Verluste gehen nicht unter, soweit im Betriebsvermögen (BV) der Kapitalgesellschaft stille Reserven vorhanden sind (§ 8c Abs. 1 S. 5 ff. KStG). Dies ist gerechtfertigt, denn wenn diese stillen Reserven vor dem Anteilserwerb aufgedeckt würden, könnten vorhandene Verluste mit diesen Gewinnen verrechnet werden.

Die stillen Reserven ermitteln sich grundsätzlich als Differenz zwischen dem gemeinen Wert des BV und dem Buchwert (Eigenkapital) der Kapitalgesellschaft jeweils zum Erwerbszeitpunkt. Dabei kann der gemeine Wert des BV grundsätzlich aus dem fremdüblichen Kaufpreis der Anteile abgeleitet werden.[14] Daher bestimmt § 8c Abs. 1 S. 6 KStG: Die stillen Reserven sind der Unterschiedsbetrag zwischen dem Eigenkapital und dem gemeinen Wert der Anteile.

 

Beispiel 8

Die A-GmbH hat ein positives Eigenkapital i.H.v. 10.000 EUR (Buchwert) und einen Verlustvortrag i.H.v. 30.000 EUR. Die gesamten Anteile an der A-GmbH werden für einen fremdüblichen Kaufpreis i.H.v. 50.000 EUR veräußert, was zu einem Erwerb nach § 8c Abs. 1 S. 1 KStG führt. Die stillen Reserven betragen 40.000 EUR (Kaufpreis der Anteile 50.000 EUR ./. Eigenkapital 10.000 EUR).

Lösung: Der Verlust von 30.000 EUR geht daher nicht unter, da die stillen Reserven höher sind.

Wenn der gemeine Wert des BV jedoch negativ ist, beträgt der Kaufpreis der Anteile i.d.R. nur 1 EUR (da kein negativer Kaufpreis denkbar ist). Dies würde nach der Berechnungsmethode des § 8c Abs. 1 S. 6 KStG (Anteilswert ./. Buchwert des BV) in Höhe des negativen Buchwerts unzutreffend zu "rechnerischen" stillen Reserven führen. Um dies zu vermeiden, setzt das Gesetz aber nicht beim gemeinen Wert des BV, sondern bei dessen Buchwert an. In § 8c Abs. 1 S. 7 KStG wird bestimmt, dass bei negativem Eigenkapital die stillen Reserven der Unterschiedsbetrag zwischen dem Eigenkapital und dem gemeinen Wert des BV ist. Bei negativem Eigenkapital muss daher eine Bewertung des BV erfolgen. Eine Ableitung aus dem Kaufpreis der Anteile (wenn es sich um einen entgeltlichen Erwerb handelt) ist gesetzlich nicht vorgesehen.

Diese Regelung ist m. E. methodisch nicht zielgenau. Auch bei negativem Eigenkapital kann der gemeine Wert des BV positiv sein, wenn (ausreichende) stille Reserven vorhanden sind. Der fremdübliche Kaufpreis der Anteile beträgt dann mehr als 1 EUR. Er ist dann vermutlich so hoch wie der gemeine Wert des BV zzgl. eines Aufschlags für den "mitverkauften" Verlustvortrag. Dieser kann dann für die Berechnung der stillen Reserven verwendet werden. Der Gesetzgeber hat hier aber vermutlich "auf Nummer sicher" gehen wollen und im Tatbestand des § 8c Abs. 1 S. 8 KStG lieber auf einen eindeutig bestimmbaren (negativen) Buchwert abgestellt, als auf einen nicht sicher bestimmbaren gemeinen Wert.

Beraterhinweis Gleichwohl kann man ggf. den gemeinen Wert des BV der Kapitalgesellschaft aus einem fremdüblichen Kaufpreis der Anteile ableiten.[15] Zumindest kann man sich eine Unternehmensbewertung ersparen, wenn – ausgehend vom Kaufpreis – die stillen Reserven schon überschlägig die Verluste (deutlich) übersteigen. Zu diesem Problem ist auch beim BFH unter dem Az. I R 4/19[16] eine Revision anhängig.

 

Beispiel 9

Die B-GmbH hat ein negatives Eigenkapital i.H.v. ./. 10.000 EUR (Buchwert) und einen Verlustvortrag i.H.v. 30.000 EUR. Die gesamten Anteile an der A-GmbH werden für einen fremdüblichen Kaufpreis i.H.v. 50.000 EUR veräußert, was zu einem Erwerb nach § 8c Abs. 1 S. 1 KStG führt. Der gemeine Wert des BV beträgt (maximal) 50.000 EUR, was aus dem Anteilskaufpreis abzuleiten ist. Das negative Eigenkapital der B-GmbH ist dafür unbeachtlich. Nur weil die B-GmbH bilanziell überschuldet ist, sagt dies nichts darüber aus, in welcher Höhe stille Reserven vorhanden sind und dass der gemeine Wert des BV nicht aus dem Kaufpreis der Anteile abzuleiten ist. Ggf. ist ein Kaufpreisaufschlag für den übernommenen Verlustvortrag (zukünftige Steuerersparnis) abzuziehen.

Lösung: Der Verlust von 30.000 EUR geht daher nicht unter, da die stillen Reserven (überschlägig: 60.000 EUR) höher sind. Da das Eigenkapital negativ ist, muss aber methodisch nach § 8c Abs. 1 S. 7 KStG "eigentlich" eine Ermittlung des gemeinen Werts des BV erfolgen.

[14] BT-Drucks. 17/15 v. 9.11.2009, S. 19.
[15] Dazu ausführlich Ernst/Zimmerl, DStR 2020, 1350.

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