a) Reine Dienstinterna

Die Akteneinsicht umfasst das gesamte Beweismaterial, das gerade in dem gegen den Beschuldigten gerichteten Ermittlungsverfahren angefallen ist (vgl. auch Nr. 111 Abs. 5 RiStBV).[43] Nicht zu den Akten i.S.d. § 147 Abs. 1 StPO gehören rein behördeninterne Vorgänge.[44] Dies gilt aber nur, wenn sich darin keine be- oder entlastenden Beweisstücke befinden.[45] Ein "neben dem Vorsitzenden liegen lassen" von "heimlichen Beiakten"[46], ohne sie zum Gegenstand des Verfahrens zu machen und so einen undokumentierten Einfluss auf die Überzeugungsbildung des Gerichts zu nehmen, widerspricht der auf Waffengleichheit zielenden Parität des Wissens.[47] In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass die Einsicht insb. in Fallhefte verweigert wird mit der Begründung, deren Inhalt fände sich bereits in der Ermittlungsakte oder enthalte lediglich Dienstinterna.[48]

Beraterhinweis Auch Dienstinterna können relevant werden, bspw. bei der Frage, wie eine Durchsuchung organisatorisch vorbereitet wurde, wenn die (ggf. sogar verschuldete) Rechtswidrigkeit einer Durchsuchung im Wege eines Beweisverwertungsverbots geltend gemacht werden soll.

[44] Jahn in LR/StPO, 27. Aufl. 2021, § 147 Rz. 32; vgl. Nr. 186 Abs. 3 RiStBV.
[45] Jäger in Klein, AO, 16. Aufl. 2022, § 392 Rz. 15.
[46] Dahs, Handbuch des Strafverteidigers. 8. Aufl. 2015, Rz. 261.
[47] Jahn in LR/StPO, 27. Aufl. 2021, § 147 Rz. 4.
[48] Burkhard, PStR 2002, 256.

b) Die Handakten der Staatsanwaltschaft

Nach h.M. umfasst das Akteneinsichtsrecht nicht die Handakten der Staatsanwaltschaft.[49] Diese werden in Nr. 186 Abs. 3 RiStBV als Fall eines innerdienstlichen Vorgangs behandelt ("Handakten der Staatsanwaltschaft und andere innerdienstliche Vorgänge"). Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass es verfahrensbezogene Dienstinterna gibt, die nicht der Akteneinsicht unterliegen,[50] ist die Grenze der Irrelevanz für das Verfahren jedenfalls dort erreicht, wo Unterlagen die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betreffen.[51]

Beraterhinweis Insb. können auch Dienstinterna für die Verteidigung von Interesse sein, so dass der Verteidiger auch die Einsicht in die Handakten einfordern sollte, wenn er die Vermutung hat, diese könnten relevant sein. Hier muss u.E. die oben genannte Einschätzungsprärogative des Verteidigers bestehen und das Einsichtsrecht auch die Handakten umfassen. Konkrete Anhaltspunkte können hier u.E. nicht verlangt werden, da sich der Verteidiger in diesen Fällen oftmals in Beweisnot befindet.

[49] Jahn in LR/StPO, 27. Aufl. 2021, § 147 Rz. 32; a.A. Burkhard, StV 2000 526, 528.
[50] Burkhard, StV 2000, 526.
[51] Warg, NJW 2015, 3195.

c) Das Fallheft der Betriebsprüfung und der Steuerfahndung

Eine seit langem kontrovers diskutierte Frage hinsichtlich des Umfangs der Akteneinsicht im Steuerstrafverfahren ist, ob von dem Recht auch die Einsicht in das Fallheft der Betriebsprüfung und der Steuerfahndung umfasst ist. Hier wird entsprechend den obigen Ausführungen zur Handakte der Staatsanwaltschaft die Ansicht vertreten, dass ein finanzbehördliches Fallheft dem Einsichtsrecht unterliegt. Da diese Problematik eine hohe Praxisrelevanz aufweist, soll diese näher beleuchtet werden. Das Fallheft kann im Steuerstrafverfahren insofern eine Rolle spielen, als der jeweilige Prüfer als Zeuge seine Aussagen auf Feststellungen im Fallheft stützt oder – wesentlich bedeutender – entlastende Vorgänge lediglich im Fallheft dokumentiert werden bzw. gezielt aus der Ermittlungsakte in das Fallheft aussortiert werden. Hierbei kommt es in der Praxis häufig zum Streit zwischen Finanzbehörde und dem Verteidiger des Beschuldigten. Die Finanzbehörden lehnen regelmäßig die Einsicht in die Fallhefte ab. Die Überprüfung der Vollständigkeit der Akten obliegt dabei dem Gericht, wobei das Gericht allerdings keinen Einblick in die internen behördlichen Vorgänge erhält.

Beachten Sie: Vorab ist allerdings die weit verbreitete Fehlvorstellung auszuräumen, dass das sog. Fallheft des Betriebsprüfers oder Steuerfahnders nicht vergleichbar ist mit der korrekt geführten Handakte des Staatsanwalts, die meist nur die Anklageschrift, ein paar Notizen zur öffentlichen Hauptverhandlung sowie Notizen für das spätere Plädoyer enthält.[52] Bereits der Umfang der Akten der Betriebsprüfer und Steuerfahnder, die diese bei einer Zeugenvernehmung gerne mit in die Hauptverhandlung bringen, legt auf die Hand, dass diese sog. Fallhefte nicht mit der Handakte des Staatsanwalts vergleichbar sind.

Nach einer in der Verwaltung verbreiteten und von der Rspr.[53]teilweise gestützten Ansicht bezieht sich die Akteneinsicht nicht auf die Fallhefte des Betriebsprüfers und des Steuerfahndungsprüfers, da diese ausschließlich behördeninterne Vorgänge enthalten, die mit der Handakte der Staatsanwaltschaft gleichzusetzen seien. Die Einsicht in die Handakte der Staatsanwaltschaft sei ausgeschlossen. Dabei steht außer Frage, dass Unterlagen nicht bewusst in die Handakte eingeheftet werden dürfen, einzig um sie dem Akteneinsichtsrecht zu entziehen.[54] Dar...

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