a) Bezeichnung und Umfang der Urkunden

Der Umfang des Selbstleseverfahrens kann nicht dadurch wirksam auf den gesamten Inhalt aller in der sog. Selbstleseliste aufgeführten Urkunden erweitert werden, dass die Berufsrichter und Schöffen zum Abschluss des Selbstleseverfahrens zu Protokoll erklären und in einem Beschluss wiederholen, den Wortlaut aller in der Selbstleseliste aufgeführten Urkunden zur Kenntnis genommen zu haben, wenn die Anordnung des Selbstleseverfahrens durch den Vorsitzenden insoweit inhaltliche Beschränkungen enthielt. Denn die Feststellung zum Abschluss eines Selbstleseverfahrens muss dem Inhalt der Anordnung des Vorsitzenden entsprechen.

Das Selbstleseverfahren verfolgt nicht den Zweck, ohne vorherige Bewertung der Beweisbedeutung große Teile der Akten in die Hauptverhandlung einzuführen und sie so zur potentiellen Grundlage des Urteils zu machen. Vielmehr ist es geboten, die durch ein Selbstleseverfahren einzuführenden Urkunden mit Sorgfalt zusammenzustellen und bereits zu diesem Zeitpunkt ihre mögliche Erheblichkeit ebenso wie ihre rechtliche Verlesbarkeit nach § 249 ff. StPO zu prüfen (vgl. Kudlich / Schuhr in Satzger/Schluckebier/Widmaier, 4. Aufl. 2020, § 249 StPO Rz. 35 ff.; Tormöhlen in Papperitz/Keller, ABC Betriebsprüfung, Fach 5 Stichw. "Hauptverhandlung" Rz. 7 [Juli 2022]).

BGH v. 8.2.2022 – 5 StR 243/21

b) Abschluss des Selbstleseverfahrens

Der Urkundsbeweis wird im Selbstleseverfahren außerhalb der Hauptverhandlung erhoben. Deshalb muss gegenüber den Verfahrensbeteiligten kenntlich gemacht werden, dass der in dieser Form gewonnene Beweisstoff als Inbegriff der Hauptverhandlung (§ 261 StPO) der Überzeugungsbildung des Gerichts zugrunde gelegt werden kann. Dies wird durch die Feststellungen nach § 249 Abs. 2 S. 3 StPO beweiskräftig vollzogen. Dabei muss für die Berufsrichter und Schöffen die erfolgte Kenntnisnahme vom Wortlaut der Urkunden festgestellt werden, während für die übrigen Verfahrensbeteiligten die Feststellung der Gelegenheit zur Kenntnisnahme genügt. Die Durchführung eines Selbstleseverfahrens kann als wesentliche Verfahrensförmlichkeit nur durch das Hauptverhandlungsprotokoll bewiesen werden (§ 274 S. 1 StPO). Wenn dieser Vermerk fehlt, dann ist die Inbegriffsrüge nach § 261 StPO eröffnet, da die dem Selbstverfahren zugeführten Urkunden als verwertbarer Beweisstoff nicht zur Verfügung gestanden haben (vgl. Kudlich / Schuhr in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO, 4. Aufl. 2020, § 249 Rz. 44 ff.).

Nur wenn die Urkundspersonen, also der Vorsitzende und die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, die Niederschrift beide für inhaltlich unrichtig halten und hieran sichere Erinnerung haben, darf das Protokoll berichtigt werden. In diesem Fall ist die Entscheidung über die Protokollberichtigung mit Gründen zu versehen (§ 34 StPO). Darin sind die Tatsachen anzugeben, welche die Erinnerung der Urkundspersonen belegen (vgl. hierzu Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl. 2022, § 271 Rz. 22 ff.).

BGH v. 10.5.2022 – 2 StR 501/21

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