OFD Frankfurt, 24.3.2004, S 0130 A - 19 - St II 4.03

Zur Auskunftserteilung an Gewerbebehörden in gewerberechtlichen Verfahren gilt Folgendes:

 

1. Allgemeines

Das Gewerberecht sieht die Versagung, Rücknahme oder den Widerruf einer gewerberechtlichen Erlaubnis sowie die Untersagung eines Gewerbes bei gewerberechtlicher Unzuverlässigkeit vor. Die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit kann auch aus steuerrechtlichen Sachverhalten hergeleitet werden. Ein zwingendes öffentliches Interesse an der Mitteilung von steuerlichen Verhältnissen gegenüber den Gewerbebehörden kann nur anerkannt werden, soweit es sich um Steuern handelt, die mit der Ausübung eines Gewerbes im Zusammenhang stehen (insbesondere Lohnsteuer, Umsatzsteuer – vgl. BFH-Urteil vom 10.2.1987, BStBl 1987 II S. 545). Bei Personensteuern (Einkommensteuer, Kirchensteuer, Vermögensteuer) besteht ein solcher Zusammenhang, wenn die Steuerpflicht im Wesentlichen auf dem Gewerbebetrieb beruht. Unabhängig davon ist ein zwingendes öffentliches Interesse an der Mitteilung hinsichtlich der Personensteuern auch dann zu bejahen, wenn Unzuverlässigkeit infolge wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit im Raume steht (z.B. hohe Schuldenlast, kein Sanierungskonzept – vgl. OVG Münster, Urteil vom 2.9.1987, Gewerbearchiv 1988, 87).

Zusatz der Oberfinanzdirektion:

Die Mitteilungen der Finanzbehörden an die Gewerbebehörden dienen keinem Verwaltungsverfahren in Steuersachen, sondern einem eigenen wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Verfahren nach der GewO. Die Gewerbeuntersagung dient primär dem Schutz des Geschäftsverkehrs und nur mittelbar der Besteuerung.

Die Finanzbehörde hat nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO in eigener Verantwortung zu prüfen, ob ein zwingendes öffentliches Interesse die Durchbrechung des Steuergeheimnisses rechtfertigt. Dabei ist das von § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO geforderte öffentliche Interesse nicht von dem tatsächlichen Vorliegen der Voraussetzungen des § 35 GewO abhängig, sondern unabhängig davon zu bejahen, wenn sich eine (steuerliche) Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden ergibt. Die Beurteilung, ob die Voraussetzungen des § 35 GewO vorliegen, obliegt ausschließlich der Gewerbebehörde.

 

2. Voraussetzungen der Unzuverlässigkeit

Die Verletzung steuerrechtlicher Pflichten, die mit der Ausübung des Gewerbes im Zusammenhang stehen, begründet die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit nicht in jedem Fall, wohl aber dann, wenn das Verhalten des Steuerpflichtigen darauf schließen lässt, dass er nicht willens oder in der Lage ist, seine öffentlichen Berufspflichten zu erfüllen. Wegen der weittragenden Bedeutung, die die Versagung einer Erlaubnis oder die Unterbindung der gewerblichen Tätigkeit für den Betroffenen hat, muss es sich um erhebliche Vorstöße handeln. Wann jeweils Unzuverlässigkeit vorliegt, kann nur unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles entschieden werden. Anhaltspunkte für die Entscheidung bieten folgende Kriterien:

 

2.1 Nichtabgabe von Steuererklärungen

Die Nichtabgabe von Steuererklärungen begründet für sich allein eine steuerliche Unzuverlässigkeit nur dann, wenn die Erklärungen trotz Erinnerung hartnäckig über längere Zeit nicht abgegeben werden. Die Nichtabgabe von Lohnsteueranmeldungen oder von Umsatzsteuervoranmeldungen hat in der Regel besonderes Gewicht. Die Nichtabgabe von Steuererklärungen in den übrigen Fällen wird regelmäßig nur in Verbindung mit der Nichtentrichtung von Steuern nach Tz. 2.2 von Belang sein.

 

2.2 Nichtentrichtung von Steuern

Die Nichtentrichtung von Steuern, insbesondere ein erheblicher Steuerrückstand, wird vielfach die Unzuverlässigkeit begründen. In diesem Zusammenhang sind folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:

 

2.2.1 Umfang und Art der Steuerrückstände

Erforderlich ist in jedem Fall ein für die Verhältnisse des Betriebes erheblicher Steuerrückstand. Beträge unter 2.500 EUR reichen in aller Regel nicht aus. Von Bedeutung ist ferner die Entwicklung der Steuerrückstände – getrennt nach Steuerarten – über längere Zeit. Ständig schleppender Zahlungseingang kann auch bei verhältnismäßig geringen Steuerrückständen die Unzuverlässigkeit begründen, während etwa eine hohe Steuerschuld im Anschluss an eine Außenprüfung nicht ohne weiteres auf steuerliche Unzuverlässigkeit schließen lässt. Beruhen die Steuerrückstände ganz oder teilweise darauf, dass einbehaltene Steuerabzugsbeträge (insbesondere Lohnsteuerbeträge) mehrfach nicht abgeführt worden sind, so begründet dies in der Regel Unzuverlässigkeit.

Zusatz der Oberfinanzdirektion zu Tz. 2.2.1

In Absprache mit den Gewerbebehörden soll im Regelfall von der Anregung eines gewerberechtlichen Untersagungsverfahrens abgesehen werden, wenn die Steuerrückstände nicht mehr als 5.000 EUR betragen.

Mitteilung über noch nicht bestandskräftig festgesetzte Steuerrückstände

Nicht bestandskräftig festgesetzte Steuerschulden sind nicht von vornherein ungeeignet, eine Offenbarung i.S.d. § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO zu rechtfertigen. Zwar müssen die Finanzämter, bevor sie durch das Steuergeheimnis geschützte Tatsac...

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