Vortrag ist aber zu entnehmen, daß er alle Sachanträge, d.h. Haupt- und Hilfsanträge, weiterverfolgt. Den Anforderungen an einen Rechtsmittelantrag ist damit Genüge getan (vgl. Senatsbeschluß vom 22. Oktober 1985 - 1 ABR 81/83 - AP Nr. 24 zu § 99 BetrVG 1972, zu B I der Gründe, m.w.N.).

II.Die Beteiligung eines nicht Beteiligten durch das Landesarbeitsgericht kann vom Bundesarbeitsgericht nur auf eine förmliche Rüge dieses Verfahrensfehlers hin geprüft werden (Germelmann/ Matthes/Prütting, ArbGG, § 83 Rz 35). Dies ist nicht geschehen, so daß davon auszugehen ist, daß die Arbeitnehmerin F Beteiligte ist.

III.Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet, da die Anträge des Betriebsrats unzulässig sind.

1.Mit dem Haupt- und dem ersten Hilfsantrag macht der Betriebsrat die Unwirksamkeit der im Arbeitsvertrag der Arbeitnehmerin F vereinbarten Befristungsklausel geltend.

a)Das Landesarbeitsgericht hat diesen Rechtsstreit richtigerweise im Beschlußverfahren entschieden.

aa)Die Prüfung der Frage, ob das Landesarbeitsgericht in der richtigen Verfahrensart entschieden hat, ist dem Senat nicht deswegen versagt, weil nach § 93 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 65 ArbGG in der Fassung des 4. VwGO-ÄndG vom 17. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2809) das Rechtsmittelgericht nicht prüft, ob die Verfahrensart zulässig ist.

Maßgebend ist, daß die Entscheidung des Arbeitsgerichts am 28. November 1990, also vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung am 1. Januar 1991, erging. Der Senat hat in seiner auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehenen Entscheidung vom 20. August 1991 (- 1 ABR 85/90 -) im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entschieden, daß die Frage der Zulässigkeit der Verfahrensart in den Fällen, in denen dem Arbeitsgericht eine Vorabentscheidung nach Maßgabe der gesetzlichen Neuregelung nicht möglich ist, vom Rechtsmittelgericht geprüft werden muß.

bb)§ 2 a Abs. 1 ArbGG erfaßt für das Beschlußverfahren mit einer umfassenden Zuständigkeit all diejenigen Fälle, in denen die durch das Betriebsverfassungsgesetz geregelte Ordnung des Betriebes und die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Betriebspartner als Träger dieser Ordnung im Streit sind (BAGE 50, 37, 40 = AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Werkmietwohnungen, zu B II 1 der Gründe, m.w.N.).

Vorliegend ist das Beschlußverfahren die richtige Verfahrensart, weil sich der Betriebsrat zwar mit seinem Haupt- und seinem ersten Hilfsantrag gegen die Wirksamkeit der Befristung eines Arbeitsvertrages im Einzelfall wendet, seinem Vorbringen jedoch zu entnehmen ist, daß es ihm auch um die Umgehung betriebsverfassungsrechtlicher Beteiligungsrechte durch die Vereinbarung befristeter Arbeitsverträge geht. Damit sind aber Rechte der Betriebspartner als Träger der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung im Streit.

b)Im Ergebnis zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dem Betriebsrat fehle die Antragsbefugnis für sein mit dem Hauptantrag und dem ersten Hilfsantrag verfolgtes Begehren.

aa)Der Senat hat sich in seiner Entscheidung vom 23. Februar 1988 (- 1 ABR 75/86 - AP Nr. 9 zu § 81 ArbGG 1979) ausführlich mit der Problematik der Antragsbefugnis im Beschlußverfahren auseinandergesetzt und ausgeführt, daß jede natürliche oder juristische Person oder jede nach § 10 ArbGG beteiligungsfähige Stelle im Beschlußverfahren antragsbefugt ist, wenn sie ausweislich ihres Antrags ein eigenes Recht geltend macht. Wer eine Leistung an sich verlangt, ist antragsbefugt. Ob er die Leistungen beanspruchen kann, ist eine Frage der Begründetheit des Antrages. Antragsbefugt ist auch der, der die Feststellung eines Rechtsverhältnisses beantragt, an dem er selbst beteiligt ist. Wenn nach § 256 ZPO auch die Feststellung eines Rechtsverhältnisses beantragt werden kann, soweit dieses für die Rechtsbeziehung des Antragstellers zu einem Dritten von Bedeutung ist, gilt dies auch im Beschlußverfahren. Darüber hinaus gibt es zahlreiche ausdrücklich normierte Antragsrechte, denen gemeinsam ist, daß in ihnen dem Antragsteller die Befugnis eingeräumt wird, eine Entscheidung zu beantragen, die nicht über das Bestehen oder Nichtbestehen eigener Rechte des Antragstellers ergeht, sondern auf die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung mehr oder weniger gestaltend oder feststellend einwirkt. Eine solche Befugnis besteht nur, wenn das Betriebsverfassungsgesetz sie gewährt. Das kann ausdrücklich geschehen, oder aber sich auch unmittelbar aus dem materiellen Recht ergeben. In der Entscheidung vom 23. Februar 1988 (aaO) hat der Senat weiter ausgeführt, es sei mißverständlich, wenn die Antragsbefugnis danach bestimmt werde, ob der Antragsteller durch die begehrte Entscheidung in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung betroffen werden könne. Entscheidend sei vielmehr, ob er durch die Entscheidung überhaupt in seiner Rechtsstellung betroffen werde. Dies sei immer dann der Fall, wenn er eigene Rechte geltend macht.

