Leitsatz

1. Ein Arbeitnehmer kann die Lohnsteuer-Anmeldung des Arbeitgebers aus eigenem Recht anfechten, soweit sie ihn betrifft (Anschluss an das Urteil des BFH vom 12.10.1995, I R 39/95, BStBl II 1996, 87).

2. Behält der Arbeitgeber einen Beitrag vom Arbeitslohn ein und führt ihn einer Versorgungsrückstellung zu, fließt dem Arbeitnehmer (noch) kein Arbeitslohn zu.

 

Normenkette

§ 37 Abs. 2AO , § 168 AO , § 11 EStG , § 38 Abs. 2 Sätze 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 EStG , § 41a Abs. 1 Satz 1 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger ist Arbeitnehmer einer Anstalt des öffentlichen Rechts (AÖR), deren Träger die X-Stadt ist. Er – wie auch andere Arbeitnehmer der X-Stadt – erhält eine zusätzliche Altersversorgung, auf die jedoch keine Anwartschaft gewährleistet wird.

Aufgrund einer Gesetzesänderung im Jahr 1999 müssen die Arbeitnehmer 1,25 % des Bruttolohns zu den Versorgungsausgaben beitragen. Die AÖR behielt diesen Anteil vom Lohn des Klägers ein, führte ihn einer Versorgungsrückstellung zu und behielt anteilig LSt ein. Der Kläger wandte sich gegen die LSt-Anmeldung. Das FG wies die Klage ab.

 

Entscheidung

Die Revision des Klägers hatte Erfolg. In verfahrensrechtlicher Hinsicht habe der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des LSt-Abzugs. Materiell-rechtlich führe die Zuführung der Beiträge zu der Versorgungsrückstellung noch nicht zum Zufluss von Arbeitslohn, sondern erst die spätere Auszahlung der Versorgungsbezüge. Der Einbehalt des Versorgungsbeitrags stelle eine Lohnkürzung dar, vergleichbar mit einer arbeitnehmerfinanzierten Altersvorsorge durch Herabsetzung des gegenwärtigen Gehalts zugunsten einer Altersversorgung.

 

Hinweis

1. Im Anschluss an die Rechtsprechung des I. Senats des BFH zur Kirchen-LSt (siehe BFH, Urteil vom 12.10.1995, I R 39/95, BStBl II 1996, 87) hat der VI. Senat nunmehr erstmals entschieden, dass ein Arbeitnehmer die LSt-Anmeldung des Arbeitgebers aus eigenem Recht anfechten kann, soweit sie ihn betrifft. Zwar ist der Arbeitgeber – und nicht der Arbeitnehmer – Adressat der LSt-Anmeldung (Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung – § 168 Satz 1 AO). Der Arbeitnehmer ist aber als Betroffener unmittelbar in seinen Rechten (vgl. § 40 Abs. 2 FGO) verletzt, sofern die LSt vom Arbeitgeber (als Entrichtungsschuldner) unzutreffend berechnet und zu viel LSt an das Betriebsstätten-FA abgeführt wird. Dabei geht es nicht nur um eine wirtschaftliche Betroffenheit des Arbeitnehmers; vielmehr ist dieser – da Schuldner der LSt (§ 38 Abs. 2 Satz 1 EStG) – auch rechtlich betroffen. Auch in diesem Zusammenhang betont der BFH den (materiell-rechtlichen) Charakter der LSt-Abzugsbeträge als Vorauszahlungen auf die Jahres-ESt des Arbeitnehmers.

2. Zwar hat der Arbeitnehmer auch arbeitsrechtlich einen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber vom Bruttolohn nur die zutreffende LSt einbehält und abführt; insoweit dürfte auch der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten offen stehen. Aufgrund der vorliegenden Entscheidung lassen sich indes Zweifelsfragen bei der Besteuerung von Arbeitslohn bzw. Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber rasch ausräumen und – aus der Sicht des Arbeitgebers – auch Haftungsgefahren vermindern. Gegenstand des vom Kläger (als Steuerschuldner) betriebenen Rechtsbehelfs- bzw. Klageverfahrens kann aber immer nur die Rechtsfrage sein, ob der Arbeitgeber (der zum Verfahren beizuladen ist) berechtigt oder verpflichtet ist, die betreffende LSt einzubehalten und abzuführen.

Beachten Sie auch, dass der Arbeitnehmer als Schuldner der LSt auch zu einer Anfrage auf Erteilung einer Auskunft nach § 42e EStG berechtigt ist (BFH, Urteil vom 9.10.1992, VI R 97/90, BStBl II 1993, 166, 168).

3. Der Arbeitnehmer (als Kläger) wird sein Klagebegehren letztlich in der Form der Fortsetzungsfeststellungsklage durchsetzen müssen. Denn aus zeitlichen Gründen wird bei der gerichtlichen Entscheidung regelmäßig eine Erledigung in der Hauptsache eingetreten sein; dies ungeachtet der Frage, ob der Erledigungsgrund darin liegt, dass der LSt-Abzug nach Ausschreibung der LSt-Bescheinigung nicht mehr geändert werden darf (§ 41a Abs. 3 Satz 1 EStG) bzw. – so hier der BFH – der zwischenzeitlich erlassene ESt-Bescheid einen neuen Rechtsgrund für die Steuerzahlung bildet. Die Klage kann fortgesetzt werden, wenn ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der gerügten Rechtswidrigkeit des LSt-Abzugs besteht. Dies ist – wie im Streitfall – zu bejahen, wenn die Zweifelsfrage auch in folgenden LSt-Anmeldungen auftritt.

4. In der Sache wendet die Besprechungsentscheidung gefestigte Rechtsprechungsgrundsätze an. Ein Anspruch auf eine Leistung begründet grundsätzlich noch keinen Zufluss von Arbeitslohn, sondern erst die Erfüllung des Anspruchs (zuletzt: BFH, Urteile vom 23.6.2005, VI R 124/99, BFH-PR 2005, 367 und vom )23.6.2005, VI R 10/03, BFH-PR 2005, 368. Etwas anderes – was hier nicht gegeben war – gilt nur dann, wenn der Arbeitgeber mit seinen Leistungen dem Arbeitnehmer einen unmittelbaren und unen...

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