164  Schuldrechtliche Beziehungen zwischen einer Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen sind rechtlich nicht möglich. Stattdessen werden schuldrechtliche Beziehungen fingiert, die entsprechend der Funktions- und Risikoanalyse vorliegen würden, wenn die Betriebsstätte und das übrige Unternehmen rechtlich selbständige Unternehmen wären (§ 1 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 AStG). Grundsätzlich können schuldrechtliche Beziehungen jeder Art fingiert werden (s. Rn. 5). Es ist die schuldrechtliche Beziehung anzunehmen, die den jeweils ausgeübten Personalfunktionen und übernommenen Risiken am besten entspricht.

165  Eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung setzt ein tatsächliches und identifizierbares Ereignis voraus (wirtschaftlicher Vorgang), das im Regelfall die jeweils ausgeübten Personalfunktionen betrifft. Es muss eine Schwelle überschritten werden, die es rechtfertigt, für dieses Ereignis anzunehmen, dass rechtlich selbständige, unabhängige Unternehmen in einer vergleichbaren Situation eine schuldrechtliche Vereinbarung abgeschlossen oder eine bestehende Rechtsposition geltend gemacht hätten (§ 1 Absatz 4 Satz 2 AStG, s. auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 35 und Tz. 176).

166  Eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung i.S.d. § 1 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 AStG liegt insbesondere vor,

  wenn sich Personalfunktionen im Hinblick auf Vermögenswerte verändern (fiktiver Verkauf oder fiktive Nutzungsüberlassung), dazu gehören auch die wirtschaftlichen Vorgänge bei Beginn und Beendigung einer Betriebsstätte (s. § 3 Absatz 4 BsGaV),
  wenn eine unterstützende Personalfunktion für eine andere Betriebsstätte erbracht wird (fiktive Dienstleistung), z.B. wenn eine Personalfunktion im Hinblick auf Risiken (z.B. Überwachung, Management) von einer Betriebsstätte ausgeübt wird, die nicht die maßgebliche Personalfunktion für die betreffenden Zuordnungsgegenstände ist (§§ 5 bis 11 BsGaV),
  wenn voneinander unabhängige Dritte Rechtspositionen geltend machen würden.

167  Die Gründe für das Vorliegen anzunehmender schuldrechtlicher Beziehungen und für die Art der anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen sind aufzuzeichnen (s. § 3 BsGaV, Rn. 63). Die Aufzeichnungen des Unternehmens bilden im Regelfall den Ausgangspunkt für die Charakterisierung einer anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung i.S.d. § 1 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 AStG i.V.m. § 16 BsGaV (s. auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 177 und Tz. 181). Für die Betriebsstättengewinnermittlung kommt der unternehmerischen Dispositionsfreiheit allerdings nur eine eingeschränkte Bedeutung zu, da die Zuordnungsgegenstände auf Grundlage der ausgeübten Personalfunktionen nach objektiven Kriterien zuzuordnen sind, wie z.B. materielle Wirtschaftsgüter nach der Nutzung. Deshalb haben die Aufzeichnungen nicht die gleiche Bedeutung wie rechtsgültige Verträge in Fällen des § 1 Absatz 1 AStG.

168  Im Rahmen der Regelungen zur Zuordnung von Zuordnungsgegenständen sind bereits eine Reihe von Fallgestaltungen angesprochen worden (s. Rn. 76 ff.), die auch für die Anwendung des § 16 BsGaV von Bedeutung sind. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird in folgender Übersicht auf verschiedene Beispielsfälle hingewiesen:

 
Vorgang Beispielsfall
Entstrickung (allgemein) Rn. 20
Fiktive Veräußerung bei Zuordnungsänderung  
– eines materiellen Wirtschaftsguts

Rn. 62 (Fall 1) – Überführung

Rn. 68 – Beendigung

Rn. 76 (Fall 3) – Herstellung

Rn. 77 – Nutzungswechsel

Rn. 81 – Lieferung
– eines immateriellen Vermögenswerts

Rn. 62 (Fall 2) und Rn. 94 – Schaffung, danach keine Personalfunktion mehr

Rn. 95 (Abwandlung 2) – ausschließliche Nutzung durch andere Betriebsstätte
Nutzungsüberlassung  
– eines materiellen Wirtschaftsguts

Rn. 78 – vorübergehende Nutzung

Rn. 79 – häufiger Nutzungswechsel
– eines immateriellen Vermögenswerts

Rn. 29 – Mitnutzung

Rn. 94 – Abgrenzungsfall
Erbringung von Dienstleistungen  

– Forschungsleistung

– Auftragsforschung

– Beteiligungsverwaltung

– Lohnfertigung

– Einkaufsleistung

– Schulungsleistung

–Treasury-Leistung

– kurzfristiges Darlehen

– langfristiges bankinternes Darlehen

Rn. 90 (Fall 1)

Rn. 90 (Fall 2), Hinweis auf Rn. 94

Rn. 106

Rn. 80

Rn. 366 – aber Beistellung

Rn. 391, Rn. 410

Rn. 180

Rn. 180Rn. 176, Rn. 191 (Fallvariante)

Rn. 230

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