Diese Gesichtspunkte hat das Landesarbeitsgericht zwar nicht zutreffend gewürdigt; es stützt seine Entscheidung vielmehr gerade auf die in dem vorgenannten Beschluß aufgegebene Rechtsprechung des Senats vom 18. August 1987 (BAGE 56, 44 = AP Nr. 6 zu § 81 ArbGG 1979).

bb)Gleichwohl folgt der Senat im Ergebnis dem Landesarbeitsgericht in der Annahme, der Betriebsrat sei nicht antragsbefugt.

Im vorliegenden Falle versucht der Betriebsrat in Wirklichkeit, als Prozeßstandschafter der Arbeitnehmerin F die individualrechtliche Unwirksamkeit der arbeitsvertraglichen Befristungsklausel geltend zu machen. Dementsprechend setzt sich der Betriebsrat in weiten Teilen seiner Begründung mit der Frage auseinander, ob die Befristung des Arbeitsvertrages von Frau F mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Befristungskontrolle in Übereinstimmung zu bringen ist und verneint dies, weshalb er die Befristung in den Arbeitsverträgen der Frau F für unwirksam hält. Macht der Betriebsrat aber die Unwirksamkeit der Befristung des Arbeitsvertrages eines Arbeitnehmers geltend, handelt er als Prozeßstandschafter, so daß eine Antragsbefugnis entfällt.

Auch aus dem Vorbringen des Betriebsrats, mit der Befristungsklausel würden die ihm nach dem Betriebsverfassungsgesetz zustehenden Mitwirkungsrechte nach §§ 102, 99, 98, 92, 111, 75 Abs. 1 BetrVG umgangen und ausgehebelt, ergibt sich die Antragsbefugnis nicht.

Bei genauer Betrachtung zeigt sich, daß der Betriebsrat entsprechend seinen Anträgen nur die Unwirksamkeit der Befristung des Arbeitsverhältnisses der Frau F festgestellt haben will. Er macht also nicht die Verletzung eigener Rechte geltend. Tatsächlich werden durch die Befristung eines Arbeitsvertrages die Rechte des Betriebsrats nicht verkürzt. Wenn die Befristung wirksam ist, kann die Rechtsstellung des Betriebsrats nicht berührt sein. Ist die Befristungsklausel aber unwirksam, besteht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, so daß der Betriebsrat auch in diesem Falle seine Beteiligungsrechte voll wahrnehmen kann. Dies zeigt, daß es dem Betriebsrat in Wirklichkeit nicht um die Sicherung seiner Beteiligungsrechte geht, sondern daß er für Frau F in Prozeßstandschaft die Unwirksamkeit der Befristungsabrede festgestellt haben will, damit deren Arbeitsverhältnis nicht durch ein Gerichtsverfahren belastet wird.

Eine Prozeßstandschaft für den einzelnen Arbeitnehmer läßt sich nicht aus dem Betriebsverfassungsgesetz ableiten, insbesondere nicht aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, der dem Betriebsrat die Aufgabe zuweist, die Einhaltung von Gesetzen zu überwachen. Der Senat hat entschieden, daß dieser Überwachungsaufgabe für den Betriebsrat kein eigener im Beschlußverfahren durchsetzbarer Anspruch gegen den Arbeitgeber zu entnehmen ist, die Gesetze gegenüber seinen Arbeitnehmern einzuhalten und durchzuführen (Senatsbeschluß vom 16. Juli 1985 - 1 ABR 9/83 - AP Nr. 17 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung).

