245  Besteht im Sitzstaat (EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat) eines ausländischen Kreditinstituts, zu dem die Bankbetriebsstätte gehört, eine Regelung entsprechend § 2a KWG (Waiver, s. auch Artikel 7 der Verordnung [EU] Nr. 575/2013), ist es bankenaufsichtsrechtlich möglich, dass das notwendige Kernkapital nicht in jedem einzelnen Kreditinstitut vorgehalten, sondern dass hierfür auf die Kreditinstitutsgruppe abgestellt wird. Eine Übernahme der bankenaufsichtsrechtlichen Erleichterungen für die Bestimmung des steuerlichen Eigenkapitals von Kreditinstituten könnte zu Ergebnissen der Besteuerung von inländischen Bankbetriebsstätten ausländischer Kreditinstitute führen, die dem Fremdvergleichsgrundsatz, dessen Anwendung durch § 1 Absatz 5 AStG angeordnet ist, nicht entsprechen. § 20 Absatz 4 BsGaV ordnet daher in Fällen, in denen das ausländische Bankenaufsichtsrecht eine Unterkapitalisierung des Kreditinstituts erlaubt, unter bestimmten Bedingungen eine modifizierte Berechnung des Dotationskapitals von inländischen Bankbetriebsstätten an, um den Erfordernissen des Fremdvergleichsgrundsatzes nachkommen zu können. Die modifizierte Berechnung ist nicht durchzuführen, wenn alternativ eine der beiden in § 20 Absatz 4 Satz 1 BsGaV genannten Voraussetzungen erfüllt ist.

246  § 20 Absatz 4 Satz 1 BsGaV, erste Alternative: das ausländische Kreditinstitut mit Sitz in einem EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat hat vom Waiver keinen Gebrauch gemacht.

Fall – Waiver-Regelung 1:

Ein ausländisches Kreditinstitut Y (Y) mit Sitz in einem EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat hat eine inländische Bankbetriebsstätte A (A). Y verfügt zum 01.01.01 über Kernkapital von 1 100, die risikogewichteten Positionsbeträge betragen 10 000 Einheiten. Auf A entfallen hiervon 2 000 Einheiten. Y nimmt nachweislich die ausländische Variante der Waiver-Regelung nicht in Anspruch.

Lösung:

§ 20 Absatz 4 Satz 2 BsGaV ist wegen des Nachweises nicht anzuwenden. Das Dotationskapital von A ist nach § 20 Absatz 1 BsGaV zu ermitteln (Kapitalaufteilungsmethode für Bankbetriebsstätten). Danach beträgt das zutreffende Dotationskapital 1 100 steuerliches Eigenkapital x 2 000/10 000 Einheiten = 220. Ein niedrigeres Dotationskapital ist nur unter den Voraussetzungen des § 20 Absatz 2 Satz 1 BsGaV anzusetzen.

247  § 20 Absatz 4 Satz 1 BsGaV, zweite Alternative: das ausländische Kreditinstitut mit Sitz in einem EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat hat zwar vom Waiver Gebrauch gemacht, aber das Kreditinstitut verfügt über ausreichendes Eigenkapital, um die Voraussetzungen der ausländischen bankenaufsichtsrechtlichen Regelungen zu erfüllen, auch wenn der Waiver dort nicht eingeführt wäre.

Fall – Waiver-Regelung 2:

Wie Fall Rn. 246, Y nimmt aber die Waiver-Regelung in Anspruch. Allerdings weist Y ungeachtet dessen ein bankenaufsichtsrechtliches Kernkapital von 1 100 aus.

Lösung:

Gleiches Ergebnis wie im Fall Waiver-Regelung 1.

248  In beiden Alternativen des § 20 Absatz 4 Satz 1 BsGaV ist davon auszugehen, dass das ausländische Kreditinstitut mit Sitz in einem EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat über genügend Eigenkapital verfügt, um der inländischen Bankbetriebsstätte, wäre sie ein selbständiges Kreditinstitut, einen ausreichenden Anteil zuzuordnen. Deshalb bedarf es der Anwendung der besonderen Regelungen des § 20 Absatz 4 Satz 2 BsGaV nicht.

249  Sind die genannten Alternativen nicht gegeben, ist nach § 20 Absatz 4 Satz 2 BsGaV zu vermuten, dass das ausländische Kreditinstitut mit Sitz in einem EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat, zu dem die inländische Bankbetriebsstätte gehört, ein zu geringes Eigenkapital ausweist. Dementsprechend wird auch die inländische Bankbetriebsstätte zu wenig Dotationskapital ausweisen, jedenfalls weniger, als sie bankenaufsichtsrechtlich als selbständiges Kreditinstitut – ohne Waiver-Regelung – ausweisen müsste. In solchen Fällen ist für das Eigenkapital, das nach der Kapitalaufteilungsmethode für Bankbetriebsstätten aufzuteilen ist, nicht auf das Kernkapital des ausländischen Kreditinstituts abzustellen, sondern auf das konsolidierte Kernkapital der ausländischen Kreditinstitutsgruppe, zu der das ausländische Kreditinstitut gehört (s. auch Rn. 236). Für die Bestimmung des Anteils der inländischen Bankbetriebsstätte an diesem Kapital ist die Summe der risikogewichteten Positionsbeträge der Bankbetriebsstätte zur Summe der risikogewichteten Positionsbeträge der ausländischen Kreditinstitutsgruppe ins Verhältnis zu setzen. Da es sich um eine konsolidierte Betrachtung handelt, sind alle gruppeninternen Risiken (auch die gegenüber gruppenzugehörigen Kreditinstituten) außer Ansatz zu lassen.

Fall – Dotationskapital auf Grundlage der Waiver-Gruppe:

Das ausländische Kreditinstitut Y (Y) mit Sitz in einem EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat nimmt die im EU-Staat Y geltende Waiver-Regelung in Anspruch. Es weist zum 01.01.01 risikogewichtete Positionsbeträge i.H.v. 10 000 Einheiten aus. Das unter Ausnutzung der Waiver-Regelung für Y ausgewiesene Kernkapital beträgt 400. Ohne Waiver-Regelung wäre nach ausländischem Bankenau...

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