85  Die maßgebliche Personalfunktion für die Zuordnung von immateriellen Werten (Patent, Marke, Know-how, Geschäftswert usw.) ist nach § 6 Absatz 1 Satz 1 BsGaV vorrangig deren Schaffung (erste Vermutungsregelung) oder deren Erwerb (zweite Vermutungsregelung).

86  Unter Schaffung (bzw. Herstellung) eines immateriellen Werts (§ 6 Absatz 1 Satz 1 BsGaV) ist die Ausübung einer Personalfunktion zu verstehen, die für die Entstehung des immateriellen Werts entscheidend ist. Zur Schaffung eines immateriellen Werts gehören nicht nur die eigentlichen Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten. Mit umfasst werden z.B. auch (s. auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 88):

  die Gestaltung der Prüfanforderungen und Prüfverfahren, die den Rahmen für die konkrete Forschungs- und Entwicklungstätigkeit bilden,
  die Analyse der aus diesen Prüfungen stammenden Daten,
  die Bestimmung von Entwicklungsphasen (sog. Meilensteine) für das jeweilige Projekt sowie
  die Entscheidung, insbesondere wenn die jeweiligen Entwicklungsphasen abgeschlossen werden, ob das konkrete Projekt weiterfinanziert oder aufgegeben wird.

87  Unter Erwerb (bzw. Anschaffung) eines immateriellen Werts (§ 6 Absatz 1 Satz 1 BsGaV) ist die Ausübung einer Personalfunktion zu verstehen, die für den Erwerb des immateriellen Werts entscheidend ist. Zum Erwerb eines immateriellen Werts gehört nicht nur die Durchführung des eigentlichen Erwerbsvorgangs. Mit umfasst werden z.B. auch (s. auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 93 bis Tz. 94):

  die Prüfung, ob Bedarf für einen solchen immateriellen Wert besteht,
  der Entscheidungsprozess, einen immateriellen Wert zu erwerben und nicht selbst zu entwickeln,
  die Prüfung des zu erwerbenden bzw. des erworbenen immateriellen Werts,
  die Wahrnehmung einer etwa erforderlichen Folgeentwicklungstätigkeit sowie
  die Entscheidung über die Verwendung des immateriellen Werts.

88  Von besonderer Bedeutung für die Zuordnung sind die in einer Betriebsstätte ausgeübten maßgeblichen Personalfunktionen mit Bezug zur aktiven und qualifizierten unternehmerischen Entscheidung hinsichtlich der Übernahme der mit der Schaffung bzw. dem Erwerb des immateriellen Werts verbundenen Risiken und des aktiven Risikomanagements (s. auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 84 bis Tz. 97).

89  Nicht entscheidend ist, wer formal die Entscheidung trifft, insbesondere wenn der betreffende Entscheidungsträger selbst nicht über die Qualifikation für eine verantwortliche Entscheidung verfügt (s. Rn. 40). Andererseits begründet die Wahrnehmung der unmittelbar mit dem Erwerb oder der technischen Entwicklung eines immateriellen Werts verbundenen Funktion durch eine Betriebsstätte allein nicht zwingend eine entsprechende Zuordnung des immateriellen Werts, wenn die inhaltliche Entscheidung hinsichtlich der Risikoübernahme und des Risikomanagements in einer anderen Betriebsstätte getroffen wird (s. auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 84).

Fall – Formale Entscheidung:

Das Produktionsunternehmen X (X) in Staat A will einen immateriellen Wert in seiner Betriebsstätte B (B) im Staat B entwickeln. Personal von B plant das Projekt (einschließlich der Planung der Meilensteine und des Budgets). Auf Grundlage dieser Planung beschließt der Vorstand von X in Staat A, das Projekt durchzuführen. Die Budgetkontrolle und die Kontrolle der Erreichung der Meilensteine erfolgen durch B.

Lösung:

Der immaterielle Wert ist nach § 6 Absatz 1 Satz 1 BsGaV B zuzuordnen, denn maßgebliche Personalfunktion ist nicht der formale Vorstandsbeschluss in Staat A, sondern vielmehr die Planungsarbeiten einschließlich Budgetplanung und die operative Umsetzung des Projekts durch B.

Abwandlung – Zur Abgrenzung:

Sachverhalt unverändert, aber das aktive Management nach Abschluss der Planungsarbeiten durch B (z.B. Budgetkontrolle, Kontrolle der Erreichung der Meilensteine) wird in Staat A durchgeführt.

Lösung:

Personalfunktionen im Hinblick auf die Schaffung des immateriellen Werts werden sowohl von X im Staat A als auch von B ausgeübt. Der immaterielle Wert ist nach § 6 Absatz 1 Satz 2 BsGaV dem übrigen Unternehmen zuzuordnen, da dessen Personalfunktionen (aktives Management) qualitativ (s. Rn. 42) größere Bedeutung zukommt als den Personalfunktionen von B.

90  Wird die betreffende Personalfunktion i.S.d. § 6 Absatz 1 BsGaV (Schaffung bzw. Erwerb des immateriellen Werts) gleichzeitig von zwei oder mehreren Personen, die zum eigenen Personal des Unternehmens gehören, in zwei oder mehreren Betriebsstätten ausgeübt (Funktionsaufteilung, s. Rn. 42), so ist der immaterielle Wert der Betriebsstätte zuzuordnen, die die betreffende Personalfunktion mit der größten Bedeutung ausübt (§ 6 Absatz 1 Satz 2 BsGaV). Im Regelfall kommt es auf qualitative Kriterien an.

Fall – Qualitative Entscheidung (1):

Das Unternehmen X (X) im Staat X hat in Staat A eine Forschungs- und Entwicklungsbetriebsstätte A (A). Für die erfolgreiche Schaffung eines bestimmten immateriellen Werts ist der sachliche Beitrag von z...

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