Bei der Verschmelzung der Organgesellschaft stellte sich die Frage,

  • ob ein Übertragungsgewinn der Zurechnung an den Organträger unterliegt, oder
  • ob die Organgesellschaft diesen Übertragungsgewinn selbst zu versteuern hat.

Nach bisheriger Auffassung der Finanzverwaltung im UmwSt-Erlass 2011[45] war dem Organträger der steuerliche Übertragungsgewinn nicht nach § 14 Abs. 1 S. 1 KStG zuzurechnen, sondern von der Organgesellschaft selbst als eigenes Einkommen zu versteuern. Daher hätte die T-GmbH ihren Verlustvortrag "nutzen" können, da der steuerpflichtige Übertragungsgewinn durch die – eine logische Sekunde vorher – beendete Organschaft nicht mehr der Sperre i.S.d. § 15 S. 1 Nr. 1 KStG unterliegt.

Finanzverwaltung folgt nunmehr BFH: Nachdem der BFH jedoch mit Urteil 11.8.2021[46] zum Ergebnis gelangte, dass der umwandlungsbedingte Übertragungsgewinn (wie auch das laufende Einkommen) der Organgesellschaft der Zurechnung nach § 14 Abs. 1 S. 1 KStG an den Organträger unterliegt, ist die Finanzverwaltung dem durch Veröffentlichung des Urteils im Bundessteuerblatt gefolgt.[47]

Beachten Sie: In einem zeitgleich veröffentlichten BMF-Schreiben v. 10.2.2023[48] weist die Finanzverwaltung aber darauf hin, dass in diesem Fall eine Verrechnung vororganschaftlicher Verluste – entgegen einer Aussage im BFH-Urteil[49] – nur unter den Voraussetzungen des § 15 S. 1 Nr. 1 KStG zulässig sei.[50]

 

Beispiel

Die T-GmbH (Organgesellschaft) wird mit Wirkung zum 31.12.2022 auf die X-GmbH (Schwestergesellschaft) verschmolzen. Die T-GmbH verfügt über vororganschaftliche Verlustvorträge bei der KSt und GewSt i.H.v. jeweils 1.000.000 EUR, die während der Organschaft nicht mit positivem Einkommen der T-GmbH verrechnet werden konnten (§ 15 S. 1 Nr. 1 KStG). Diese Verluste gehen umwandlungsbedingt unter (§§ 12 Abs. 3 Halbs. 2 i.V.m. 4 Abs. 2 S. 2 UmwStG). Daher überlegt die Geschäftsführung der T-GmbH, die stillen Reserven des Betriebsvermögens durch einen Zwischenwertsansatz (§ 11 Abs. 2 UmwStG) aufzudecken, um den dadurch entstehenden Übertragungsgewinn "in der letzten Sekunde" am Umwandlungsstichtag mit dem Verlustvortrag zu verrechnen.

Die Finanzverwaltung lässt nach dem BMF-Schreiben v. 10.2.2023[51] in diesem Fall keine Verlustverrechnung bei der Organgesellschaft zu.

Eigene Stellungnahme: Wenn die Voraussetzungen der Organschaft bis zur letzten logischen Sekunde vor der Umwandlung (steuerliche Vermögensübertragung) bestehen und daher neben dem laufenden Ergebnis auch ein Übertragungsgewinn (§ 11 Abs. 2 UmwStG) der Zurechnungsnorm des § 14 Abs. 1 S. 1 KStG unterliegt – so die Entscheidung des BFH –, ist es konsequent, alle Rechtswirkungen der Organschaft – d.h. auch das Verlustverrechnungsverbot des § 15 S. 1 Nr. 1 KStG – "bis zur letzten Sekunde" anzuwenden. Es wäre widersprüchlich, wenn der Übertragungsgewinn aus der Umwandlung (positives Einkommen)

  • zunächst ohne Anwendung einer Organschaftsregel (§ 15 S. 1 Nr. 1 KStG) mit dem vororganschaftlichen Verlustvortrag verrechnet werden dürfte,
  • um dieses (geminderte) Einkommen danach mit Anwendung einer Organschaftsregel (hier: § 14 Abs. 1 S. 1 KStG) dem Organträger zuzurechnen.
[45] BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, GmbH-StB 2012, 44 (Görden) = BStBl. I 2011, 1314 Rz. Org.27.
[46] BFH v. 11.8.2021 – I R 27/18, BStBl. II 2023, 195 = GmbH-StB 2022, 3 (Schimmele).
[47] Der UmwSt-Erlass 2011 (BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, GmbH-StB 2012, 44 (Görden) = BStBl. I 2011, 1314 Rz. Org.27.) wurde bisher nicht geändert.
[48] BMF v. 10.2.2023 – IV C 2 - S 2770/19/10006 :008 – DOK 2023/0136824, BStBl. I 2023, 250 = GmbH-StB 2023, 102 (Schimmele).
[49] BFH v. 11.8.2021 – I R 27/18, GmbH-StB 2022, 3 (Schimmele) = BStBl. II 2023, 195 Rz. 25: "Der [...] Auslegung steht auch die [...] Argumentation nicht entgegen, dass der Übertragungsgewinn in der Person desjenigen versteuert werden müsse, bei dem auch die Aufstockung der Buchwerte erfolge. Das folgt schon daraus, dass es für eine [...] gesonderte Behandlung des Übertragungsgewinns keine positive Rechtsgrundlage gibt [...]. Gleiches gilt für den Hinweis, die hier favorisierte Auslegung könne ggf. dazu führen, dass vororganschaftliche Verluste der Organgesellschaft endgültig untergingen. Dies ist schon deshalb nicht überzeugend, weil die Umwandlung auch zu einem Wert oberhalb des Buchwerts und bis zum gemeinen Wert vorgenommen werden könnte, um so bei der Organgesellschaft bestehende vororganschaftliche Verluste zu nutzen.".
[50] So auch Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, UmwStG Anh. 1 Rz. 54 (Juni 2022).
[51] BMF v. 10.2.2023 – IV C 2 - S 2770/19/10006 :008 – DOK 2023/0136824, BStBl. I 2023, 250 = GmbH-StB 2023, 102 (Schimmele).

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