Leitsatz

1. Aufwendungen für die Sanierung eines mit Dioxin belasteten Grundstücks sind außergewöhnlich, wenn den Grundstückseigentümer kein Verschulden an der Belastung trifft, die Belastung für ihn zum Zeitpunkt des Grundstückserwerbs nicht erkennbar war und realisierbare Ersatzansprüche gegen Dritte nicht gegeben sind. Sie erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn dieser bodenschutzrechtlich zur Sanierung verpflichtet ist.

2. Ohne bodenschutzrechtliche Sanierungsverpflichtung können die Aufwendungen zwangsläufig sein, wenn das Grundstück als übliches Hausgrundstück einen Gegenstand des existenziellen Bedarfs darstellt und von ihm eine konkrete Gesundheitsgefährdung ausgeht, die durch ein vor der Sanierung erstelltes amtliches technisches Gutachten nachgewiesen wird.

3. Zum existenznotwendigen Wohnbedarf einer Familie gehört nicht nur der unmittelbare Wohnbereich eines Einfamilienhauses, sondern auch das Hausgrundstück, soweit es nicht über das Notwendige und Übliche hinausgeht.

 

Normenkette

§ 33 EStG

 

Sachverhalt

Die Kläger waren bodenschutzrechtlich verpflichtet, auf dem Nachbargrundstück den Boden bis zu 1 m Tiefe auszutauschen. Für ihr Einfamilienhausgrundstück wurde ihnen lediglich eine Oberflächensanierung empfohlen. Gleichwohl tauschten sie auch hier den Boden aus. Erst während der Arbeiten stellte sich auch bei dem Einfamilienhausgrundstück eine Grenzwertüberschreitung heraus.

Das FG ließ lediglich die Aufwendungen für das Nachbargrundstück zum Abzug zu (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.03.2004, 11 K 269/99, Haufe-Index 1369187, DStRE 2005, 813).

 

Entscheidung

Der BFH anerkannte die Aufwendungen für die Sanierung beider Grundstücke als außergewöhnliche Belastung. Das FG-Urteil wurde aufgehoben und die Sache zur Feststellung der Höhe der Sanierungskosten zurückverwiesen.

 

Hinweis

Die Entscheidung betrifft zwei unterschiedliche Sachverhalte: Zum einen geht es um die Sanierung eines Einfamilienhausgrundstücks. Zum anderen waren auch Aufwendungen streitig, die den Klägern für den Bodenaustausch auf einem an ihr Wohngrundstück angrenzendes Nachbargrundstück (Rasenfläche mit Obstbäumen) entstanden waren.

1. Hinsichtlich des Einfamilienhausgrundstücks liegt die Entscheidung auf der bisherigen Rechtsprechungslinie. Danach entstehen Aufwendungen zur Beseitigung konkreter Gesundheitsgefährdungen, die von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs ausgehen, aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig und sind als außergewöhnliche Belastung abziehbar.

Die konkrete Gesundheitsgefährdung muss durch ein vor der Durchführung der Beseitigungsmaßnahmen erstelltes amtliches technisches Gutachten nachgewiesen werden (BFH, Urteil vom 09.08.2001, III R 6/01, BFH/NV 2002, 249, BFH/PR 2002, 49 betr. Asbestsanierung  der Außenfassade eines Wohnhauses; BFH, Urteil vom 23.05.2002, III R 52/99, BFH/NV 2002, 1229, BFH/PR 2002, 410 betr. Austausch mit Formaldehyd verseuchter Möbel).

Der BFH bestätigt, dass das Wohnen in einem eigenen "kleinen" Einfamilienhaus nicht ungewöhnlich und unnötig ist. Notwendige Aufwendungen zur Wiederherstellung eines selbst genutzten Einfamilienhauses nach Eintritt eines außergewöhnlichen Schadensereignisses sind daher nicht vom Abzug nach § 33 EStG ausgeschlossen (BFH, Urteil vom 06.05.1994, III R 27/92, Haufe-Index 65281, BStBl II 1995, 104 betr. Beseitigung von Wasserschäden).

Für den Nachweis enthält die Entscheidung insoweit eine Präzisierung, als auch eine erst während der Sanierungsarbeiten durch ein entsprechendes Gutachten festgestellte, den Grenzwert überschreitende Schadensbelastung genügt. Im Regelfall gewährleistet nur das Erfordernis der vorherigen Begutachtung die Eindeutigkeit der Gesundheitsgefährdung, da sich im Nachhinein häufig das Ausmaß der Beeinträchtigung nicht mehr feststellen lässt. Dies ist naturgemäß anders, wenn sich jedenfalls noch vor dem Abschluss der Maßnahme ebenso eindeutige Feststellungen treffen lassen (ähnlich BFH, Urteil vom 15.03.2007, III R 28/06, BFH/NV 2007, 1841 betr. Fällen von Birken wegen Allergie).

2. Für das Nachbargrundstück lag zwar eine vorherige Analyse vor, die die Grenzwertüberschreitung und die Notwendigkeit eines Bodenaustauschs ergab. Insoweit handelte es sich jedoch nicht um einen Gegenstand des existenziellen Bedarfs. Dieser umfasst neben dem Wohnbereich eines Einfamilienhauses lediglich die dazugehörende übliche Terrassen- und Gartenfläche, nicht jedoch eine darüber hinausgehende Rasenfläche.

Die Entscheidung bedeutet insofern eine Erweiterung der bisherigen Grundsätze, als auch bei einem Gegenstand, der nicht zum existenznotwendigen Bedarf rechnet (hier das Nachbargrundstück), Aufwendungen zur Beseitigung konkreter Gesundheitsgefährdungen als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden können. Dafür stellt der BFH allerdings strenge Voraussetzungen auf:

  • Öffentlich-rechtliche Sanierungsverpflichtung,
  • kein Verschulden an der Belastung,
  • die Belastung darf beim Erwerb nicht erkennbar gewesen sein,
  • Fehlen realisierbarer Ersatzansprüche gegen Dr...

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