Der Betriebsrat ist vielmehr darauf beschränkt, die mangelhafte Beachtung der Vorschriften beim Arbeitgeber zu beanstanden und auf Abhilfe zu drängen (BAGE 52, 150 = AP Nr. 26 zu § 80 BetrVG 1972; Beschluß vom 24. Februar 1987 - 1 ABR 73/84 - AP Nr. 28 zu § 80 BetrVG 1972). Weitergehende Rechte kann der Betriebsrat auch nicht aus §§ 2, 75 Abs. 1 BetrVG ableiten, die inhaltlich allgemeiner gefaßt sind als § 80 BetrVG. Dem Zusammenhang der Mitwirkungsrechte nach § 99 und § 102 BetrVG ist zu entnehmen, daß das hier vom Betriebsrat in Anspruch genommene Kontrollrecht über arbeitsvertragliche Vereinbarungen nicht besteht. Nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG kann der Betriebsrat seine Zustimmung zur Einstellung eines Arbeitnehmers nicht mit der Begründung verweigern, er halte die vertraglich vorgesehene Befristung des Arbeitsverhältnisses für unzulässig. In diesem Falle verstößt nicht die Einstellung des Arbeitnehmers gegen ein Gesetz, sondern die vorgesehene Art der späteren Beendigung (BAGE 49, 180 = AP Nr. 21 zu § 99 BetrVG 1972). Aus dem Umstand, daß der Betriebsrat bei der späteren Beendigung durch Fristablauf mangels Kündigung auch keine Mitwirkungsrechte nach § 102 BetrVG hat, folgt nicht, wie vom Betriebsrat gewünscht, daß ihm eine andere Möglichkeit zuerkannt werden müsse, die Unwirksamkeit der einzelvertraglichen Befristung geltend zu machen. Den genannten Vorschriften ist vielmehr zu entnehmen, daß das Gesetz dem Betriebsrat bewußt das inhaltliche Kontrollrecht über die Arbeitsverträge jedenfalls nicht auch insoweit gewähren wollte, als der Betriebsrat dadurch in die Lage versetzt würde, als Prozeßstandschafter des Arbeitnehmers aufzutreten. Dementsprechend sind der Haupt- und erste Hilfsantrag unzulässig.

2.Auch der zweite Hilfsantrag ist unzulässig. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler die Zulassung dieses erstmals in der Beschwerdeinstanz gestellten Antrags nach fehlender Zustimmung des Arbeitgebers mangels Sachdienlichkeit zurückgewiesen.

Die Entscheidung kann vom Rechtsmittelgericht nur daraufhin geprüft werden, ob die Vorinstanz den Begriff der Sachdienlichkeit verkannt und damit die Grenze seines Ermessens überschritten hat. Nach ständiger Rechtsprechung kommt es für die Frage der Sachdienlichkeit nicht auf die subjektiven Interessen einer Partei an, sondern darauf, ob und inwieweit die Zulassung der Klageänderung den sachlichen Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits ausräumt und einem anderenfalls zu gewärtigenden Rechtsstreit vorbeugt (BGH Urteil vom 10. Januar 1985 - III ZR 93/83 - NJW 1985, 1841, 1842). Maßgeblich ist der Gesichtspunkt der Prozeßwirtschaftlichkeit. Daher steht der Sachdienlichkeit einer Klageänderung im Berufungsrechtszug regelmäßig nicht entgegen, daß der Beklagte im Fall ihrer Zulassung eine Tatsacheninstanz verliert. Ebensowenig berührt es die Zulässigkeit der Klageänderung, daß aufgrund ihrer Zulassung neue Parteierklärungen oder Beweiserhebungen nötig werden und dadurch die Erledigung des Prozesses verzögert wird. Die Sachdienlichkeit einer Klageänderung ist allerdings im allgemeinen dann zu verneinen, wenn ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt werden soll, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozeßführung nicht berücksichtigt werden kann (BGH, aaO).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, den neuen Antrag nicht zuzulassen, nicht rechtsfehlerhaft. Das Landesarbeitsgericht hat in seiner Argumentation darauf abgestellt, daß dieser Hilfsantrag das künftige Einstellungsverhalten des Arbeitgebers betrifft und damit anders als die ersten Anträge nicht auf eine konkrete Befristungsklausel abstellt.

Sind also alle drei Anträge unzulässig, war die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats zurückzuweisen.

Dr. Kissel Matthes Dr. Weller

Rösch Lappe

 

Fundstellen

Haufe-Index 518985

NZA 1992, 1089

NZA 1992, 1089-1090 (ST1)

ArbuR 1992, 181 (T)

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