Das FA ordnete am 15.11.2012 bei einem Steuerpflichtigen eine Betriebsprüfung an, die u.a. die ESt 2006 bis 2008 betraf. Am 29.11.2012 teilte das FA mit, dass beabsichtigt sei, die Prüfung am 11.12.2012 zu beginnen. Der Steuerpflichtige beantragte, den Prüfungsbeginn auf Januar/Februar 2013 zu verlegen und die Prüfung an Amtsstelle durchzuführen. Im August 2013 bestätigte das FA, dass die Prüfung an Amtsstelle durchgeführt werden solle und wies auf die erforderlichen Unterlagen hin. Am 3.9.2013 übersandte der Steuerpflichtige dem FA eine Daten-CD. In der Zeit von November 2013 bis April 2014 war die zuständige Betriebsprüferin arbeitsunfähig erkrankt. Erst am 11.8.2014 begann sie mit dem Aufspielen der Daten-CD und der Prüfung der Daten. Der Prüfungsbericht wurde am 2.7.2015 erstellt. Geänderte Bescheide auf Grund der Betriebsprüfung ergingen am 17.12.2015. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren war die Klage für die Streitjahre 2006 und 2007 erfolgreich. Der BFH hat die NZB des FA zurückgewiesen.

§ 171 Abs. 4 S. 2 AO sehe vor, dass die Ablaufhemmung durch den Beginn einer Außenprüfung rückwirkend wegfalle, wenn diese unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen worden sei, die in der Sphäre des FA lägen. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm trete diese Rechtsfolge unabhängig davon ein, ob der Ablauf der Festsetzungsfrist deswegen gehemmt wurde, weil vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit der Außenprüfung begonnen oder weil deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben worden sei. Sinn und Zweck der Regelung des § 171 Abs. 4 S. 2 AO bestehe darin, einer missbräuchlichen Ausnutzung der Möglichkeit der Ablaufhemmung durch die Behörde entgegenzuwirken und dem Steuerpflichtigen Rechtssicherheit zu gewähren. Außenprüfungen sollten nicht pro forma begonnen werden, um den Ablauf der Festsetzungsfrist hinauszuschieben (BT-Drucks. 7/4292 v. 7.11.1975, 33; vgl. Banniza in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 171 AO Rz. 89 ff. [April 2018]; Paetsch in Gosch, AO/FGO, § 171 AO Rz. 67 ff. [Oktober 2020]; Harle / Kulemann in Papperitz/Keller, ABC Betriebsprüfung, Fach 3 Stichw. "Beginn der Betriebsprüfung" Rz. 20 [August 2016]; Rüsken in Klein, AO, 15. Aufl. 2020, § 171 Rz. 45). Dies gelte auch dann, wenn der Prüfungsbeginn auf Antrag des Steuerpflichtigen verschoben worden sei. Denn auch in einem solchen Fall sei der missbräuchlichen Ausnutzung der Möglichkeit zu begegnen, den Ablauf der Festsetzungsfrist durch lediglich formelle und keine ernsthaft beabsichtigten Prüfungshandlungen bzw. Scheinhandlungen zu hemmen.

BFH v. 4.3.2020 – VIII B 140/19

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