Leitsatz

Auch Verheiratete mit nur einem Kind können Aufwendungen für hauswirtschaftliche Beschäftigungsverhältnisse gem. § 10 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. a EStG als Sonderausgaben dann abziehen, wenn einer der Ehegatten selbst hilfsbedürftig ist.

 

Normenkette

§ 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG , § 33c Abs. 5 EStG

 

Sachverhalt

Ein Ehepaar mit einem Kind (geb. 7.8.1992) beantragte für die Jahre 1992 (ab August) bis 1995 den Abzug der Aufwendungen für eine Haushaltshilfe als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG, weil die Ehefrau selbst hilfsbedürftig sei. Die Ehefrau, die 1997 verstorben ist, war in den Streitjahren an multipler Sklerose erkrankt. Der Schwerbehindertenausweis wies 1992 einen Grad der Behinderung von 50 (Merkzeichen "G") und ab November 1996 einen solchen von 80 (Merkzeichen "G", "aG", "B") aus. Seit 1997 war die Ehefrau in die Pflegestufe II eingeordnet. Das FA lehnte den Sonderausgabenabzug ab. Das FG wies die Klage ab (EFG 2000, 1082).

 

Entscheidung

Der BFH hob das FG-Urteil auf und gab der Klage statt. § 10 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. a EStG treffe zwar seinem Wortlaut nach nicht zu, enthalte jedoch eine verdeckte Regelungslücke. Diese sei mit Hilfe teleologischer, systematischer und verfassungsrechtlicher Erwägungen dahingehend zu schließen, dass der Sonderausgabenabzug für eine Haushaltshilfe auch Verheirateten mit nur einem Kind zusteht, wenn einer der Ehegatten selbst hilfsbedürftig ist.

 

Hinweis

1. Mit dem StRefG 1990 hatte der Gesetzgeber in § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG einen begrenzten Sonderausgabenabzug für hauswirtschaftliche Beschäftigungsverhältnisse eingeführt (bis zu 12.000 DM im Kalenderjahr). Voraussetzung war, dass für die Haushaltshilfe Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung erbracht wurden und dass zum Haushalt zwei Kinder (bei Alleinstehenden ein Kind) unter zehn Jahren (Buchst. a) oder ein Hilfloser i.S.d. § 33b Abs. 6 EStG (Buchst. b) gehörte.

Durch das JStG 1997 war der Anwendungsbereich dieses sog. Dienstmädchenprivilegs erheblich erweitert worden, indem die Voraussetzungen der Zugehörigkeit von Kindern oder eines Hilflosen gestrichen wurden. Zudem war der Höchstbetrag auf 18.000 DM angehoben worden.

Mit dem Zweiten Gesetz zur Familienförderung wurde die Vorschrift ab dem Veranlagungszeitraum 2002 ersatzlos aufgehoben, da sie sich – so die Gesetzesbegründung – nicht bewährt hatte.

2. Im Besprechungsfall musste der BFH somit über bereits ausgelaufenes Recht entscheiden. Dabei hatte er erhebliche Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 10 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. a EStG, weil nach dieser Regelung eheliche Erziehungsgemeinschaften mit einem Kind gegenüber anderen Erziehungsgemeinschaften benachteiligt waren. Der BFH setzte darum das Revisionsverfahren zunächst aus, um dem FA Gelegenheit zu geben, den Erlass einer Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO zu prüfen. In seinem Aussetzungsbeschluss hat der BFH die verfassungsrechtlichen Zweifel ausführlich dargelegt (vgl. BFH, Beschluss vom 17.12.2003, XI R 63/00, BFH/NV 2004, 940). Das FA hat jedoch mitgeteilt, dass es keine Billigkeitsmaßnahme treffen würde. Daraufhin hat der BFH das Revisionsverfahren wieder aufgenommen und zugunsten der Kläger entschieden.

3. Der BFH ging zunächst davon aus, dass die Auffassung des FG, die Ehefrau sei nicht hilflos i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. b EStG gewesen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Der Nachweis der Hilflosigkeit könne zwar grundsätzlich auch anders als in § 65 EStDV vorgesehen erbracht werden. Jedoch habe das FG dem hier vorgelegten Schwerbehindertenausweis, der die Einstufung als hilflos nicht enthielt, eine hohe Indizwirkung beimessen dürfen.

4. Den Sonderausgabenabzug gewährte der BFH nach § 10 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. a EStG mit der Begründung, dass diese Regelung eine verdeckte Lücke enthält, die mit Hilfe teleologischer, systematischer und verfassungsrechtlicher Erwägungen zu schließen ist.

  • Die Vorschrift geht typisierend davon aus, dass bei Ehepaaren mit nur einem Kind die hauswirtschaftlichen Tätigkeiten auch ohne entsprechende Hilfe erbracht werden könnten. Das trifft aber nicht zu, wenn ein Ehegatte den vom Gesetz vorausgesetzten Beitrag nicht erbringen kann, weil er selbst hilfsbedürftig ist. c
  • Auch im Rahmen der Kinderbetreuungskosten wird berücksichtigt, dass ein Ehepartner wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Gebrechen behindert sein kann. Denn § 33c Abs. 5 EStG billigt Ehepaaren in solchen Fällen Kinderbetreuungskosten im gleichen Umfang zu wie Alleinstehenden.
  • Es würde gegen Art. 3 und 6 GG verstoßen, wenn man den Streitfall so beurteilt, als ob auch die Ehefrau an den hauswirtschaftlichen Tätigkeiten mitwirken könnte. Auch das subjektive Nettoprinzip als Ausprägung einer Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verlangt hier wegen der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen den Sonderausgabenabzug.
 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 23.2.2005, XI R 63/00

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