Haushaltszugehörigkeit bei Kinderbetreuungskosten

Nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG sind die Betreuungsaufwendungen des Elternteils, der das Kind nicht in seinen Haushalt aufgenommen hat, durch den ihm gewährten Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf abgedeckt.

Hierzu ist jetzt eine Verfassungsbeschwerdeanhängig .Im aktuellen Verfahren vor dem BVerfG mit dem Az. 2 BvR 1041/23 wird von dem Beschwerdeführer die Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG damit begründet, dass die Norm dgegen das subjektive Nettoprinzip verstoße, welches sich aus Art. 3 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs.1 und Art. 6 Abs. 2 GG ableite. Der Begriff der Sonderausgaben sei nicht legal definiert, sondern lediglich negativ abgegrenzt zu den Begriffen Betriebsausgaben und Werbungskosten.

Auch durch Auslegung der einzelnen Tatbestände des § 10 EStG lasse sich kein allgemeingültiger Sonderausgabenbegriff ermitteln. Systematisch handele es sich bei Sonderausgaben um Einkommensverwendung. Entscheidend für den Abzug der Aufwendungen als Sonderausgaben sei, dass der Steuerpflichtige durch eigene Privataufwendungen in seiner steuerlichen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt werde. Diese Voraussetzung sei bei ihm (dem Beschwerdeführer) durch Zahlung der halben Kindergartenbeiträge und Hortgebühr erfüllt.

Sachverhalt: Getrennt lebende Eltern

Der Beschwerdeführer ist der Vater einer 2013 geborenen Tochter. Seit 2018 lebte er von der Mutter des Kindes getrennt. Im Streitjahr 2020 überwies die Mutter 250 EUR für den Kindergarten und 348 EUR für den Schulhort. Der zivilrechtlich im Rahmen des Mehrbedarfs zur anteiligen Zahlung von Kindergartenbeiträgen und Hortgebühr verpflichtete Kläger überwies der Mutter jeweils den halben Monatsbeitrag.

In seiner ESt-Erklärung gab er deshalb Kinderbetreuungskosten i. H. v. 299 EUR an, die er zu 2/3, d.h. 199 EUR, als Sonderausgaben zum Abzug bringen wollte. Das Finanzamt und das FG lehnten den Abzug unter Verweis auf die fehlende Haushaltszugehörigkeit des Kindes ab.

Beschwerdeführer richtet sich gegen eine Entscheidung des BFH

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Das FG habe den Sonderausgabenabzug einfachrechtlich zu Recht aufgrund der fehlenden Haushaltszugehörigkeit des Kindes verneint. Es bestehe auch kein Anlass zu einer konkreten Normenkontrolle durch das BVerfG, da der Senat nicht davon überzeugt ist, dass § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG im Fall des Klägers ein Eltern- bzw. Familiengrundrecht (Art. 6 GG) oder den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt (BFH, Urteil v. 11.5.2023, III R 9/22, s. hierzu auch die News "Sonderausgabenabzug von Kinderbetreuungskosten").

BFH: Zum Begriff der Haushaltszugehörigkeit

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH besitzt jemand einen Haushalt dort, wo er allein oder mit anderen eine Wohnung innehat, in der hauswirtschaftliches Leben herrscht, und an dem er sich persönlich und regelmäßig auch finanziell beteiligt. Der Steuerpflichtige selbst muss dem Haushalt vorstehen und ihm angehören.

Das Kriterium der Haushaltsaufnahme des Kindes ist erfüllt, wenn das Kind in die Familiengemeinschaft mit einem dort begründeten Betreuungs- und Erziehungsverhältnis aufgenommen worden ist. Neben dem örtlich gebundenen Zusammenleben müssen die Voraussetzungen materieller Art (Versorgung, Unterhaltsgewährung) und immaterieller Art (Fürsorge, Betreuung) erfüllt sein. Anders als bei § 32 Abs. 6 Sätze 8 und 9 EStG kommt es nicht darauf an, ob das Kind bei dem Steuerpflichtigen gemeldet ist.

