Leitsatz

Wird in der Anlage "ESt 1, 2, 3 B" zum einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid die Spalte zum Korrekturbetrag nach § 15a Abs. 1, 2 oder 3 EStG von der Finanzbehörde nicht ausgefüllt, so kann ohne zusätzliche Anhaltspunkte der Empfänger des Gewinnfeststellungsbescheids unter Berücksichtigung von Treu und Glauben nicht von einer zugleich getroffenen – negativen – einheitlichen und gesonderten Feststellung auch über die Höhe des verrechenbaren Verlusts dieses Feststellungszeitraums ausgehen.

 

Normenkette

§ 118 Satz 1, § 124 Abs. 1 Satz 2, § 179 Abs. 3, § 182 Abs. 1 AO, § 133, § 157 BGB, § 15a Abs. 1, 2, 4 und 5 EStG, § 56 Abs. 1 und 2 FGO

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der an einer GmbH atypisch still beteiligten Erblasserin. Das FA hatte für die GmbH & atypisch Still für die Streitjahre 1997 und 1998 gesondert und einheitlich endgültig und bestandskräftig Verluste von rd. 255.000 DM und 155.000 DM festgestellt. Im Rahmen der Bearbeitung der Feststellungserklärung für 1999 forderte das FA die Erblasserin auf, Erklärungen zur Feststellung der verrechenbaren Verluste für die Jahre 1997 bis 1999 einzureichen.

Nachdem die Erblasserin die Berechtigung des FA zur nachträglichen Feststellung für die Streitjahre verneinte, erließ das FA entsprechende Feststellungsbescheide, in denen es die verrechenbaren Verluste zum 31.12.1997 mit rd. 67.000 DM und zum 31.12.1998 mit 179.000 DM feststellte. Der BFH hob das stattgebende Urteil des FG auf und wies die Klage als unbegründet ab.

 

Entscheidung

Der BFH gewährte zunächst Wiedereinsetzung in die vom FA versäumte Revisionsbegründungsfrist, weil nach der Rechtsprechung des BVerfG und des BFH Verzögerungen bei der Briefbeförderung oder -zustellung dem Rechtsmittelführer nicht als Verschulden angelastet werden dürfe, sofern er das zu befördernde Schriftstück rechtzeitig und entsprechend den postalischen Bestimmungen zur Post gegeben habe.

Der Rechtsmittelführer dürfe auf die amtlich von der Post verlautbarten Beförderungszeiten vertrauen und insbesondere Rechtsmittelfristen voll ausschöpfen. Allerdings müsse er gegen Ende einer Frist eine entsprechende Beförderungsart wählen. Auch treffe ihn grundsätzlich keine zusätzliche Erkundigungspflicht bei der Empfangsbehörde.

Nach den gesamten, vom FG festgestellten Umständen habe der Empfänger die Gewinnfeststellungsbescheide für 1997 und 1998 nicht dahingehend verstehen können, dass allein durch die darin vom FA nicht ausgefüllte Rubrik in der Anlage ESt 1, 2, 3 B zugleich eine gesonderte und einheitliche negative Feststellung über nur verrechenbare Verluste getroffen worden sei mit der Folge, dass es sich insoweit bei den der Erblasserin zugeteilten Verlusten um in vollem Umfang ausgleichsfähige Verluste handelte.

Weder seien Erklärungen über die verrechenbaren Verluste abgegeben worden noch handle es sich um notwendige, im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung zu treffende Feststellungen.

Notwendige Feststellungen seien solche, die im Einzelfall in dem konkreten Feststellungsverfahren und nicht erst in einem Folgeverfahren getroffen werden müssten.

Allein die im Vordruck für die Gewinnfeststellung eröffnete Möglichkeit, auch den verrechenbaren Verlust festzustellen, biete keinen Anhaltspunkt für eine entsprechende Ermessensentscheidung des FA. Ohne ausreichende konkrete Umstände dürfe auch nicht fiktiv auf einen Verwaltungsakt geschlossen werden.

 

Hinweis

1. Der nur verrechenbare Verlust eines atypisch still beteiligten Gesellschafters ist (vgl. § 15a Abs. 5 EStG), ausgehend von dem verrechenbaren Verlust des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs, jährlich von Amts wegen durch das Betriebsstätten-FA festzustellen. Diese Feststellung, die nur hinsichtlich der Änderung gegenüber dem Vorjahr anfechtbar ist, kann nach pflichtgemäßem Ermessen mit der gesonderten und einheitlichen Feststellung der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte verbunden werden und ergeht dann ebenfalls einheitlich.

2. Die Feststellung des verrechenbaren Verlusts ist stets ein selbstständiger Verwaltungsakt, für den die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung Bindungswirkung als Grundlagenbescheid entfaltet. Über die Frage, ob ein zugeteilter Verlustanteil ausgleichfähig oder nur verrechenbar ist, ist ausschließlich im Verfahren zur Feststellung des verrechenbaren Verlusts nach § 15 a Abs. 4 EStG zu entscheiden.

3. Sowohl die Frage, ob eine Regelung als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist, als auch die weitere Frage, welchen Regelungsinhalt ihm ggf. zukommt, ist über den bloßen Wortlaut hinaus ggf. im Weg der Auslegung entsprechend §§ 133, 157 BGB zu ermitteln.

4. Entscheidend ist, wie der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen – nach seinem objektiven Verständnishorizont – den materiellen Gehalt der Erklärung des FA unter Berücksichtigung des auch im Steuerrecht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben verstehen durfte.

5. Weder kommt es darauf an, was die Finanzbehörde mit ihrer Erklärung tatsächlich gewollt...

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