Leitsatz

1. Die Annahme einer Zollanmeldung ist zu widerrufen, wenn ihr Verbote und Beschränkungen entgegenstehen. Hat die Zollbehörde die Rücknahme der Annahme erklärt, obwohl die Voraussetzungen des Art. 27 UZK nicht erfüllt sind, schließt das die Umdeutung in einen Widerruf nach Art. 28 UZK nicht aus.

2. Die Altvertragsklausel des § 77 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AWV erfasst nur solche Verträge und Vereinbarungen, mit denen konkrete vertragliche Leistungspflichten bereits vor dem 01.08.2014 begründet worden sind. Ob das der Fall ist, kann nur nach Maßgabe des jeweils einschlägigen (ggf. ausländischen) Rechts bestimmt werden.

3. Es ist Aufgabe des FG als Tatsacheninstanz, das maßgebende ausländische Recht von Amts wegen zu ermitteln (§ 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 293 ZPO). An die Ermittlungspflicht sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je komplexer oder fremder das anzuwendende Recht im Vergleich zum eigenen ist.

 

Normenkette

Art. 29 EUV, Art. 215 AEUV, Art. 2 Abs. 3 und 4, Art. 9 Abs. 1 Beschluss 2014/512/GASP, Art. 3 Rom I-VO, Art. 5, Art. 27, Art. 28, Art. 77, Art. 134, Art. 172 UZK, § 1 Abs. 1, § 2, § 4 AWG, § 77 Abs. 1 Nr. 6 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AWV, § 7 ZollVG, § 100 Abs. 1 Satz 4, § 155 Satz 1 FGO, § 293, § 560 ZPO

 

Sachverhalt

Der Importeur wollte Sport- und Jagdmunition aus Russland einführen, die dem Einfuhrverbot des § 77 Abs. 1 Nr. 6 AWV unterliegen. Er berief sich auf die Altvertragsklausel in § 77 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AWV. Nachdem die Zollanmeldungen zunächst angenommen worden waren, nahm das HZA die Annahme später zurück. Der Kaufvertrag, in dessen Erfüllung die streitgegenständlichen Lieferungen erfolgten, wurde zwar vor dem Stichtag (1.8.2014) abgeschlossen. Er war jedoch zeitlich befristet bis zum 21.12.2012 und wurde nach dem Stichtag durch sog. Supplemente mehrfach verlängert. Das HZA wertete diese Vertragsverlängerungen als Neuvertrag.

Das FG wies die Klage ab (FG Hamburg, Urteil vom 5.12.2017, 4 K 12/17, Haufe-Index 11526502). Es war der Ansicht, es handele sich um einen Rahmenvertrag, der für sich genommen weder Liefer- noch Abnahmeverpflichtungen begründe. Die Altvertragsklausel in § 77 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AWV erfasse jedoch nur die Erfüllung von konkreten schuldrechtlichen Leistungspflichten und diese müssten vor dem Stichtag begründet worden sein.

Hiergegen richtete sich die Revision der Klägerin.

 

Entscheidung

Der BFH hat die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Das FG wird zu ermitteln haben, ob nach Maßgabe des russischen Rechts bereits vor dem 1.8.2014 konkrete vertragliche Leistungspflichten begründet waren.

 

Hinweis

1. Der Zollsenat des BFH hatte sich in der Vergangenheit wiederholt mit den sog. Verboten und Beschränkungen für den Warenverkehr zu befassen. Diese Regelungen ergeben sich sowohl aus nationalem wie auch aus europäischem Recht und können die Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr beschränken (z.B. zum Arzneimittelrecht: BFH, Urteil vom 21.7.2009, VII R 2/08, BFH/NV 2009, 1927; zu Markenrechtsverstößen: BFH, Urteil vom 7.10.1999, VII R 89/98, BFH/NV 2000, 613; zum Artenschutz: BFH, Beschluss vom 15.10.2019, VII R 23/18, BFH/NV 2020, 489). Der Streitfall bot dem BFH die Gelegenheit, sich zur Reichweite der Altvertragsklausel beim Russland-Embargo zu äußern. Die Bedeutung dieser Entscheidung fußt zum einen darauf, dass eine Vielzahl von Unternehmen betroffen sein dürften, und zum anderen darauf, dass auch andere Regelungen einen Vertrauensschutz durch eine Altvertragsklausel enthalten. So finden sich ähnliche Vorschriften in anderen Embargo-Regelungen (siehe allgemein Aufstellung der Embargo-Regelungen unter: https://www.bafa.de/DE/Aussenwirtschaft/Ausfuhr­kontrolle/Embargos/embargos_node.html).

2. Im Streitfall hatte die Klägerin Munition aus Russland zur Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet. Das HZA nahm die zuvor erfolgte Annahme einer Zollanmeldung nach Art. 27 UZK zurück. Das FG hat diese Rücknahme in einen Widerruf gemäß Art. 28 Abs. 1 Buchst. a UZK umgedeutet. Dieser Umdeutung ist der BFH gefolgt. Denn nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist eine unzutreffende Bezeichnung der Änderungsvorschrift unbeachtlich, wenn zum Zeitpunkt des Verwaltungshandelns die tatbestandlichen Voraussetzungen einer anderen Änderungsvorschrift erfüllt sind.

3. Ausdrücklich geklärt hat der BFH die Frage, ob Zollstellen die Annahme der Zollanmeldung ablehnen müssen, wenn Verbote und Beschränkungen entgegenstehen, wie es in § 7 Abs. 1 Nr. 3 ZollVG geregelt ist. Das ist im Schrifttum umstritten (Lux, ZfZ 2020, 362). Allerdings schließt der UZK den Rückgriff auf ergänzende Vorschriften auf einzelstaatlicher Ebene gemäß Art. 5 Nr. 2 Buchst. a UZK nicht aus, sodass aus diesem Grund auch § 7 Abs. 1 Nr. 3 ZollVG neben Art. 172 Abs. 1 UZK zur Anwendung kommt.

4. Der BFH hat sich umfassend mit der sog. Altvertragsklausel befasst. Gemäß § 77 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 6 AWV gilt das Einfuhrverbot in Bezug auf Russland nicht für die Einfuhr oder Beförderung v...

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