[Ohne Titel]

Stefanie Guerra, RAin[*]

Mit dem Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen vom 21.12.2019 (BGBl. I 2019, 2875; s. dazu auch Guerra, ErbStB 2020, 47), hat der Gesetzgeber die Richtlinie (EU) 2018/822 (EU-Amtshilferichtlinie bzw. Directive on Administrative Cooperation – DAC 6) umgesetzt. Danach sind grenzüberschreitende Steuergestaltungen, bei denen der erste Schritt der Umsetzung nach dem 24.6.2018 erfolgt ist, anzeigepflichtig. Das BMF hat am 29.3.2021 nach langer Wartezeit das finale Anwendungsschreiben zu den Vorschriften über die Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen einschließlich der sog. Whitelist veröffentlicht (BMF v. 29.3.2021 – IV A 3 - S 0304/19/10006:010/IV B 1 - S 1317/19/10058:011, DOK 2021/0289747 [im Folgenden: BMF v. 29.3.2021]). Inhaltlich liegt das Schreiben nah an der bisher veröffentlichten Entwurfsfassung.

Der folgende Beitrag zeigt, in Fortsetzung zum Beitrag in ErbStB 2020, 47, auf, welche Anzeigepflichten im Bereich der Erbschaft- und Schenkungsteuer bestehen (können) und dass das vorliegende Gesetz erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet.

[*] Stefanie Guerra ist als Rechtsanwältin bei Ernst & Young Law GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft in Stuttgart tätig.

I. Einleitung

Die im Bereich des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts üblichen und bekannten Gestaltungen, um Vermögen unter Ausnutzung steuerlicher Rahmenbedingungen zu übertragen, können anzeigepflichtig sein. Für den Steuerberater, Rechtsanwalt oder Notar ist entscheidend, welche konkreten Gestaltungen unter die Anzeigepflicht des Gesetzes fallen, da sie trotz gesetzlicher Verschwiegenheitsverpflichtung die Mitteilungspflicht als sog. Intermediäre trifft.

Die Nichtanzeige anzeigepflichtiger Gestaltungen stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einem Bußgeld von bis zu 25.000 EUR (bei mehrfachen Verstößen auch mehrfach) geahndet werden kann. Daher obliegt es jedem Berater, sich mit der Anzeigepflicht und den zugrundliegenden unbestimmten Rechtsbegriffen auseinandersetzen.

Das Gesetz enthält eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe, die zu erheblichen Auslegungs- und Anwendungsschwierigkeiten führen. Nach der Rspr. des BVerfG muss ein Rechtssatz, damit er unter dem Gesichtspunkt der Normenklarheit hinreichend bestimmt i.S.d. Art. 103 Abs. 2 GG ist, folgende Anforderung erfüllen: "Jedermann soll vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist." (BVerfG v. 23.7.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, BVerfGE 126, 170, 195). Diesen Anforderungen genügen die §§ 138d ff. AO nicht und sind bereits aus diesem Grund verfassungswidrig. Die Regelungen sind

"für die Praxis völlig untauglich und schlichtweg nicht lesbar, weil es selten eine solche Anzahl von langen Verweisen und unbestimmten Rechtsbegriffen gegeben hat. Kein Berater ist in der Lage, im Tagesgeschäft sich einen kurzen Überblick anhand des Gesetzestextes zu verschaffen." (Rätke in Klein, AO, 2020, § 138d Rz. 5).

Von Normenklarheit kann hier keine Rede sein.

II. Was umfasst die Anzeigepflicht?

Anzeigepflichtig ist gem. § 138d AO jede grenzüberschreitende Steuergestaltung, die ein sog. Kennzeichen erfüllt. Unterschieden wird dabei zwischen unbedingten Kennzeichen und bedingten Kennzeichen. Letztere führen erst in Verbindung mit einem Relevanztest (sog. Main-Benefit-Test) zu einer Anzeigepflicht (hierzu s. bereits Guerra, ErbStB 20, 47, 48).

Beraterhinweis Zur eigenen Absicherung sollte stets ausreichend und nachvollziehbar dokumentiert werden, aus welchen Gründen eine Anzeigepflicht abgelehnt wird. Da nur derjenige ordnungswidrig handelt, der vorsätzlich oder leichtfertig seine Anzeigepflicht verletzt, § 379 Abs. 2 AO, kann eine Ordnungswidrigkeit nicht begehen, wer bei vertretbarer Auslegung des Gesetzestextes abweichend subsumiert.

Bei den nachfolgend dargestellten Gestaltungen kann – trotz gegenteiliger Begründung – eine (vorsorgliche) Anzeige ratsam sein, da nicht auszuschließen ist, dass die Finanzverwaltung insb. ohne entspr. Anweisung durch das BMF (s. hierzu unten 3.) oder entsprechende höchstrichterliche Rspr. keine verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes vornehmen wird. Die Ausschöpfung des Rechtswegs gegen einen erlassenen Bußgeldbescheid erscheint oftmals nicht zumutbar.

1. Definition der Gestaltung

Der Begriff der Steuergestaltung ist gesetzlich nicht definiert. Nach Auffassung der Finanzverwaltung handelt es sich bei einer Steuergestaltung um einen bewussten, das (reale und/oder rechtliche) Geschehen mit steuerlicher Bedeutung verändernden Schaffensprozess durch Transaktionen, Regelungen, Handlungen, Vorgänge, Vereinbarungen, Zusagen, Verpflichtungen oder ähnliche Ereignisse (BMF v. 29.3.2021, Rz. 9). Der Begriff ist daher weit zu verstehen und umfasst nahezu jedes Handeln, das Rechtsfolgen auslöst.

Da der Gesetzgeber eine umfangreiche Anzeigepflicht schaffen wollte, beschränkt sich die Anzeigepflicht insb. auch nicht auf illegale oder unerwünschte Gestaltungen. Sinn und Zweck der Anzeigepflicht ist es...

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