Leitsatz

1. Übernimmt eine Rechtsanwaltssozietät den Versicherungsbeitrag einer angestellten Rechtsanwältin, die im Außenverhältnis nicht für eine anwaltliche Pflichtverletzung haftet, liegt Arbeitslohn regelmäßig nur in Höhe des übernommenen Prämienanteils vor, der auf die in § 51 Abs. 4 BRAO vorgeschriebene Mindestversicherungssumme entfällt und den die Rechtsanwältin zur Erfüllung ihrer Versicherungspflicht nach § 51 Abs. 1 Satz 1 BRAO benötigt.

2. Die Übernahme der Umlage für die Einrichtung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs einer angestellten Rechtsanwältin durch den Arbeitgeber führt zu Arbeitslohn.

 

Normenkette

§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2, § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 12 Abs. 2, § 14 Abs. 2 Nr. 9, § 31a Abs. 1 Satz 1, § 51 BRAO

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Rechtsanwaltssozietät in der Rechtsform einer GbR. Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung stellte der Prüfer fest, dass die Klägerin für die angestellte Rechtsanwältin R die Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung, zur örtlichen Rechtsanwaltskammer und zum Deutschen Anwaltverein (DAV) sowie die Umlage der Rechtsanwaltskammer für das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) übernommen hatte. Nach Auffassung des Prüfers stellte die Übernahme der genannten Beträge durch die Klägerin steuerpflichtigen Arbeitslohn dar. Daraufhin erließ das FA einen entsprechenden Lohnsteuer-Haftungsbescheid gegenüber der Klägerin. Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das FG ab (FG Münster, Urteil vom 1.2.2018, 1 K 2943/16 L, Haufe-Index 11781787, EFG 2018, 831).

 

Entscheidung

Auf die Revision der Klägerin hat der BFH die angefochtene Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen.

 

Hinweis

1. Vorteile, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweisen, sind nicht als Arbeitslohn anzusehen. Das ist der Fall, wenn sie im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gewährt werden, d.h. sich aus den Begleitumständen wie

  • Anlass, Art und Höhe des Vorteils,
  • Auswahl der Begünstigten,
  • freie oder nur gebundene Verfügbarkeit,
  • Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und
  • seiner besonderen Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck

ergibt, dass diese Zielsetzung ganz im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden kann.

2. Nach diesen Maßstäben hat das FG zu Recht angenommen, dass die Übernahme der Beiträge für die Rechtsanwaltskammer, für die Mitgliedschaft im örtlichen Anwaltverein (und über diesen zugleich im DAV) sowie der Umlage zumbeA durch die Klägerin jeweils auch im eigenen Interesse der bei ihr angestellten R erfolgte und deshalb Arbeitslohn vorlag.

a) Rechtsanwaltskammer

Wie das FG zu Recht ausgeführt hat, sind Personen, die zur Rechtsanwaltschaft zugelassen wurden, Mitglied in der jeweiligen Rechtsanwaltskammer (§ 60 Abs. 2 Nr. 1 BRAO). Die Pflichtmitgliedschaft besteht unabhängig davon, ob die Rechtsanwältin oder der Rechtsanwalt nach der Zulassung selbstständig oder als Angestellte(r) tätig wird. Als Kammermitglied ist der Rechtsanwalt verpflichtet, den Kammerbeitrag zu tragen (vgl. § 89 Abs. 2 Nr. 2 BRAO). Vor diesem Hintergrund ist das FG zutreffend davon ausgegangen, dass die Übernahme des von R geschuldeten Kammerbeitrags nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse der Klägerin, sondern in besonderer Weise im eigenen Interesse der R lag.

b) Anwaltverein

Das FG hat auch die Übernahme der Beiträge zum örtlichen Anwaltverein zu Recht als Arbeitslohn beurteilt. Die personenbezogene Mitgliedschaft in diesem Interessenverbund lag nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse der Klägerin, sondern in beträchtlichem Umfang auch im Interesse der R. Ob bzw. inwieweit R als Vereinsmitglied die entsprechenden Vorteile der Mitgliedschaft tatsächlich in Anspruch nahm, ist dabei unerheblich.

c) beA

Die Einrichtung des beA und der damit einhergehende Finanzierungsbeitrag folgen mithin unmittelbar aus der Anwaltszulassung. Das beA selbst dient dabei der Berufsausübung. Vor diesem Hintergrund ist die Würdigung des FG, die Einrichtung des beA sei für R unabhängig vonihrem Anstellungsverhältnis bei der Klägerin in ihrem eigenen beruflichen Interesse erfolgt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse der Klägerin ist dagegen nicht erkennbar.

3. Dem FG ist allerdings nicht darin zu folgen, dass auch die Übernahme der Beiträge für die eigene Berufshaftpflichtversicherung der R in voller Höhe Arbeitslohn darstellte. Übernimmt eine Rechtsanwaltssozietät den Versicherungsbeitrag einer angestellten Rechtsanwältin, die – anders als eine sog. Scheinsozia – im Außenverhältnis nicht für eine anwaltliche Pflichtverletzung haftet, liegt Arbeitslohn regelmäßig nur in Höhe des übernommenen Prämienanteils vor, der auf die in § ...

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