BFH: Getrennt lebende Eltern

Trennen sich die Elternteile, seien hinsichtlich des Umgangs mit den Kindern und des von den Eltern zu leistenden Unterhalts verschiedene Grundmodelle möglich, von denen im Einzelfall aber abgewichen werden könne.

  • In der Praxis wird überwiegend das sogenannte Residenzmodell gewählt. Bei diesem Modell ist das Kind in den Haushalt eines Elternteils aufgenommen. Dieser leistet Naturalunterhalt. Der andere Elternteil leistet Barunterhalt für das Kind und hat gegebenenfalls ein Umgangsrecht (z. B. Kind besucht ihn jedes 2. Wochenende).
  • Im Paritäts,- Wechsel-, Pendel- oder Doppelresidenzmodell ist das Kind in annähernd gleichem Umfang in den Haushalt beider Elternteile aufgenommen (z. B. wöchentlicher Wechsel zwischen Haushalt der Mutter und des Vaters). Beide Eltern leisten Naturalunterhalt. Gegebenenfalls besteht daneben eine Barunterhaltspflicht eines oder beider Elternteile.
  • Im Nestmodell bleibt das Kind im bisherigen gemeinsamen Haushalt der Elternteile und die Elternteile wechseln jeweils in einen anderen Haushalt (z. B. wöchentlicher Wechsel). Beide Eltern leisten Naturalunterhalt. Gegebenenfalls besteht daneben eine Barunterhaltspflicht eines oder beider Elternteile.

BFH: Keine Haushaltsaufnahme bei Residenzmodel

Ist das Kind im Falle der Praktizierung des Residenzmodells nicht in den Haushalt des barunterhaltspflichtigen Elternteils aufgenommen, kann dieser den Sonderausgabenabzug auch dann nicht in Anspruch nehmen, wenn er einen Teil der Fremdbetreuungskosten trägt. Unerheblich ist dabei, ob er die Zahlung direkt an den fremdbetreuenden Dritten oder an den anderen Elternteil erbringt und ob er zivilrechtlich verpflichtet ist, die Fremdbetreuungskosten (anteilig) zu tragen (z. B. als betreuungsbedingter Mehrbedarf). Denn in jedem der genannten Fälle fehlt es an der von § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG geforderten Haushaltsaufnahme des Kindes.

BFH: Keine Verletzung des Gebots der Steuerfreiheit des familiären Existenzminimuns

Der Ausschluss des Sonderausgabenabzugs für den Elternteil, der das Kind nicht in seinen Haushalt aufgenommen hat, verletzt nicht das Gebot der Steuerfreiheit des familiären Existenzminimums (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG), da die getragenen Betreuungskosten durch den Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (BEA-Freibetrag) abgedeckt werden. Nach § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG steht jedem Elternteil - unabhängig von der Haushaltsaufnahme des Kindes - ein Kinderfreibetrag und ein BEA-Freibetrag zu. Der BEA-Freibetrag soll gerade auch Betreuungsaufwand abdecken und wird unabhängig davon gewährt, in welchem Umfang das Kind von den Elternteilen eigen- oder fremdbetreut wird.

BFH: Kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz

Der Ausschluss des Sonderausgabenabzugs verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Insofern hat das BVerfG bereits zu § 33c Abs. 1 Satz 1 EStG 1985 das Kriterium der Haushaltszugehörigkeit als zulässige Typisierung angesehen. Zudem dient dieses Tatbestandsmerkmal einer besonderen Förderung alleinerziehender Elternteile.

Verfassungsbeschwerde beim BVerfG anhängig

Der Kläger hat gegen die ablehnende Entscheidung des BFH Verfassungsbeschwerde eingelegt (s. oben). Betroffene Elternteile sollten in gleichgelagerten Fällen gegen die betreffenden Einkommensteuerbescheide Einspruch einlegen und auf das o.a. Verfahren beim BVerfG verweisen. Die Entscheidung über den Einspruch ruht dann nach § 363 Abs. 2 AO kraft Gesetzes bis zur Entscheidung durch das BVerfG.


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